September 2022

220905

ENERGIE-CHRONIK


 

Entwicklung des EEG-Kontos von Januar 2021 bis August 2022


Nur mühsam wurde das EEG-Konto im Januar 2021 mit einer ersten Finanzspritze von 5,1 Milliarden Euro aus den roten Zahlen herausgeholt, in denen es seit einem halben Jahr steckte (siehe Grafik 2). Im Mai und im Oktober wurde das Konto nochmals mit insgesamt 5,7 Milliarden Euro gedopt. Zumindest das letzte Doping war aber schon unnötig, weil sich der Kontostand nun ohne zusätzliche Finanzspritzen bis August 2022 von 7,96 auf 17,44 Milliarden Euro erhöhte und damit mehr als verdoppelte. Der Grund waren die Windfall-Profits, die durch die Koppelung des Strompreises an den Gaspreis entstanden. Von diesen Windfall-Profits profitierte außer den Stromproduzenten auch das EEG-Konto bzw. der Staat, der ab Juni 2022 die Belastung der Verbraucher durch die EEG-Umlage ganz abschaffte.

Windfall-Profits verhelfen EEG-Konto zu 17 Milliarden Euro Überschuss

Auf dem EEG-Konto hat sich bis Ende August ein Überschuss von 17,44 Milliarden Euro angesammelt, der Ende September wahrscheinlich noch höher sein wird. Die Ursache dieser erstaunlichen Geldvermehrung sind die Windfall-Profits, die sich aus der faktischen Koppelung des Börsen-Strompreises an den Gaspreis ergeben. Dieser Börsenmechanismus begünstigt alle Stromproduzenten, deren Erzeugungskosten unter denen für Gaskraftwerke liegen. Der enorme Gaspreisanstieg, der schon im zweiten Halbjahr 2021 einsetzte und sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vervielfachte, bescherte vor allem den Verkäufern von Wind- und Solarstrom hohe Zufallsgewinne, da sie keinerlei Brennstoffkosten haben. Entsprechend geringer wurde die Beanspruchung des EEG-Kontos durch die Zahlung von Marktprämien an Direktvermarkter. Zugleich stiegen die Erlöse aus der Vermarktung der festvergüteten EEG-Strommengen durch die Übertragungsnetzbetreiber. Besonders komfortabel ist die gegenwärtige Situation für die Betreiber von großen EE-Anlagen, deren Förderung seit 2017 nur noch durch Ausschreibungen erfolgt: Da hier die individuellen Förderprämien unabhängig von den jeweiligen Verkaufserlösen gewährt werden, bekommen sie die diese ungeschmälert als "Sahnehäubchen" obendrauf.

Bisher brauchte die neue Regierung "keinen einzigen Cent" für die EEG-Förderung auszugeben...

Die Absenkung der EEG-Umlage auf null bis Jahresende (220410) sowie ihre völlige Abschaffung ab 2023 (220703) kostete somit den Staat bisher "keinen einzigen Cent", wie der CDU-Abgeordnete Mark Helfrich schon im April in der Bundestagsdebatte über die vorgezogene Absenkung feststellte. Damals lag der letzte Stand des EEG-Kontos noch bei 14,6 Milliarden Euro. Diese Milliarden seien "den Verbrauchern über ihre Stromrechnung abgeknöpft worden", polemisierte Helfrich. Wenn die neue Regierung sie schon nicht zurückzahlen wolle, so möge sie doch wenigstens die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz sowie die Umsatzsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme vorübergehend auf sieben Prozent senken (220410).

...während die Vorgängerregierung die EEG-Umlage mit elf Milliarden subventioneren musste

Der CDU-Abgeordnete vergaß allerdings, dass der aktuelle Kontostand nur 3,8 Milliarden Euro betragen hätte, wenn nicht schon die schwarz-rote Vorgängerregierung im Juni 2020 auf die Idee gekommen wäre, den Steuerzahlern elf Milliarden Euro abzuknöpfen, um damit die EEG-Umlage des kommenden Jahres zu deckeln (200602). Das Konto wies nämlich schon in diesem Monat ein Defizit von 1,6 Milliarden Euro auf. Es war absehbar, dass sich diese ungünstige Entwicklung fortsetzen und im kommenden Jahr, in dem Bundestagswahlen anstanden, eine weitere massive Erhöhung der EEG-Umlage erforderlich machen würde. Das war der Hintergrund, vor dem der Bundestag am 2. Juli die geplante Subventionierung der EEG-Umlage mit bis zu elf Milliarden Euro billigte (200706). So konnten die Übertragungsnetzbetreiber ein Vierteljahr später die Höhe der neuen EEG-Umlage für das Jahr 2021, die eigentlich 9,65 Cent pro Kilowattstunden betragen hätte, mit nur 6,50 Cent ansetzen, was sogar ein Viertelcent weniger war als bisher (201001).

