April 2023

230407

ENERGIE-CHRONIK


Bund kann Rosneft-Beteiligungen auf sich oder andere übertragen

Mit 381 gegen 272 Stimmen beschloss der Bundestag am 20. April ein "Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen". Es schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Bundesregierung die 54-prozentige Mehrheitsbeteiligung des russischen Staatskonzerns Rosneft an der PCK-Raffinerie in Schwedt anderen Eigentümern übertragen kann, ohne ein förmliches Enteignungsverfahren durchzuführen. Rosatom besitzt die Mehrheitsbeteiligung bisher über zwei deutsche Töchter, die am 16. September 2022 der Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur unterstellt wurden (220907). Den Rest halten Shell (34 Prozent) und die italienische ENI mit gut acht Prozent.

Nach der bisherigen Rechtslage war bei Unternehmen, die nach dem Energiesicherheitsgesetz unter Treuhandverwaltung gestellt wurden, die Übertragung von Vermögensgegenständen nur dann zulässig, wenn dies zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist Der neu eingefügte § 17b ermöglicht dies nun auch dann, wenn es "zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie sowie zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit" erforderlich ist. Die Entscheidung darüber trifft der Bundeswirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister.

Union sieht Eigentumsrechte verletzt - AfD pöbelt gegen die "grün-kommunistische Bundesregierung"

Gegen das Gesetz stimmten Abgeordnete der CDU/CSU, AfD und Linken. Für die Union beanstandete der Abgeordnete Fabian Gramling, dass es einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte bedeute. Ein so schwerwiegender staatlicher Eingriff brauche klare und eng definierte Voraussetzungen, die im vorliegenden Gesetzentwurf nicht enthalten seien. Der für seine Pöbeleien berüchtigte AfD-Abgeordnete Karsten Hilse unterstellte der "grün-kommunistischen Bundesregierung", sie wolle sich mit diesem Gesetz zur Enteignung von Firmen und Privatpersonen ermächtigen, "wenn sie sie, aus welchem Grund auch immer, zum Feind oder Gegner erklärt hat". Die "Freiheitsverräter" von der FDP würden "jubelnd den Weg in den realexistierenden Sozialismus mittragen". Der FDP-Abgeordnete Michael Kruse bemerkte dazu, es sei schon erstaunlich, wie die AfD ihr Herz für das Privateigentum immer dann entdecke, wenn es ihr darum gehe, den russischen Staat zu verteidigen, der einen Angriffskrieg gegen ein europäisches Land führt.

Volle Auslastung der PCK-Raffinerie würde Belieferung über Danzig voraussetzen

Die PCK-Raffinerie in Schwedt versorgte früher den Großraum Berlin/Brandenburg zu 95 Prozent mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin und war an der gesamten deutschen Kraftstoffproduktion zu etwa zehn Prozent beteiligt. Seit dem Inkrafttreten des Öl-Embargos gegen den nördlichen Abzweig der Druschba-Ölpipeline, zu dem sich Deutschland und Polen freiwillig verpflichtet haben, ist ihre Auslastung durch den Wegfall der russischen Öllieferungen stark zurückgegangen, da es bisher nur möglich war, die Ersatzbeschaffung über eine vom Hafen Rostock nach Schwedt führende Pipeline mit beschränkter Kapazität durchzuführen. Die Beseitigung dieses Engpasses würde voraussetzen, dass eine zusätzliche Belieferung über den Hafen Danzig und die von dort nach Schwedt führende Pipeline-Verbindug erfolgt. Die polnische Regierung hat ihre Zustimmung aber davon abhängig gemacht, dass Rosneft nicht mehr Eigentümer der Raffinerie bleibt. Die jetzt vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung ist vor allem vor diesem Hintergrund zu sehen.

 

Links (intern)

zum Öl-Embargo und zur Raffinerie Schwedt

zum Energiesicherungsgesetz