Mai 2022

220502

ENERGIE-CHRONIK


Erstes deutsches LNG-Terminal soll bis Jahresende betriebsbereit sein

In Wilhelmshaven wurde am 5. Mai mit dem Bau des ersten deutschen Terminals für Flüssigggas (LNG) begonnen, der bis Jahresende betriebsbereit sein soll. Parallel dazu beschloss der Bundestag am 19. Mai ein Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz), das die Errichtung von bis zu sechs solcher Anlagen vorsieht. Als weitere mögliche Standorte werden in dem Gesetz Brunsbüttel, Stade, Hamburg, Rostock und Lubmin genannt. Wegen des überragenden öffentlichen Interesses an einer möglichst schnellen Verwirklichung dieser privilegierten Projekte werden das Genehmigungsverfahren und die juristischen Einspruchsmöglichkeiten auf ein Minimum verkürzt. Vor allem entfällt die Umweltverträglicheitsprüfung. Einzige Klageinstanz bleibt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

An allen Standorten sind nur schwimmende Anlagen geplant

Bei den geplanten LNG-Terminals handelt es sich ausschließlich um schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheiten, die kurzfristig angemietet und in Betrieb genommen werden können, sofern die notwendigen Anschlussleitungen zur Einspeisung ins Gasnetz hergestellt sind. Die Schiffe können dann das von LNG-Tankern angelieferte Flüssigggas übernehmen, es an Bord in den gasförmigen Aggregatzustand zurückverwandeln und anschließend direkt ins Gasnetz einspeisen. Die Errichtung fester Anlandeterminals würde dagegen zu viel Zeit beanspruchen, um die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen "möglichst rasch" zu beenden, wie das die EU nach dem russischen Überfall auf die Ukraine für erforderlich hält (220303). Außerdem würden sich konventionelle LNG-Terminals nur langfristig rentieren und damit den grundsätzlich angestrebten Ausstieg aus dem fossilen Energieträger Gas behindern.

RWE und Uniper werden im Auftrag der Bundesregierung jeweils zwei FSRU-Schiffe betreiben


Mit dem FSRU-Schiff "Independance" hat sich Litauen schon 2015 von russischen Erpressungsversuchen unabhängig gemacht (150105).

Wie RWE und Uniper anlässlich des Baubeginns in Wilhelmshaven mitteilten, werden sie als Dienstleister jeweils zwei solcher "Floating Storage and Regasification Units" (FSRU) betreiben, die der Bundesregierung von den Anbietern Höegh und Dynagas mietweise zur Verfügung gestellt werden. Im Bundeshaushalt sind dafür knapp drei Milliarden Euro eingeplant. Eines der Höegh-Schiffe steht bereits zur Verfügung und wird zum Jahreswechsel 2022/23 in Wilhelmshaven eingesetzt. Die Stationierung des zweiten Schiffs von Höegh ist für Anfang 2023 in Brunsbüttel vorgesehen. Für die Schiffe von Dynagas steht eine Standortentscheidung noch aus. Diese soll aber schnellstmöglich getroffen werden. Als mögliche Standorte werden Stade, Rostock, Hamburg oder Eemshaven in den Niederlanden genannt.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums kann jedes FSRU jährlich rund fünf Milliarden Kubikmeter Gas einspeisen. Damit lasse sich gut ein Fünftel des deutschen Gasverbrauchs von rund 95 Milliarden Kubikmeter abdecken. Die Genehmigungen für den Umschlag von flüssigem Erdgas erlöschen laut Gesetz spätestens zum Jahresende 2043. Dies soll gewährleisten, dass die landseitigen Anlagen von vornherein für den Weiterbetrieb mit klimaneutralen Wasserstoff konzipiert werden.