Auch Corona infizierte das EEG-Konto über die Börse

Als Hauptgrund für den damaligen Absturz des EEG-Kontos in die roten Zahlen nannten die Übertragungsnetzbetreiber die Corona-Pandemie, die sowohl einen deutlichen Rückgang des Stromverbrauchs als auch der Großhandelspreise am Spotmarkt bewirkte. Insgesamt war der Stromverbrauch im ersten Halbjahr 2020 um 4,52 Prozent niedriger als im Vorjahr (200714). Trotzdem ließ es sich nicht einfach mit der "höheren Gewalt" einer unerwartet aufgetretenen Pandemie erklären, wenn die EEG-Umlage nun ebenfalls vom Corona-Virus ergriffen wurde. Vielmehr handelte es sich um die Spätfolge einer Deformierung, mit der das Erneuerbare-Energien-Gesetz vor gut zehn Jahren in das Prokrustesbett des neoliberalisierten Strommarktes gezwängt wurde. Konkret: Ein entscheidender Faktor war die Koppelung der EEG-Förderkosten mit den jeweiligen Großhandelspreisen am Spotmarkt, die ab 2010 mit der "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus (AusglMechV)" verfügt wurde (091201), worauf die damals noch sehr bescheidene EEG-Umlage sogleich um 70 Prozent anstieg (100407). Erst dadurch entstand jener Übertragungsweg, auf dem es dem Covid19-Virus gelingen konnte, auch die EEG-Umlage so zu infizieren, dass sie nun in jämmerlichem Zustand auf der Intensivstation lag und mit Milliarden-Zuschüssen künstlich beatmet werden musste (siehe Hintergrund, Oktober 2020).

 


Im letzten Quartal 2020 steckte das EEG-Konto mit mehr als vier Milliarden Euro in den roten Zahlen. Erst durch einen Zuschuss von 5,1 Milliarden Euro gelangte es im Januar 2021 wieder in den positiven Bereich. Der sonst regelmäßig bis zum Frühjahr andauernde Anstieg des EEG-Saldos fiel aber nur flau aus. Im Mai kam es daraufhin zu einer weiteren Finanzspritze von 3 Milliarden. Bis Oktober folgte der Rest von insgesamt elf Milliarden Euro, die bei der Heruntersubventionierung der EEG-Umlage 2021 auf 6,5 Cent/kWh zugrunde gelegt worden waren. – Wie sich das EEG-Konto ohne diese Zuschüsse entwickelt hätte, zeigt die andere Version dieser Grafik.

 

Drei Bundeszuschüsse brachten das tiefrote EEG-Konto bis auf acht Milliarden ins Plus

Der beschlossene Rahmen von elf Milliarden Euro wurde von der alten Regierung fast vollständig ausgeschöpft, indem sie dem dahinsiechenden EEG-Konto bis zum Herbst 2021 insgesamt drei Finanzspritzen von insgesamt 10,8 Milliarden Euro verpasste, damit es aus den seit Juni 2020 andauernden roten Zahlen wieder herauskommen konnte. Im letzten Quartal 2020 hatte das Defizit durchweg mehr als vier Milliarden betragen. Durch einen ersten Zuschuss von 5,1 Milliarden kam im Januar ein bescheidenes Plus von 1,26 Milliarden zustande. Durch die beiden folgenden Zuschüsse vergrößerte sich dieses Plus bis Oktober 2021 auf knapp acht Milliarden. Das entsprach dem bisherigen Höchststand des Kontos im März 2019. Zugleich stellte die Regierung einen weiteren Bundeszuschuss von 3,25 Milliarden in Aussicht, damit die Übertragungsnetzbetreiber auch die EEG-Umlage für das Jahr 2022 von 4,657auf 3,723 Cent pro Kilowattstunde herunterrechnen konnten.

Noch niedriger war die EEG-Umlage seit 2012 nicht mehr, als sie 3,592 Cent betrug (211001). Als das EEG-Konto im Jahr 2010 zusammen mit dem neuen "Ausgleichsmechanismus" eingeführt wurde, waren es 2,047 Cent (181009). Allerdings bedeutete dies damals gegenüber der bisherigen Regelung – wie schon erwähnt – einen schlagartigen Anstieg der Strompreis-Belastung um 70 Prozent.

Ab Oktober 2021 stieg der Kontostand auch ohne Zuschüsse jeden Monat um knapp eine Milliarde

Die vierte Finanzspritze war nun aber wirklich zuviel der Vorsorge. Auch auf die dritte hätte man schon verzichten können, da der im zweiten Halbjahr 2021 einsetzende Gaspreisanstieg sich bereits auf dem EEG-Konto bemerkbar zu machen begann. Der im Oktober 2021 erreichte Stand von knapp acht Milliarden stieg deshalb nun jeden Monat mit schöner Regelmäßigkeit um durchschnittlich knapp eine Milliarde weiter an, bis er im August 2022 mehr als doppelt so hoch war und 17,44 Milliarden betrug – und das trotz der niedrigsten EEG-Umlage seit zehn Jahren.

Die fatale Koppelung von Gas- und Strompreisen muss reformiert werden

Freilich ist kein Verlass darauf, dass die gegenwärtige Situation andauert. Vielmehr ist zu wünschen, dass sie möglichst schnell wieder verschwindet. Da ein deutlicher Rückgang der Gaspreise in Kürze nicht zu erwarten ist, muss zumindest endlich die fatale Bindung des Börsenstrompreises an die Gaspreise beseitigt oder auf geeignete Weise entschärft werden. Letztendlich müssen die Windfall-Profits, die manchen Stromerzeugern goldgeränderte Bilanzen und nebenbei dem EEG-Konto eine derart wundersame Geldvermehrung bescheren, von den Verbrauchern ebenso bezahlt werden wie die EEG-Umlage, obwohl diese nun fürsorglicherweise vom Staat in den Bundeshaushalt übernommen wurde.

 

Links (intern)

zu den Folgen der Koppelung von Gas- und Strompreisen

Grafiken zur Entwicklung des EEG-Kontos und der EEG-Umlage