März 2012

120310

ENERGIE-CHRONIK


Lobby legt Broschüre zu "Smart Grids" vor

Die Lobbyverbände von Stromwirtschaft und elektrotechnischer Industrie stellten am 27. März gemeinsam die Broschüre "Smart Grids in Deutschland" vor. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) wollen damit "Potenziale zum Aufbau intelligenter Energienetze identifizieren und Empfehlungen zur Umsetzung im Verteilnetzbereich vorlegen". Von den Mitgliedsfirmen, bei denen sich der BDEW umgehört hat, werden namentlich E.ON, RWE und Vattenfall sowie EWE und MVV Energie genannt. Auf seiten des ZVEI beteiligten sich neben den großen Netzausrüstern ABB und Siemens neun weitere Unternehmen, die in den Bereichen Energieverteilung und Energiemanagement sowie Heiz-, Solar- und Meßtechnik tätig sind.

Die jetzt vorgelegte Broschüre soll dem bisher recht nebulösen Gerede von "Smart Grids" zu mehr Konturen verhelfen. Die Bundesnetzagentur hat erst unlängst von einer "zum Teil verwirrenden und noch nicht strukturierten Debatte" gesprochen, in der technische und wirtschaftliche Aspekte des Netzbetriebs vermengt würden. Sie hat deshalb zusätzlich den Begriff "Smart Market" kreiert (120110). Die vorliegende Broschüre geht nach wie vor nur sehr allgemein auf das Instrumentarium zur "intelligenten" Ertüchtigung der Netze ein. Sie bestätigt aber immerhin, daß es im wesentlichen um die Verteilnetze geht, deren Leistungsfähigkeit mit bereits am Markt vorhandenen Techniken erhöht werden soll.

Lastmanagement soll auch bei Mittel- und Niederspannung möglich werden

Anspruchsvolle Kommunikations- und Regeltechniken sind bisher dem Übertragungsnetz (240kV/380 kV) vorbehalten, das auf der höchsten Spannungsebene für den Ausgleich der Schwankungen zwischen Stromverbrauch und -erzeugung sorgt. Die Verteilnetze sind dagegen traditionell auf die Weiterleitung des Stroms an die Endverbraucher zugeschnitten. Es gab zwar auch hier schon immer Einspeisungen – vor allem die mehr oder weniger bescheidene Eigenerzeugung von Stadtwerken – , aber diese waren gut kalkulierbar. Anders verhält es sich, seitdem zahlreiche Solar- und Windkraftanlagen dezentral ins Niederspannungs- bzw. Mittelspannungsnetz einspeisen. Anfangs waren sie eine vernachlässigbare Größe. Inzwischen sind sie aber zu einem gewichtigen Netzfaktor geworden. Ihre schwankende Erzeugung verträgt sich schlecht mit der herkömmlichen Technik der Verteilernetze. Deshalb wird nun ein "intelligentes" Lastmanagement angestrebt, das diese "volatilen" Einspeisungen mit anderen dezentralen Stromquellen oder Lastsenken so verknüpft und den Stromfluß so regelt, daß ein Ausgleich bereits auf der Verteilerebene stattfindet. Zugleich soll damit der Neubau von neuen Leitungen vermieden oder vermindert werden.

Die wichtigsten technischen Komponenten sind größtenteils schon am Markt verfügbar

Insgesamt haben die beiden Verbände 25 technische Komponenten aus den Bereichen Netz, Gebäude, Erzeugung, Speicherung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie benannt, um auf der Mittel- und Niederspannungsebene mit der zunehmenden Einspeisung von Solar-, Windkraft- oder KWK-Anlagen besser fertig werden. 15 Komponenten werden dabei als vielversprechend eingestuft und schlagwortartig so umschrieben:

•Blockheizkraftwerke
•Kommunikations- und Daten-Infrastruktur
• Regelbare Windkraft
• Regelbare Photovoltaik
• Sensorik im Netz
• Netzleittechnik
• Komponenten zur Blindleistungskompensation
• Pumpspeicherkraftwerke
• Regelbare Ortsnetz- /Trafostationen
• Biomasse-Anlagen
• Regelbare Mini- / Mikro-KWK
• Regelbare Photovoltaik (klein)
• Spannungsqualitäts-Komponenten
• Wärmepumpen-Anlagen
• Zeitlich verschiebbare Prozesse

Acht der genannten Komponenten seien bereits auf dem Markt verfügbar und könnten erfolgversprechend eingesetzt werden: So ließen sich mit regelbaren Ortsnetztransformatoren rund 90 Prozent aller Spannungsabweichungen ausgleichen. Wenn Solaranlagen und andere Gleichstromquellen über steuerbare, blindleistungsfähige Wechselrichter einspeisen, komme das ebenfalls der Spannungshaltung zugute. Mit vorübergehend abschaltbaren Wärmepumpen und stromgeführten Mini-Blockheizkraftwerken könne ein lokales oder sogar regionales Lastmanagement aufgebaut werden.

Die zehn restlichen der 25 Komponenten stünden voraussichtlich nicht kurzfristig zur Verfügung. Hier seien noch weitere Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung nötig. Schlagwortartig werden hier unter anderem Methanisierung, Umwandlung zu Wasserstoff, Batteriesysteme oder der Strombedarf durch Elektroautos genannt.

Die Broschüre widerspiegelt vor allem die Vielfalt der Brancheninteressen, die mit dem Ausbau der Verteilnetze verknüpft sind. Bei der Stromwirtschaft werden diese zugleich von Marketing-Aspekten geprägt. Die Broschüre vermengt auch weiterhin technische und marktmäßige Aspekte des Netzbetriebs, indem sie den Begriff "Smart Meter" unterschiedslos für jede Art von Meßtechnik mit Fernauslesung verwendet. So wird der Eindruck erweckt, als ob die von Stromvertrieben gewünschte Ausrüstung der Haushalte mit "Smart Metern" auch für die angestrebte "Sensorik im Netz" erforderlich sei. Grundsätzlich ist aber der Stromverbrauch eines einzelnen Haushalts für den Netzbetrieb belanglos. Netztechnisch relevant werden Haushalte erst, wenn sie mit Wärmepumpen, Speicherheizungen, Klimaanlagen oder anderen unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen ausgestattet sind. Im Rahmen spezieller Vertriebskonzepte bzw. Tarife könnten solche unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen zu größeren Leistungsblöcken gebündelt und per Fernsteuerung für das Lastmanagement verwendet werden.

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