Februar 2019

190214

ENERGIE-CHRONIK


Netzfrequenz sank aus unbekannter Ursache bis zur Abschaltgrenze


Genau um 21 Uhr (auf dieser Grafik 20 Uhr UTC) sank am 10. Januar die kontinentaleuropäische Netzfrequenz bis zur Abschaltgrenze und hätte diese durchbrochen, wenn der französische Netzbetreiber RTE nicht sofort einen Lastabwurf von 1500 MW verfügt hätte.
Quelle: www.netzfrequenzmessung.de

Am 10. Januar um 21 Uhr sackte die Netzfrequenz des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes kurzzeitig bis auf 49,800 Hertz ab (siehe Grafik). Damit war die Primärregelung ausgeschöpft und jene Grenze erreicht, ab der automatische Abschaltungen stattfinden, um den Zusammenbruch des Netzes zu verhindern. Dazu kam es nur deshalb nicht, weil der französische Netzbetreiber RTE zwei Dutzend industrielle Großverbraucher, mit denen er eine entsprechende Vereinbarung für Notfälle hat, zum sofortigen Lastabwurf aufforderte. Die Großverbraucher hatten dadurch 20 bis 45 Minuten keinen Strom. Infolge der Lastabsenkung um insgesamt mehr als 1500 Megawatt - das entspricht der Nettoleistung der weltweit größten Kernkraftwerke – wurde das europäische Verbundnetz aber vor einer Abschalt-Kaskade mit ungewissem Ausgang bewahrt. Möglicherweise wäre es sonst wieder zu einem solchen Auseinanderbrechen des europäischen Verbunds gekommen, wie es im November 2006 durch eine Fehlschaltung des Netzbetreibers E.ON ausgelöst wurde (061101, 070205).

Letztendlich haben die Sicherheitsvorkehrungen funktioniert und ist nichts weiter passiert, wie die Übertragungsnetzbetreiber und ihr europäischer Dachverband ENTSO-E erleichtert feststellten. Dennoch hätte es normalerweise nicht so weit kommen dürfen. Bei der Fahndung nach den Ursachen entdeckte die TenneT, die seit 2010 das ehemalige E.ON-Übertragungsnetz betreibt (091101), eine Fehlmessung an den Kuppelstellen zwischen Deutschland und Österreich. Dies könne aber nicht die Ursache gewesen sein, unterstrich die ENTSO-E am 16. Januar in einer Verlautbarung. Man werde der Sache weiter auf den Grund gehen. Netzexperten analysierten die Phasenwinkel an verschiedenen Orten des Netzes und fanden Indizien, die auf die Region Frankreich/Spanien als Ausgangspunkt der Störung verweisen. Zudem soll in Spanien zu diesem Zeitpunkt ein Kraftwerk mit 558 MW ausgefallen sein. Ein solches Defizit müsste aber normalerweise problemlos ausgeglichen werden und gibt eher zu der Vermutung Anlass, das gleich mehrere Großkraftwerke ihre Verpflichtung zur Bereitstellung von Primärregelleistung nicht eingehalten haben könnten. Auch der Stromhandel könnte mit der just zur vollen Stunde aufgetretenen Störung zu tun haben. Die Unklarheit über die Ursache besteht bis heute und ist der beunruhigendste Aspekt an dem Vorfall.

 

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