September 2023

230905

ENERGIE-CHRONIK


Länderchefs unterstützen Forderung nach "Brückenstrompreis"

Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer veröffentlichten am 7. September in Brüssel eine gemeinsame Erklärung, die unter anderem die Forderung nach einem "Brückenstrompreis" für energieintensive Unternehmen unterstützt. Außerdem appellierten die sieben Bundesländer Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt gemeinsam an die Bundesregierung, die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß zu senken. Da die industriellen Großverbraucher schon weitgehend von der Stromsteuer befreit sind, käme eine solche Absenkung hauptsächlich kleineren Betrieben und Haushalten zugute: Die vor zwanzig Jahren erlassene EU-Richtlinie zur Mindestbesteuerung von Energie schreibt bei gewerblicher Nutzung einen Mindeststeuersatz von 0,1 Cent/kWh vor. Bei nichtgewerblicher Nutzung sind es 0,5 Cent /kWh (031102). Bisher beträgt der Normalsatz der Stromsteuer in Deutschland seit 2003 unverändert 2,05 Cent/kWh.

Zwölf der Ministerpräsidenten waren zu dem Treffen persönlich nach Brüssel gereist, die anderen vier durch Staatssekretäre vertreten. "Wir machen uns große Sorgen", erklärte vor Pressevertretern der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der zusammen mit dem nordrhein-westfälischen Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) als Stellvertreter derzeit den Vorsitz der Konferenz innehat. Bei einem Gespräch mit der Kommissionspräsidentin von der Leyen, das am Vortag stattfand, hätten die Länderchefs eindringlich dargelegt, dass energieintensiven Branchen wie der Stahl- und Chemieindustrie ein erheblicher "Flurschaden" durch die hohen Energiepreise drohe.

Hauptadressat der "Brüsseler Erklärung" ist die EU-Kommission

Es war kein Zufall, dass die viermal jährlich stattfindende Zusammenkunft der Ministerpräsidenten zum ersten Mal seit 2018 wieder in Brüssel stattfand. Die Länderchefs verdeutlichten damit, dass die EU-Kommission der Hauptadressat der sieben Seiten umfassenden "Brüsseler Erklärung der Länder" war, auf die sie sich zuvor geeinigt hatten (und über die vorab am 3. September das "Handelsblatt" berichtete). Ganz besonders gilt das für die Forderung nach dem "Brückenstrompreis", die als deutsche Reaktion auf die Subventionierung der französischen Industriestrompreise zu sehen ist. Dabei geht es nicht um die seit jeher bestehenden Preisunterschiede, sondern um deren befürchtete Ausweitung, weil Frankreich anscheinend die von der EU-Kommission geplanten Änderungen am Strommarktdesign nutzen will, um durch möglichst niedrig angesetzte Strompreise für Strom aus Kernenergie die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft zu erhöhen.

Reformvorschlag würde Frankreich einseitig begünstigen

Am 14. März hat die Kommission eine Reform vorgeschlagen, die unter anderem die Einführung von zweiseitigen Differenzverträgen für Strom aus "nichtfossilen Energiequellen" vorsieht, also für Strom aus Erneuerbaren oder Kernenergie. Dabei würden der Staat und die Stromerzeuger eine Art Garantiepreis vereinbaren. Wenn der Marktpreis dann höher ist, erhält die Differenz der Staat. Wenn er darunter liegt, muss er den Fehlbetrag an den Stromerzeuger zahlen. Da die Electricité de France (EDF) ihren Strom zu zwei Dritteln mittels Kernkraftwerken erzeugt und zu hundert Prozent dem Staat gehört, bekäme die französische Regierung durch den Abschluss solcher "Contracts for Differencies" (CFD) mit der EDF ein einzigartiges Instrument, um durch möglichst niedrig angesetzte Garantiestrompreise die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft gegenüber der von anderen EU-Staaten zu erhöhen.

Aus deutscher Sicht ist das schon deshalb kein akzeptabler Vorschlag, weil hierzulande auf den weiteren Ausbau und die fortschreitende Verbilligung der erneuerbaren Stromquellen gesetzt wird. Zur verpflichtenden Einführung solcher Differenzverträge wird es deshalb nicht kommen, zumal auch das EU-Parlament dies bereits abgelehnt hat. Aber gerade als bloße Wahlmöglichkeit für Frankreich wird der Vorschlag der EU-Kommission weiterhin als unzumutbar empfunden - zumindest solange, wie er nicht auf neue Kernkraftwerke beschränkt wird, mit deren Errichtung sich die EDF bekanntlich so schwer tut, dass bisher noch kein einziger neuer Reaktor ans Netz ging.

Auch die Länder halten Änderungen am Strommarktdesign grundsätzlich für notwendig

Die Brüsseler Erklärung spricht diesen Konflikt freilich nicht direkt an. Die Ministerpräsidenten verweisen stattdessen auf die stark gestiegenen Energiekosten infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Um eine Erholung der Konjunktur und die Rückkehr der Industrieproduktion auf Vorkrisenniveau zu ermöglichen, müsse es "den Mitgliedstaaten für einen Übergangszeitraum möglich sein, einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu etablieren, bis bezahlbare erneuerbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen". Im übrigen unterstützen sie grundsätzlich die Bemühungen um eine Reform des europäischen Strommarkts. Mit Blick auf die horrenden Strom-Großhandelspreise im vorigen Jahr bitten sie die Kommission, "geeignete Anpassungen an dem europäischen Strommarktdesign vorzunehmen, damit zukünftig nicht marktgerechte Energiepreisentwicklungen bei der Strompreisbildung unberücksichtigt bleiben".

 

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