Dezember 2025

251201

ENERGIE-CHRONIK


Umstellung der Anreizregulierung ist größtenteils abgeschlossen

Die Bundesnetzagentur hat am 10. Dezember ihre Festlegungen im "NEST-Prozess" veröffentlicht, der die bisher von der Bundesregierung erlassenen Regelungen für die sogenannte Anreizregulierung (160805) auf die Regulierungsbehörde überträgt. Der Ausdruck bezieht sich auf das Eckpunktepapier "Netze. Effizient. Sicher. Transformiert", in dem die Behörde Anfang 2024 ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung des Regulierungsrahmens skizziert hat (250108). Im Zusammenhang damit startete die Bundesnetzagentur ein Konsultationsverfahren zur Weiterentwicklung der seit 2009 praktizierten "Anreizregulierung" (250108) und veröffentlichte im Juli einen Zwischenbericht zum Stand des Umstellungsverfahrens (250705). Die nun erlassenen neuen Bestimmungen treten formal zum Jahreswechsel in Kraft. Sie gelten aber noch nicht für die beiden derzeit laufenden Regulierungsperioden, die für Gas erst 2028 und für Strom erst 2029 enden. Zugleich wird dann mit einer Verkürzung der Regulierungsperioden von bisher fünf auf drei Jahre zu rechnen sein.

Bundesnetzagentur tritt an die Stelle des bisherigen Verordnungsgebers

Rechtliche Grundlage des "NEST-Prozesses" ist ein 2021 ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach nicht die Bundesregierung, sondern die Bundesnetzagentur für die Regelung dieser Bereiche zuständig ist (210901). Den Anstoß zu diesem Urteil gab ein Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission 2018 gegen Deutschland einleitete, weil es die Richtlinien für den Strom- und Gasbinnenmarkt (090401) nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hatte (180705). Nach Feststellung der Luxemburger Richter wurden die 2009 in Kraft getretenen neuen EU-Richtlinien durch die im Juni 2011 beschlossene Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes (110602) von der damals regierenden schwarz-roten Koalition in etlichen Punkten fehlerhaft in nationales Recht umgesetzt. Vor allem wurden Befugnisse, die das Unionsrecht den Regulierungsbehörden übertrug, durch den § 24 des Energiewirtschaftsgesetzes weiterhin auf den Verordnungsgeber verlagert.

Verordnungen über Netzzugang, Anreizregulierung und Netzentgelte laufen bis 2028 sukzessive aus

Die Entscheidung des Gerichtshofs wurde im November 2023 vom Bundestag mit einer entsprechenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes in nationales Recht umgesetzt (231109). Um die Verstöße gegen das EU-Recht rückgängig zu machen und die Kompetenzen der Bundesnetzagentur entsprechend zu erweitern, werden die einschlägigen Verordnungen nun bis Ende 2028 schrittweise außer Kraft gesetzt und durch Vorgaben der Bundesnetzagentur ersetzt. Zunächst treten die beiden Netzzugangsverordnungen für Strom und Gas, die im Juli 2015 zusammen mit den Netzentgeltverordnungen für Strom und Gas erlassen wurden (050701), mit Ablauf des Jahres 2025 außer Kraft. Zum 31. Dezember 2027 folgen die im August 2016 erlassene Anreizregulierungsverordnung (160805) und die Gasnetzentgeltverordnung. Mit Ablauf des Jahres 2028 wird schließlich auch die Stromnetzentgeltverordnung ihre Gültigkeit verlieren, um durch entsprechende Regelungen der Bundesnetzagentur ersetzt zu werden. An ihre Stelle tritt dann eine generelle Reform der Netzentgelte, welche die neu eingerichtete "Große Beschlusskammer Energie" der Bundesnetzagentur mit der Rahmenfestlegung AgNes ("Allgemeine Netzsystematik") vorbereitet.  