Errichtung von LNG-Terminals scheiterte bisher an mangelnder Rentabilität

In Deutschland gibt es bisher keine LNG-Terminals, da der leitungsgebundene Erdgastransport wesentlich billiger ist und Pipeline-Kapazitäten mehr als ausreichend zur Verfügung standen. Vor allem sah man in der ständig zunehmenden Abhängigkeit von russischen Gasimporten keinen Grund zur Besorgnis. Dagegen schätzten osteuropäische Länder dieses Risiko viel realistischer ein. So hat Litauen schon vor sieben Jahren mit der Errichtung eines LNG-Terminals für seine weitgehende Unabhängigkeit gegenüber russischen Erpressungsversuchen gesorgt (150105) Auch Polen verfügt seit 2015 über ein LNG-Terminal und andere Ausweichmöglichkeiten, weshalb ihm der am 27. April von der Gazprom verfügte Lieferstopp nicht viel anhaben kann (220401).

E.ON und RWE verfolgten ihre anfänglichen Pläne nicht weiter

Erste Überlegungen, die deutsche Gasversorgung mit LNG auf eine stabilere Basis zu stellen, gab es bereits vor 17 Jahren. Sie wurden aber als unwirtschaftlich betrachtet und nicht weiter verfolgt. So plante E.ON schon 2005 den Bau eine LNG-Anlandeterminals in Wilhelmshaven, um die rückläufige europäische Erdgasförderung sowie den gleichzeitig weiter steigendem Bedarf auf diesem Wege kompensieren zu können (051017). Ein Jahr später schloss RWE mit dem US-Unternehmen Excelerate Energy ein Abkommen zur Vermarktung der gesamten Flüssiggases, das dieses Unternehmen nach Großbritannien lieferte. Bei diesem Projekt wurde das Flüssiggas erstmals nicht mehr an Land regasifiziert, sondern mit FSRU-Tankern verschifft, die es am neu eröffneten LNG-Terminal Teesside Gas Point (TGP) direkt ins britische Erdgasnetz einspeisten (061115). Weitere solcher FSRU- Projekte in Großbritannien, Deutschland und anderen Ländern sollten geprüft werden. Aber auch daraus wurde nichts.

Trump nötigte der EU die Zusage ab, mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren

Neuen Auftrieb bekam die Diskussion um LNG-Anlagen erst, als der neue US-Präsident Donald Trump massiven Druck auf die EU ausübte, damit sie mehr Flüssig-Erdgas aus den USA importiert (180803). Ganz besonders wütete Trump gegen den Bau der Ostsee-Pipeline "Nord Stream 2", mit der sich Deutschland von Russland abhängig mache (180704). Dieses Argument war durchaus stichhaltig. Es konnte indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Trump eigentlich nur um die Absatzchancen für US-Flüssiggas in Europa ging, das wegen des Schiffstransports wesentlich teuerer und deshalb nicht konkurrenzfähig war. Die EU-Kommission beugte sich diesen Pressionen aus Washington im Sommer 2018 nur widerstrebend, indem sie grundsätzlich zusagte, mehr Flüssigggas aus den USA zu importieren. Bis 2021 sollten dafür insgesamt 14 LNG-Projekte mit einer Kapazität von 165 Milliarden Kubikmeter zur Verfügung stehen. Auf dieser Liste mit LNG-Terminals in Betrieb (5), im Bau (3) und in Planung (6) standen freilich nur Anlagen in Italien, Litauen, Frankreich, Polen, Malta, Griechenland, Spanien, Koratien, Zypern, Schweden und Irland, aber keine einzige in Deutschland (180803).

Scholz wollte eine Milliarde für LNG lockermachen, wenn Nord Stream 2 toleriert wird

Immerhin gab auch die damalige Bundesregierung dem Drängen der USA wenigstens auf dem Papier nach, indem sie im März 2019 eine Verordnung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Aufbau einer LNG-Infrastruktur in Deutschland beschloss (190305). Als zusätzlichen Beschwichtigungsbonbon bot der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz im August 2020 seinem US-Amtskollegen Steven Mnuchin an, den Ausbau der Häfen Brunsbüttel und Wilhelmshaven für Importe von US-Flüssigggas mit bis zu einer Milliarde Euro zu unterstützen, wenn die US-Regierung auf ihren Widerstand gegen Nord Stream 2 verzichte (200908).

 

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