Januar 2022

220105

ENERGIE-CHRONIK


Verbraucherschützer wird Präsident der Bundesnetzagentur

Der bisherige Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Klaus Müller, wird im März von der neuen Bundesregierung zum Präsidenten der Bundesnetzagentur ernannt. "Ich freue mich, dem Beirat als neuen Präsidenten der Bundesnetzagentur den ehemaligen Landesminister von Schleswig-Holstein und langjährigen Verbraucherschützer, Klaus Müller, für eine Wahl vorzuschlagen", teilte am 20. Januar der niedersächsische Energie- und Klimaschutzminister und Vorsitzende des Beirates bei der Bundesnetzagentur, Olaf Lies, mit. Der bisherige Amtsinhaber Jochen Homann (69) geht in den Ruhestand.

Behörde unternahm bisher zu wenig gegen die Machenschaften dubioser Energieanbieter


Klaus Müller
Foto: vzbv

Es wird erwartet, dass Müller die Mißstände im Zuständigkeitsbereich der Behörde, der die regulierten Bereiche von Energiewirtschaft, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen umfasst, energischer angeht als sein Vorgänger. Gerade auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes lag da vieles im argen. Zum Beispiel hat die Bundesnetzagentur viel zu lange gezögert, gegen die Machenschaften dubioser Energieanbieter wie "Flexstrom" (130401) oder "Care Energy" (200710) wirksam vorzugehen. Im letzteren Fall gingen dabei auch rund hundert Millionen Euro an EEG-Umlage verloren, die der Energievertrieb jahrelang nicht abgeführt hatte (171005).

Letztendlich entscheidet Habeck über die Personalie

Nach § 3 des "Gesetzes über die Bundesnetzagentur" werden der Präsident und seine beiden Stellvertreter jeweils auf Vorschlag des Beirats von der Bundesregierung ernannt. Falls der Beirat keinen solchen Vorschlag macht oder auch ein zweiter Vorschlag von der Regierung abgelehnt wird, entscheidet diese allein. Es ist aber nicht daran zu zweifeln, das die Bundesregierung den Vorschlag akzeptieren wird, da die eigentlich treibende Kraft hinter der Berufung Müllers der neue Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist. Auf seine Zustimmung wird es letzten Endes auch ankommen. Der Beirat, der nach § 5 aus jeweils 16 Mitgliedern des Bundestags und Vertretern des Bundesrats besteht, verfügt über keinerlei Weisungsrechte. Als er beispielsweise im August vergangenen Jahres die Forderung der Netzbetreiber nach einer höheren Kapitalverzinsung unterstützte (210809) und die Behörde dieser Empfehlung auch nachkam (211004), tat sie das freiwillig bzw. auf Grundlage der politischen Übereinstimmung ihrer Führung mit der Mehrheit des Beirats.

Beirat gibt seine Empfehlung aus politischen Gründen erst im Februar ab

Am 24. Januar tagte der Beirat zum letzten Mal in seiner alten politischen Zusammensetzung, soweit sie zur Hälfte aus Bundestagsabgeordneten besteht. Aus diesem Grund wird er die Berufung Müllers zum neuen Präsidenten der Bundesnetzagentur erst auf seiner nächsten Sitzung im Februar empfehlen. "Die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Präsidenten und Beirat ist unabdingbar", hieß es dazu in der Mitteilung des Vorsitzenden Olaf Lies. Er werde diese Personalie deshalb dem Beirat in der kommenden Sitzung am 24. Januar nur vorstellen und vorschlagen, die Abstimmung darüber auf "einer noch zu terminierenden Sondersitzung im Februar" stattfinden zu lassen.

"Ich erlebe Klaus Müller als klugen und hervorragend vernetzten Kopf", lobte Lies den Kandidaten. "Er kennt das politische Parkett ausgezeichnet, weiß eine Behörde zu führen. Er ist der richtige Kandidat, um beide Ziele zu verwirklichen: Die Umsetzung von Klimaschutz und Energiewende ebenso wie die Digitalisierung. Beide Fragen sind für eine erfolgreiche Zukunft des Standorts Deutschland entscheidend." Aber auch für den Vorgänger Homann fand Lies anerkennende Worte: "Mein ausdrücklicher Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit gilt außerdem Jochen Homann, der zehn Jahre lang als Präsident die Bundesnetzagentur geleitet und wichtige Impulse für ihre Arbeit gesetzt hat."

Müller war bis 2006 ein führender Politiker der Grünen

Müller wurde 1971 in Wuppertal geboren. Nach der Ableistung des Zivildienstes begann er 1992 in Kiel ein Studium der Volkswirtschaft, das er 1997 als Diplom-Volkswirt abschloss. Politisch engagierte er sich seit Anfang der neunziger Jahre bei den Grünen in Schleswig-Holstein. Von 1998 bis 2000 war er Bundestagsabgeordneter, anschließend bis 2005 Umweltminister in Schleswig-Holstein und dann noch kurze Zeit Landtagsabgeordneter. Im Juli 2006 legte er alle politischen Ämter und Mandate nieder, um Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zu werden. Von dieser Position trat er im Mai 2014 die Nachfolge des vzbv-Vorstands Gerd Billen an, der als Staatssekretär ins Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz wechselte. In Müllers Amtszeit kam unter anderem die Ausdehnung des "Marktwächter"-Konzepts auf die Energiewirtschaft zustande, das zunächst nur die Bereiche Finanzmarkt und Digitale Welt umfasst hatte (170201).

Der bisherige Chef gelangte unter der schwarz-gelben Bundesregierung ins Amt

Der bisherige Präsident Jochen Homann gelangte 2012 als Favorit einer schwarz-gelben Regierung ins Amt (111219). Obwohl parteilos, war der ehemalige Redenschreiber der FDP-Minister Martin Bangemann und Helmut Hausmann mit FDP und Union gleichermaßen gut vernetzt. 2008 wurde er vom damaligen Wirtschaftsminister Glos (CSU) zum beamteten Staatssekretär ernannt. In der folgenden Bundesregierung machte ihn dann der Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zum Chef der Bundesnetzagentur.

Der erfolgreiche Vor-Vorgänger passte nicht mehr ins politische Raster

Zuvor wurde die Bundesbehörde seit 2001 von Matthias Kurth geleitet. Unter dessen Amtsführung wandelte sich die seit 1998 bestehende Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) ab 2004 zur "Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen" (041003, 050401). Die erfolgreiche Umstellung auf den erweiterten Aufgabenbereich war Kurths Verdienst. Er wäre auch noch zu einer Verlängerung seines Vertrags bereit gewesen, passte aber nicht ins politische Raster der schwarz-gelben Koalition, die 2009 an die Macht kam (111219).

 

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