August 2018

180804

ENERGIE-CHRONIK


Altmaier legt "Aktionsplan Stromnetz" vor

Bundeswirtschaftminister Peter Altmaier (CDU) hat am 14. August die Bundesnetzagentur besucht und dabei einen "Aktionsplan Stromnetz" vorgestellt: Den Neubau von Leitungen will er durch bessere Abstimmung bei der Planung und Vereinfachung der Verfahren beschleunigen. Parallel dazu soll das bestehende Netz mit neuen Technologien und Betriebskonzepten optimiert werden.

Was Altmaier als neuartige "Doppelstrategie" verstanden wissen will, enthält im Grunde allerdings nur das bekannte Instrumentarium. Zum Beispiel stehen Hochtemperatur-Leiterseile (120810) oder Phasenschieber (140811) schon seit langem zur Verfügung, um das bestehende Netz zu optimieren. Über die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für neue Leitungen wurde ebenfalls schon viel diskutiert. Soweit Altmaiers Aktionsplan dazu neue Überlegungen enthält, bleibt vorläufig unklar, wieweit er sie in die gesetzgeberische Praxis umsetzen will und kann.

Minister hält rechtlichen Rahmen des Netzbetriebs für reformbedürftig

Immerhin gibt der Aktionsplan einen Überblick über die Instrumente, die zur Beschleunigung des Netzausbaues zur Verfügung stehen, und läßt ahnen, welche Altmaier präferiert. Bemerkenswert ist vor allem, wie der Jurist Altmaier die sogenannte Anreizregulierung (160805) und den gesamten rechtlichen Rahmen des Netzbetriebs für unzureichend hält. Nach seiner Ansicht ist es mit den bestehenden Regelungen nicht möglich, die notwendigen wirtschaftlichen Anreize für eine Optimierung und zügigen Ausbau der Netze zu setzen. Zum Beispiel bleibe es dem Gutdünken der Netzbetreiber überlassen, wann sie energiewirtschaftlich erforderliche Vorhaben beantragen und wie zügig sie diese vorantreiben. Bei Neubauprojekten sei die Rendite nicht systematisch davon abhängig, ob die Leitungen planmäßig fertiggestellt werden oder erst später in Betrieb gehen. Die Kosten der Engpassbewirtschaftung würden den Netzbetreibern als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten anerkannt und seien deshalb in der Bilanz nur ein durchlaufender Posten. Versuche zur Änderung seien bisher politisch nicht durchsetzbar gewesen. Bei diesem Thema müssten deshalb noch "dicke Bretter" gebohrt werden, heißt es in dem Papier.

Novelle soll Planungsverfahren im Übertragungsnetz beschleunigen

Bis zum Herbst dieses Jahres will Altmaier etwas konkreter werden, indem er eine Novelle zum Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) vorlegt, das der Bundestag vor sieben Jahren beschloss (110604). Die Neufassung soll die Planungsverfahren im Übertragungsnetz vereinfachen und beschleunigen. Zum Beispiel würde für kleinere Maßnahmen wie Umbeseilungen künftig die bloße Anzeige genügen und kein Genehmigungsverfahren mehr erforderlich sein. Beim Neubau von Leitungen auf bereits vorhandenen Trassen (180809) würde die bisher vorgeschriebene Bundesfachplanung entfallen. Beide Vorschläge sind auch im "Aktionsplan Stromnetz" enthalten.

Koalitionsvertrag koppelt Sonderausschreibungen mit Aufnahmefähigkeit der Netze

Nach dem Auftritt bei der Bundesnetzagentur begab sich Altmaier auf eine dreitägige "Netzausbaureise" durch Deutschland. Bis Ende des Jahres will er alle "Hotspots" besuchen, an denen der Netzausbau aufgrund von Bürgerprotesten nicht so recht vorankommt. Eines seiner Standardargumente werden sicher die hohen Kosten der Netzstabilisierung sein, die wegen des schleppenden Netzausbaues im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro erreichten und die Stromrechnungen belasten (180602). Ferner dürfte er den Aufbegehrenden versichern, dass er ihre Mitsprache- und Einspruchsrechte nicht beschneiden wolle. Falls der Koalitionspartner SPD oder einzelne Bundesländer nicht mitziehen wollen, kann er auf den Koalitionsvertrag verweisen, der die Sonderausschreibungen für jeweils vier Gigawatt Wind- und Solarenergie ausdrücklich von der "Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze" abhängig macht (180206).

Von 5.900 Kilometern im Bundesbedarfsplan sind erst 150 Kilometer realisiert

Wichtigste gesetzliche Grundlage des Netzausbaues ist der "Bundesbedarfsplan", der 2013 erstmals vom Bundestag als Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz beschlossen wurde (130408). Ende 2015 wurde dieser Bundesbedarfsplan vom Bundestag auf Grundlage des Netzentwicklungsplans 2024 aktualisiert (151002). In der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung sieht er den Neubau oder die Verstärkung von Leitungen mit einer Gesamtlänge von etwa 5.900 Kilometer vor. Der größte Batzen sind dabei die mehrere Bundesländer überspannenden Hochspannungs-Gleichstromübertragungen, die den Strom von Nord- bzw. Ostdeutschland nach dem Süden transportieren, eine Länge von zusammen etwa 2.500 Kilometer haben und bis 2025 fertiggestellt sein sollen. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden von den insgesamt 5.900 Kilometern des Gesamtvorhabens bisher gerade mal 150 Kilometer realisiert. Das entspricht 2,5 Prozent. Weitere 600 Kilometer befinden sich im Genehmigungsverfahren.

Von den EnLAG-Projekten sind knapp 45 Prozent fertiggestellt

Etwas besser sieht die Bilanz beim "Energieleitungsausbaugesetz" (EnLAG) aus, das der Bundestag 2009 beschloss (090506). Die Gesamtlänge der Leitungsprojekte beträgt hier rund 1.800 Kilometer. Davon wurden bisher rund 1.150 Kilometer genehmigt und rund 800 Kilometer realisiert, was knapp 45 Prozent der Gesamtlänge entspricht. Allerdings ist das insofern nur ein relativer Erfolg, als inzwischen seit der Beschlussfassung fast ein Jahrzehnt vergangen ist.

 

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