Juli 2021

210705

ENERGIE-CHRONIK


 


Zu Beginn der sechsten Verhandlungsrunde über eine Reform der "Energie-Charta" forderten Umwelt-Aktivisten am 6. Juli in Brüssel die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten auf, den Vertrag bis zum UN-Klimagipfel COP26 im November zu kündigen. Die andernfalls drohenden Folgen symbolisierten sie mit einem Damoklesschwert, das über den Papp-Köpfen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, des niederländischen Premierministers Mark Rutte, des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel schwebte.

Reformierung der "Energie-Charta" so gut wie aussichtslos

Die fünfte und sechste Verhandlungsrunde über eine Reform der "Energie-Charta", die im Juni und Juli stattfanden, verliefen ähnlich ergebnislos wie die fünf Runden zuvor. Dies ergibt sich aus einer Pressemitteilung der Organisation PowerShift e.V., die für eine "ökologisch und sozial gerechtere Weltwirtschaft" eintritt. Die deutsche Nichtregierungsorganisation stützt ihre Einschätzung auf zwei diplomatische E-Mail-Berichte zu einer Sitzung der Arbeitsgruppe Energie des EU-Rates am 6. Juni, die aus zwei verschiedenen EU-Ländern durchgesickert sind und vom Climate Action Network Europe ins Englische übersetzt wurden (siehe PDF). Auch andere vertrauliche Informationen würden zeigen, dass die Gespräche scheitern und die Vorschläge der EU abgelehnt werden.

Die Europäische Union will den vor rund 25 Jahren abgeschlossenen Investitionsschutzvertrag zumindest so modernisieren, dass er nicht mehr innerhalb der EU von hier ansässigen Konzernen zu Schiedsgerichts-Klagen gegen einen der Mitgliedsstaaten missbraucht werden kann und dadurch das europäische Recht unterminiert (190107). Außerdem geht es um die Beseitigung der hohen Entschädigungsansprüche, die bisher Öl- und Gaskonzerne oder die Betreiber von Kohlekraftwerken geltend machen können, falls ihre langfristigen Gewinnerwartungen durch wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz geschmälert werden (siehe Hintergrund, Mai 2021).

"Bundesregierung ist die größte Bremserin für einen Austritt"

"Es war von Anfang an klar, dass sich dieser Klimakiller-Pakt nicht reformieren lässt", meinte der PowerShift-Handelsexperte Fabian Flues. "Die Dokumente zeigen nun eindeutig, dass die Verhandlungen um den Energiecharta-Vertrag in einer Sackgasse sind. Der einzige Ausweg ist der sofortige Austritt der EU-Mitgliedsstaaten. Doch während Länder wie Frankreich und Spanien vorangehen, ist die Bundesregierung die größte Bremserin für einen Austritt. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise muss Deutschland seine Blockadehaltung aufgeben."

Cornelia Maarfield, Handels- und Klimaprojektmanagerin beim Climate Action Network (CAN) Europe, kritisierte die Bundesregierung ebenfalls: "Deutschland hat schon viele Male teuer bezahlt für seine Mitgliedschaft im Energiecharta-Vertrag, ob beim Kohle- oder Atomausstieg. Gleichzeitig nutzen mit RWE und Uniper gleich zwei deutsche Unternehmen den Vertrag, um von den Niederlanden überzogene Schadenersatzforderungen für deren Kohleausstieg einzuklagen. Der Energiecharta-Vertrag ist ein Hindernis für die Energiewende und muss beendet werden!"

Modernisierungsbemühungen dauern inzwischen bald vier Jahre

Auf Drängen der EU, der die Hälfte der Unterzeichnerstaaten angehört, hatte sich die Energiecharta-Konferenz im November 2017 zu Gesprächen über eine Modernisierung des Abkommens bereiterklärt. Als vorbereitende Maßnahme wurde ein Ausschuss eingesetzt, der eine Themenliste mit rund zwei Dutzend Punkten zusammenstellte, die ein Jahr später von der Konferenz genehmigt wurden. Nochmals ein Jahr später, im November 2019, setzte die Konferenz eine "Modernisierungsgruppe" ein, die sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 zu insgesamt drei Verhandlungsrunden traf.

Dabei ergaben sich aber keinerlei Fortschritte. In einem Schreiben an die EU-Kommission schlug Frankreich deshalb vor, mit dem "koordinierten Austritt der EU und ihrer Mitgliedsstaaten" zu drohen, um die Front der Reformgegner ins Wanken zu bringen (210207). Indessen setzte die EU weiter auf die Fortsetzung der Verhandlungen. Die folgenden drei Gesprächsrunden im März, Juni und Juli 2021 blieben freilich ebenso ergebnislos. Da alle Änderungen der einstimmigen Zustimmung der Vertragsstaaten bedürfen, ist bei den beiden noch ausstehenden Verhandlungsrunden im Herbst dieses Jahres auch nichts anderes zu erwarten.

 

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