Juli 2010

100704

ENERGIE-CHRONIK


Alle Bundestagsparteien für Brennelemente-Steuer

Die Pläne der schwarz-gelben Koalition zur Einführung einer Steuer auf Brennelemente für Kernkraftwerke werden auch von allen Oppositionsparteien im Bundestag unterstützt. Daß letztendlich die Stromverbraucher diese Steuer bezahlen müssen, wurde bei einer Debatte am 8. Juli im Bundestag von sämtlichen Rednern ignoriert oder sogar bestritten. Das Bundesfinanzministerium hat inzwischen den Entwurf eines "Kernbrennstoff-Steuergesetzes" ausarbeiten lassen, das pro Gramm Kernbrennstoff eine Abgabe von 220 Euro vorsieht. Dadurch sollen ab 2011 jährlich 2,3 Milliarden Euro in die Staatskasse fließen.

Anlaß der Bundestagsdebatte waren zwei vom 6. Juli datierte Anträge, mit denen SPD und Grüne nun ebenfalls die Einführung einer Brennelemente-Steuer forderten, nachdem die Bundesregierung vier Wochen zuvor auf diese Idee verfallen war (100602). Die SPD möchte die Kilowattstunde Atomstrom mit 3,1 Cent besteuern, während die Grünen 2,5 Cent verlangen. Die Linke sprach sich ebenfalls für eine solche Steuer aus. Im Unterschied zur Bundesregierung lehnen die Oppositionsparteien allerdings eine Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke weiter kategorisch ab, während die Regierungskoalition eher pro forma bestreitet, daß sie die Brennelemente-Steuer als eine der Gegenleistungen für den Weiterbetrieb der Anlagen ansieht.

Steuer soll auch die Stadtwerke beschwichtigen

Die Bundesregierung möchte mit der neuen Steuer nicht nur die Staatskasse füllen, sondern auch jene Teile der Energiewirtschaft beschwichtigen, die infolge des "Ausstiegs aus dem Ausstieg" ihre Investitionspläne für Gas- und Kohlekraftwerke gefährdet sehen. Düpiert fühlen sich vor allem eine ganze Reihe von Stadtwerken, die bei ihren Investitionsplänen von der sukzessiven Abschaltung der Kernkraftwerke ausgingen (100302). Hinzu kommt die ungleiche Belastung der Kraftwerksbetreiber durch Handel mit CO2-Zertifkaten: In den beiden ersten Handelsperioden wurden die für den Betrieb fossil befeuerter Kraftwerke notwendigen CO-Zertifikate gratis bzw. größtenteils kostenlos abgegeben, was den Kraftwerksbetreibern sogar Milliarden an zusätzlichen Gewinnen einbrachte (061203). Ab 2013 sollen sie jedoch komplett versteigert werden, was den Kernkraftwerksbetreibern einen weiteren Konkurrenzvorteil beschert, da sie keine Emissionszertifikate benötigen.

Auswirkungen auf den Strompreis werden ignoriert oder bestritten

Weitgehend ausgeblendet wurde in der bisherigen Diskussion, daß die vier Energiekonzerne sicher versuchen werden, eine Gewinnabschöpfung oder zusätzliche Besteuerung des Atomstroms durch entsprechende Preiserhöhungen zu kompensieren. Da sie mehr als vier Fünftel der Stromerzeugung kontrollieren, sind sie dazu auch in der Lage. Schon in der Vergangenheit haben sie immer wieder diese Marktmacht ausgenutzt, um über den Großhandel an der Börse, gegenüber Weiterverteilern oder in Verträgen mit Industrie- und Haushaltskunden Preiserhöhungen durchzusetzen. Die von der Koalition geplante Verlängerung der Laufzeiten wird diese Marktmacht nicht beseitigen, sondern zementieren, da sie die zaghaften Ansätze zu einem Wettbewerb bei der Stromerzeugung wieder verkümmern läßt. Daran ändern auch Gewinnabschöpfung und Brennelemente-Steuer nichts.

In der Bundestagsdebatte am 8. Juli ging lediglich die SPD-Abgeordnete Ingrid Arndt-Brauer auf diesen Aspekt ein. Sie vertrat jedoch die Ansicht, die Steuer werde keine Auswirkungen auf den Strompreis haben, "denn er entsteht an der Strombörse und richtet sich nach den Grenzkosten des letzten fossilen Kraftwerks". Die Atomkraftwerke seien nicht betroffen, da sie Grundlaststrom erzeugten. Die Abgeordnete verwechselte hier offenbar ein Theorem der Energiewirtschaftslehre mit den ökonomisch-technischen Realitäten des Strommarktes.

CDU sieht Steuer als "Subventionsabbau"

Der CDU-Abgeordnete Frank Steffel hielt die geplante Steuer "aus ökologischen und ökonomischen Gründen für richtig und zielführend". Sie werde dem Bund ab dem 1. Januar 2011 jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen und für den Schuldenabbau im Rahmen des Sparpakets verwendet werden können. Die Kernenergie sei nicht vom CO2-Handel betroffen und deshalb gegenüber anderen Energieträgern bevorzugt. "Wir sind uns darin einig, daß die direkte Bevorzugung der Kernenergiewirtschaft beendet werden sollte." Es handele sich im wesentlichen auch nicht um eine Steuer, sondern um "Subventionsabbau".

Linke wittert "Deal mit der Atomlobby"

Für die Linke pflichtete Eva Bulling-Schröter dem Argument bei, daß eine Brennelemente-Steuer schon deshalb nötig sei, um die Bevorzugung der Kernenergie gegenüber den fossilen Kraftwerken zu beenden. Allerdings müßten auch schnellstens die Extragewinne kassiert werden, die die Kohlekraftwerksbetreiber noch bis zur Versteigerung der Zertifikate aus dem Emissionshandel ziehen könnten. Ihre Fraktionskollegin Barbara Höll äußerte den Verdacht, die Bundesregierung verfolge mit der ganzen Aktion der Brennelementebesteuerung einen "ausgeklügelten Deal mit der Atomlobby", um ein möglichst spätes Abschalten aller Kernkraftwerke zu erreichen.

FDP räumt Verknüpfung mit Laufzeiten ein

Die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl warf der Bundesregierung vor, sie habe "doch überhaupt nicht den Mut gegenüber der Atomwirtschaft, diese Brennelementesteuer ohne das Gegengeschenk einer Laufzeitverlängerung einzuführen". Der FDP-Abgeordnete Michael Kauch räumte ein, daß es "natürlich einen Zusammenhang" mit der Laufzeitverlängerung und der Gewinnabschöpfung gebe: "Für uns ist das durchaus ein Paket".

SPD warnt vor finanzieller Fixierung der Verlängerung

Der SPD-Energieexperte Ulrich Kelber wandte sich in seiner Rede gegen die Überlegung der Bundesregierung, die ebenfalls geplante Gewinnabschöpfung gleich für die ganze Laufzeiten-Verlängerung von den Kernkraftwerksbetreibern zu kassieren, indem diese einen entsprechenden Kredit von der staatlichen KfW-Bank erhalten. Damit würde die Laufzeiten-Verlängerung perpetuiert und jede vorzeitige Stillegung eines Kernkraftwerks den Steuerzahler belasten: "Sie wollen den Menschen verbieten, sich bei Wahlen anders zu entscheiden, und Sie wollen dem Bundestag verbieten, Energiepolitik zu machen."

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