Für Übertragungsnetzbetreiber wird die Anreizregulierung gesondert geregelt

Die jetzt erfolgten Festlegungen im "NEST-Prozess" betreffen die Anreizregulierung als Rahmenkonzept, die Bestimmung der betriebsnotwendigen Kosten, die Kapitalverzinsung, den Produktivitätsfaktor und den Effizienzvergleich. Sie gelten für alle Gasnetzbetreiber sowie die Betreiber von Strom-Verteilnetzen. Die Übertragungsnetzbetreiber wurden aus dem allgemeinen NEST-Prozess von vornherein ausgenommen. Die Bundesnetzagentur begründet dies mit ihrem strukturell anderen Investitionsbedarf sowie sowie den starken Veränderungen der von ihnen zu leistenden Systemaufgaben und deren extrem hohen Anteil an den Gesamtkosten. Zugleich veröffentlichte sie am 10. Dezember einen separaten Festlegungsentwurf, der diese Besonderheiten berücksichtigen soll. Anders als bei den Verteilernetzbetreiber sei für die Übertragungsnetzbetreiber "ein System mit jährlichem Plan-Ist-Kostenabgleich geplant, das mit starken Effizienzinstrumenten verschränkt wird".

Bundesnetzagentur will bisherige Regelungen "im Kern" beibehalten und weiterentwickeln

"Wir machen die Kostenregulierung effektiver und einfacher und vor allem weniger bürokratisch", sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Einerseits werde die Regulierung investitionsfreundlicher. Zugleich werde aber dafür gesorgt, dass die Netzbetreiber effizienter wirtschaften und nur solche Kosten in die Netzentgelte einfließen, die unvermeidlich sind. "Wir behalten die Interessen der Haushalte, des Gewerbes und der Industrie im Blick, auf deren Stromrechnung die Kosten zum Schluss auftauchen", versicherte Müller. Im Kern beschließe man die Weiterführung der Anreizregulierung nach 2027 für alle Gasnetzbetreiber und die Betreiber der Strom-Verteilnetz, wie sie sich in Deutschland bewährt habe. 

Die bekannten Instrumente bleiben demnach erhalten: Die Kosten der Netzbetreiber werden periodisch für ein Basisjahr geprüft und dann als Erlösobergrenze über mehrere Jahre einer Regulierungsperiode fortgeschrieben. Durch die Verkürzung können Kostenveränderungen in der Transformation dann schneller abgebildet werden. Die Erlösobergrenze bestimmt den maximalen Geldbetrag, der den Verbrauchern über die Netzentgelte in Rechnung gestellt werden darf. Enthalten ist eine Eigenkapitalverzinsung, die für jede Regulierungsperiode neu festgelegt wird und sich an der Entwicklung des Zinsenniveaus auf den internationalen Kapitalmärkten orientiert. Für Neuinvestitionen wird die genehmigte Erlösobergrenze weiterhin jährlich angepasst werden. Ergänzend wird ein Effizienzvergleich durchgeführt, bei dem die Behörde die Netzbetreiber untereinander vergleicht. Daraus ergeben sich netzbetreiberindividuelle Effizienzvorgaben für die Regulierungsperiode. Auslastungsrisiken werden weiterhin über ein Regulierungskonto ausgeglichen.

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, das sich im Vergleich zu den Bestandsregelungen für die Stromverteilnetzbetreiber ein "nennenswerter Erlöszuwachs von 1,4 Prozent" ergibt. Der Umbau der Stromnetze werde dadurch erheblich unterstützt.  Erlöseffekte aus steigendem Investitionsvolumen oder dem gestiegenen internationalen Zinsniveau seien darin noch nicht enthalten.

Branchenverbände zeigen sich enttäuscht

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sowie der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) kritisierten das "NEST"-Ergebnis übereinstimmend als enttäuschend. "Die bereits Ende Oktober von der Behörde kommunizierten Verbesserungen sind richtig, aber reichen bei weitem nicht aus", erklärte die BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. "Es ist bedauerlich, dass die Bundesnetzagentur nicht die Kraft für weitere Anpassungen gefunden hat. Wir bleiben dabei: Noch immer finden sich in den acht Festlegungen zahlreiche strukturell-methodische Verschlechterungen gegenüber dem Status quo, die im Ergebnis die Leistungs- und Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber schwächen und den Unternehmen wichtige Finanzmittel entziehen." Der VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing bewertete die NEST-Festlegungen ebenfalls als “enttäuschend und den aktuellen sowie künftigen Aufgaben der Verteilnetzbetreiber absolut nicht angemessen”. Nach wie vor fehle ein ausreichend investitionsfreundlicher Regulierungsrahmen, den die Netzbetreiber benötigen würden, um die Investitionen für die Energiewende hochfahren zu können.

Links (intern)