Mai 2022

220506

ENERGIE-CHRONIK


Putin verhängt Sanktionen gegen Gazprom Germania

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 3. Mai ein Dekret erlassen, mit dem er sich bevollmächtigt, die Ausfuhr von Rohstoffen oder anderen Waren an bestimmte Empfänger zu verbieten. Die Regierung bekam den Auftrag, binnen zehn Tagen eine entsprechende Sanktionsliste vorzulegen. Als die erste Fassung dieser Liste am 11. Mai veröffentlicht wurde, enthielt sie die Gazprom Germania mit 29 ihrer westeuropäischen Tochtergesellschaften sowie den Betreiber des polnischen Abschnitts der Jamal-Pipeline, der knapp zur Hälfte ebenfalls der Gazprom gehört.

Gastransporteur Gascade steht nicht auf der Liste

Vor allem richtet sich Putins Bannstrahl gegen die in Berlin ansässige Gazprom Germania, die am 4. April treuhänderisch der Bundesnetzagentur unterstellt wurde. Die Moskauer Strategie sah ursprünglich vor, dass sich die westeuropäische Gazprom-Dependance selber "freiwillig" liquidiert, was jedoch die Bundesregierung durch ihre Intervention verhinderte (220403). Möglicherweise diente dieser Plan schon damals dem Ziel, den über die Gazprom Germania laufenden Gaskontingenten die Grundlage zu entziehen, um bei der Neuverhandlung der Verträge höhere Preise durchzusetzen. Diese Ziel scheint Putin jedenfalls mit der nun vorgelegten Sanktionsliste zu verfolgen, auf der beispielsweise die Gazprom-Handelstochter Wingas steht. Den Fernleitungsbetreiber Gascade, dessen 3200 Kilometer langes Netz für weitere Gasimporte aus Russland benötigt wird, findet man dagegen nicht auf der Liste, obwohl er mehrheitlich der Gazprom Germania gehört.

"Es zeigt sich erneut: Russland setzt Energie als Waffe ein"

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vermutet ebenfalls, dass Putins Gegensanktionen dazu dienen sollen, Neuverhandlungen über die Gas-Kontingente durchzusetzen, die bisher über die Gazprom Germania laufen, um auf diese Weise höhere Preise zu erzielen. "Es zeigt sich erneut: Russland setzt Energie als Waffe ein", sagte Habeck am 11. Mai. Man habe sich jedoch auf diese und andere denkbare Situationen vorbereitet. Die aktuelle Lage sei beherrschbar, betonte der Minister. Sie könne sich allerdings verschärfen. Man beobachte sie deshalb "mit hoher Konzentration". Die betroffenen Mengen bei Gazprom Germania hätten eine Größenordnung von 10 Millionen Kubikmeter pro Tag. Das entspreche rund drei Prozent des gesamten Jahresverbrauchs von Deutschland. "Diese Mengen können am Markt anderweitig beschafft werden, und es ist Aufgabe der Stunde, diese Kontingente neu zu besorgen. Die Bundesregierung wird alles tun, um Gazprom Germania zu stabilisieren."

Gazprom wird Auffüllung der Astora-Speicher nicht verhindern können

Unter anderem wird Habeck dafür sorgen müssen, dass die Erdgasspeicher der Gazprom Germania ausreichend gefüllt werden, obwohl Putins Dekret der Gazprom die Belieferung der Speichergesellschaft Astora untersagt. Deutschlands größter Erdgasspeicher Rehden, der üblicherweise von der Gazprom befüllt wird, war deshalb im Mai mit zwei Prozent noch immer so gut wie leer, während sich der Füllstand sämtlicher Speicher der Grenze von fünfzig Prozent näherte. Gemäß dem Gasspeichergesetz, das am 30. April in Kraft getreten ist, müssen bis 1. Oktober 80 Prozent und bis 1. November 90 Prozent erreicht sein. Es sieht demnach so aus, als ob die Bundesregierung das neu beschlossene Gasspeichergesetz anwenden muss und ersatzweise eine Tochtergesellschaft aller Gaspipeline-Betreiber in Deutschland dazu verpflichtet, für den vorgeschriebenen Füllstand sorgen. Jedenfalls wird die Gazprom die vorgeschriebene Auffüllung der Astora-Speicher nicht verhindern können, wie das voriges Jahr noch der Fall war (210804).

In Polen will der Kreml die weitere Nutzung der Jamal-Pipeline erschweren

Die Firma Europol GAZ, die ebenfalls auf Putins Sanktionsliste steht, besitzt und betreibt das 683 Kilometer lange polnische Teilstück der Jamal-Pipeline. die von Sibirien über Belarus und Polen nach Deutschland führt. Sie ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Gazprom und des polnischen Energiekonzerns PGNiG, der mit 51,18 Prozent die Mehrheit hält. Schon seit Ende vorigen Jahres wurde die polnische Jamal kaum noch für Gaslieferungen aus Russland benutzt, sondern allenfalls noch in der Gegenrichtung, um Polen von Deutschland aus zu versorgen (220302). Ende April verhängte die Gazprom einen völligen Lieferstopp für Polen (220401), und Mitte Mai kündigte sie an, die Jamal auch für Lieferungen an westliche Länder nicht mehr zu verwenden. Für die Gazprom ist die Beteiligung dadurch wertlos geworden. Noch Anfang Februar hatte sie mit einer Klage bei der Handelskammer in Stockholm versucht, den kumulierten Gewinn aus früheren Jahren aufzulösen und die 1,74 Milliarden Zloty (ca 376 Millionen Euro) als Dividenden an die Aktionäre auszuschütten. Nach dem Überfall auf die Ukraine verzichtete sie aber darauf. Insofern verwundert es nicht, dass die nutzlos gewordene Gazprom-Beteiligung nun auf Putins Liste auftaucht. Er will in diesem Fall anscheinend zumindest erschweren, dass Polen über die Jamal von Westen her mit Gas aus russischer Förderung versorgt wird.

 

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