Januar 2006

060112

ENERGIE-CHRONIK


Steag und EnBW bekräftigen Bündnis für Kraftwerks-Neubauten

Der Steinkohleverstromer Steag und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) habe ihre im April 2005 vereinbarte Kooperation (050405) bekräftigt. Wie sie am 16. Januar mitteilten, unterzeichneten sie eine Vereinbarung über den Bau und Betrieb von Wärmekraftwerken, die 2007 konkretisiert werden soll. Unter anderem sei geplant, daß Steag und EnBW jeweils ein Kraftwerk errichten, an dem sie den anderen Partner beteiligen. Die Standorte seien noch nicht festgelegt.

Allgemein zeichnet sich derzeit ein "Wettlauf um neue Kraftwerke in Deutschland" ab (FAZ, 21.1.). Stimuliert wird er weniger durch die Warnungen vor einer Versorgungslücke (050215) als durch den Anstieg der Großhandelspreise für Strom, der im vergangenen Jahr einen neuen Rekord erreichte (060105). Zu Beginn der Marktliberalisierung im Jahr 1998 verfügten die Großstromerzeuger über mehr als ausreichende Kapazitäten, zumal der Modernisierungsbedarf in Ostdeutschland falsch eingeschätzt worden war (970912). Sie bauten deshalb Kapazitäten ab, um ihren Kraftwerkspark kostenmäßig und technisch zu optimieren. Allein E.ON und RWE nahmen eine Kraftwerksleistung von 10.000 Megawatt vom Netz (001003). Gewinne fielen fortan weniger bei der Erzeugung als im Netzbereich an, da die anhand der "Verbändevereinbarungen" festgelegten Netznutzungsentgelte nach Meinung von Branchenkennern stark überhöht waren. Infolge des Anstiegs der Großhandelspreise sind die Rahmenbedingungen für den Neubau von Kraftwerken inzwischen wieder günstiger geworden, zumal im Netzbereich durch die Regulierungsbehörde mit einer schärferen Kontrolle zu rechnen ist. Im November 2005 wurden am Spotmarkt der EEX durchschnittlich 7 Cent für die Kilowattstunde Grundlaststrom bezahlt, dessen Erzeugung weniger als die Hälfte kostet. Der "Phelix Peak" (9 bis 20 Uhr) kletterte sogar auf rund 11 Cent pro Kilowattstunde. Verschiedene kommunale Versorger planen bereits den Ausbau ihrer Eigenerzeugung (050307) oder beteiligen sich an Kraftwerksprojekten (050111), um von den hohen Preisen für Spitzenlast unabhängiger zu werden. Auch bei Grund- und Mittellast müssen die etablierten Stromversorger E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW verstärkt mit Konkurrenz rechnen, weshalb sie inzwischen ebenfalls wieder um den Ausbau ihrer Kapazitäten bemüht sind. Für zusätzlichen Druck sorgt die EU-Kommission, die bereits mit einer Investitionskontrolle drohte, um ausreichende Investitionen in Kraftwerke und Netze zu gewährleisten (031207).

Vor diesem Hintergrund gehen die EnBW als integrierter Stromversorger und die Steag als unabhängiger Stromproduzent ohne eigenes Netz mit ihren Kraftwerksprojekten eine Verbindung ein, von der beide zu profitieren hoffen. Noch im Frühjahr 2003 stand die Steag mit dem gesamten Energiegeschäft des RAG-Konzerns auf der Verkaufsliste (030403). Unter dem neuen RAG-Chef und früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller erfolgte jedoch eine strategische Kehrtwendung, die sogar den Ausbau des Energiegeschäfts unter Führung der Steag zum Ziel erhob (040310). Zunächst sollte sich der RWE-Konzern wieder an dem Steinkohleverstromer beteiligen, der seit Anfang 2005 von Müllers früherem Staatssekretär Alfred Tacke geleitet wird (040903) und seit jeher ins RWE-Netz einspeist (040504). Um so mehr überraschte die Kooperation mit EnBW, die im April 2005 bekanntgegeben wurde. Die RAG verhandelt mit RWE aber weiter über die Abgabe der Steag-Tochter Saar Ferngas, die in Teilbereichen bereits mit RWE kooperiert (050407).

