September 2021

210906

ENERGIE-CHRONIK


 


Die Preise für kurzfristige Gaslieferungen haben sich binnen eines halben Jahrs verdoppelt. Anfang April kostete die an der Börse übliche Erdgas-Maßeinheit "Million British Thermal Unit" (mmBTU) erst 2,24 Euro. Mitte September waren es 4,62 Euro. Pro Megawattstunde war das ein Preissprung von 7,64 auf 15,75 Euro.
Quelle: finanzen.net

Gasanbieter gibt wegen Preisanstiegs am Spotmarkt auf

Die Preise für Erdgasimporte sind stark gestiegen. Nach Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) kostete ein Terajoule bereits im Juli dieses Jahres 5.912,89 Euro, was 2,13 Cent pro Kilowattstunde entspricht und gegenüber dem Vorjahresmonat einen Anstieg um 146,2 Prozent bedeutet. Mengenmäßig waren die Erdgasimporte im ersten Halbjahr mit 3.065.578 Terajoule um 0,9 Prozent geringer als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Die Verteuerung wirkte sich auf allen Ebenen der Erdgasbeschaffung aus. Besonders stark betroffen sind aber kurzfristige Lieferungen. Ein besonders stark vom Spotmarkt abhängiger Vertrieb, die Deutsche Energiepool GmbH mit Sitz in Salzbergen (Niedersachsen) hat deshalb im September die bundesweite Belieferung ihrer Erdgaskunden eingestellt. Ersatzweise wird diese Klientel nun vom E.ON-Konzern als zuständigem Grund- und Ersatzversorger beliefert.

"Unsere Beschaffungspreise haben sich verdreifacht"

"In den letzten Monaten haben sich die Beschaffungspreise für Erdgas und für Strom am Terminmarkt rund verdreifacht", begründete das Unternehmen seine Entscheidung. Die Preise für kurzfristige Beschaffung hätten sich sogar rund verfünffacht. Mit einer solch "rasanten und nie dagewesenen Entwicklung" habe kaum jemand im Energiemarkt gerechnet. Ein Ende sei vorerst nicht absehbar, da die europäischen Erdgasspeicher vielerorts beinahe leer seien.

"Da wir trotz beschaffter Terminmarktmengen tägliche Spotmengen hinzukaufen müssen, um unsere Bilanzkreise auszugleichen, haben sich unsere eigenen Beschaffungspreise rund verdreifacht", beschrieb das Unternehmen die Zwangslage, in die es durch die Abhängigkeit von kurzfristigen Lieferungen geraten ist. "Darüber hinaus sind wir auch auf der Beschaffungsseite von Einschränkungen bedroht. Das ist ein Zustand, den wir aus kaufmännischer Sicht aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit nicht mehr erhalten können. Wir sahen uns daher gezwungen, viele der geschlossenen Verträge zu kündigen. Darüber hinaus haben wir beschlossen, die bundesweite Belieferung von Erdgas vollständig einzustellen."

Gazprom lehnte Erhöhung der Transitmengen durch die Ukraine ab

Über die Ursachen dieser Mischung aus Verteuerung und Verknappung von Erdgas lässt sich vorläufig nur spekulieren. Vermutlich gibt es mehrere Gründe. Es taucht indessen die Frage auf, weshalb die russische Gazprom als wichtigster und leistungsfähigster Erdgaslieferant die Situation nicht nutzt, um ihre Exporte nach Westeuropa zu erhöhen. Technisch wäre das ohne weiteres möglich. Die Gazprom hat es jedoch ausdrücklich abgelehnt, die auf 40 Milliarden Kubikmeter reduzierte Transitmenge durch die Ukraine ab Oktober zu erweitern. Stattdessen schloss sie mit Ungarn langjährige Verträge, um dieses Land ab 1. Oktober über einen weiträumigen Umweg durchs Schwarze Meer und den Balkan mit Gas zu beliefern, anstatt wie bisher den kürzesten Weg durch die Ukraine zu benutzen (210911). Außerdem unterließ sie es, ihre im Winter geleerten deutschen Gasspeicher in der zweiten Jahreshälfte wie üblich aufzufüllen (210804). Auch Ende September war der große Gazprom-Speicher Rehden erst zu 6 Prozent gefüllt, während der durchschnittliche Füllstand bei 66 Prozent lag.

Das nährt weiter die Vermutung, dass der Kreml die Verteuerung und Verknappung von Erdgas als politisches Druckmittel einsetzen will, um Zugeständnisse bei der noch ausstehenden Betriebsgenehmigung für die neue Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu erreichen. Schon die beiden Ostsee-Pipelines würde ausreichen, um die durch Polen und die Ukraine führenden Transitleitungen ganz zu ersetzen. Deutschland gerate so "in eine Situation mit Erpressungspotenzial", warnte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer.

 

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