Dritter im Bunde ist der niederösterreichische Landesversorger EVN: Die EVN beteiligt sich mit 49 Prozent als Juniorpartner der Steag am Bau des neuen Kraftwerks Walsum 10, den die EnBW durch Abschluß eines Stromliefervertrags unterstützt (050405). Die EnBW ist seit Oktober 2005 mit 29,74 Prozent an den EVN beteiligt (051012). Seit Januar 2006 verfügt sie außerdem über einen Sitz im Aufsichtsrat.

Ferner plant die Steag in Herne einen Steinkohleblock mit einer Leistung von 750 Megawatt. Als Abnehmer für den erzeugten Strom will sie erstmals auch Stadtwerke gewinnen.

Kraftwerkskapazitäten von über 23.000 Megawatt geplant oder bereits in Bau

Nach Angaben der Steag und anderer Unternehmen, die am 21. Januar die "Frankfurter Allgemeine" veröffentlichte, sind derzeit in Deutschland Kraftwerkskapazitäten von über 23.000 Megawatt geplant oder bereits in Bau. Zum Teil handelt es sich um dieselben Standorte, an denen noch vor wenigen Jahren Kraftwerkskapazitäten stillgelegt wurden. Einige der Planungen sind noch sehr vage; ob sie verwirklicht werden, wird von der weiteren Entwicklung auf dem Strommarkt abhängen. Andererseits dürfen sich die Planer mit der Entscheidung nicht allzuviel Zeit lassen, wenn sie die Kraftwerke noch bis zum Jahr 2012 in Betrieb nehmen wollen, da dann die zweite Zuteilungsperiode für Emissionsberechtigungen endet und die Neuregelung noch nicht absehbar ist (040501). Im einzelnen sind folgende Kraftwerke in Planung oder im Bau:

Standort siehe hierzu auch Investor Kraftwerkstyp

Gesamtleistung
in Megawatt

Anzahl
Blöcke

Neurath 051110, 050409, 020911 RWE Braunkohle 2100 2
Westfalen 051110, 001003 RWE Steinkohle 1500 2
Lingen 050911 RWE GuD 1060 2
Weisweiler

051110, 050409

RWE Erdgas 540 1
Moorburg (Hamburg)   Vattenfall Steinkohle 1640 2
Boxberg 940203, 970912, 001022 Vattenfall Braunkohle 660 1
Irsching 050911, 051110, 001003 E.ON GuD 800 2
Datteln 050409 E.ON Steinkohle 1050 1
Emden 001003 E.ON Gas 400 1
Karlsruhe   EnBW Steinkohle 800 1
Lubmin 030101, 980821 EnBW GuD 1600 2
Walsum (Duisburg) 050409, 050405 Steag Steinkohle 750 1
Herne   Steag Steinkohle 750 1
Brunsbüttel   Electrabel Steinkohle 750 1
Saarbrücken   Electrabel GuD 400 1
Hürth 050112, 040916, 030507 Statkraft GuD 800 2
Herdecke 050409 Mark-E GuD 400 1
Mainz   KMW Steinkohle 750 1
Lubmin 030101, 030101 Concord/Fortum GuD 1200 3
Hamm 050510, 050111 Trianel GuD 800 2
noch offen   Trianel Steinkohle 750 1
Dettelbach (Nürnberg)   N-Ergie GuD 800 1
noch offen   Rheinenergie/SWD Steinkohle 750 1
Ruhrgebiet   Ges. f. Stromhandel GuD 400 1
Marl   Örtl. Stadtwerke Steinkohle 1500 2
Hagen   Örtl. Stadtwerke Steinkohle 1200 2

 

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