Juli 2003

030707

ENERGIE-CHRONIK


EDF unter politischem Beschuß - Kommission stellt "service public" in Frage

Das französische Modell der öffentlichen Unternehmen, wie es in den Nachkriegsjahren entstand, entspreche nicht mehr den heutigen internationalen und europäischen Anforderungen. Zu diesem Schluß gelangt der Bericht einer Kommission der französischen Nationalversammlung, der am 15. Juli veröffentlicht wurde. Die Kommission untersuchte die Leitung und Geschäftspolitik der Staatsunternehmen für Telekommunikation (France Telecom), Stromversorgung (EDF), Eisenbahnen (SNCF), Fernsehen (France Television) und Post (La Poste). Besonders ausführlich und mit heftiger Kritik widmete sie sich France Telecom und EDF. Beide hätten sich mit ihrer geschäftlichen Expansion übernommen und seien unüberlegte Risiken zu Lasten des Steuerzahlers eingegangen. Besonders mit ihrem Einstieg beim italienischen Montedison-Konzern ( 010709) sei die EDF vorhersehbar ein "extremes finanzielles und juristisches Risiko" eingegangen.

EDF leidet unter hoher Verschuldung und Personalkosten

Die Nettoverschuldung der EDF, die im Jahr 2000 noch 17,6 Milliarden Euro betrug, sei bis 2002 auf 25,8 Milliarden Euro gestiegen. Hinzu kämen solche Schulden, die nicht in der Bilanz auftauchten: Neben 4,8 Milliarden Euro für das italienische Engagement nennt der Bericht hier 3,4 Milliarden Euro, die dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) im Rahmen des am 26. Juli 2000 unterzeichneten Aktionärsvertrags über die unternehmerische Führung der Energie Baden-Württemberg (EnBW) zugestanden worden seien.

Bei den Personal- und Pensionskosten liege die EDF mit einem Anteil von 22 Prozent an der europäischen Spitze. Dagegen hätten die Konkurrenten Suez (20,8%), RWE (18,3%) Eon (11,2%), Enel (16,0%), Electrabel (11,8%) und Endesa (9,4%) geringere Belastungen.

Konzept des "service public" revisionsbedürftig

Die Kommission stellt die Existenzberechtigung von Staatsunternehmen und deren besondere Aufgabe zwar nicht generell in Frage, rüttelt aber doch am bisherigen Konzept der öffentlichen Dienste ("service public"), wie es von Frankreich vor allem in den Verhandlungen um den Elektrizitätsbinnenmarkt mit Vehemenz vertreten und als Ausnahmebestimmung in der EU-Richtlinie berücksichtigt wurde (960601). Diese "typisch französische Schöpfung, welche die Begriffe öffentlicher Sektor, Monopol und öffentliche Dienste verband", sei durch den Wettbewerb im Rahmen der EU obsolet geworden. Die Vorstellung, daß öffentliche Unternehmen in der Form eines Monopols geführt werden müßten, sei inzwischen "intellektuell ein Anachronismus und ökonomisch angreifbar".

Die staatliche Kontrolle der öffentlichen Unternehmen müsse tiefgreifend reformiert werden. In der überkommenen Form sei sie behindernd, schwerfällig, verantwortungsfeindlich und häufig ineffizient. Sie passe nicht mehr zu den internationalen Dimensionen der Unternehmensgeschäfte: Der Binnenmarkt sei heute der europäische Markt. Die Durchsetzung auf den Weltmärkten erfordere Mittel, welche die Möglichkeiten des Staates überstiegen.

Unterstützung für Raffarin

Der Bericht der Kommission gilt als Unterstützung für die Regierung Raffarin und als gezielte Attacke auf EDF-Chef Francois Roussely, der noch von der ehemaligen sozialistischen Regierung ernannt worden war. Raffarin strebt die Teilprivatisierung von Staatsunternehmen durch Verkauf von Beteiligungen an und möchte bei vorläufig schwer- bis unverkäuflichen Unternehmen wie EDF wenigstens einen Personal- und Sozialabbau durchsetzen. Die Kommission bestand zu zwei Dritteln aus Abgeordneten der konservativen Regierungspartei UMP. Soweit ihr Bericht die verkrusteten Strukturen und geschäftliche Fehlentscheidungen der EDF kritisiert, enthält er im Grunde nichts neues. Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Situation bei den Staatsunternehmen - etwa die Delegierung der staatlichen Aufsicht an Expertengremien oder die Erhöhung der Vorstandsgehälter auf das Niveau der Privatwirtschaft - sind ebenfalls nicht sonderlich originell, sondern liegen auf der Linie neoliberaler Rezepturen.

EDF weist Vorwürfe zurück

Die EDF erklärte dazu, sie sei ein "gesundes, wettbewerbsorientiertes und rentables Unternehmen, das auf die Auseinandersetzung mit dem europaweiten Wettbewerb vorbereitet ist". Seit zwanzig Jahren habe sie vom Staat "keinen Centime" für ihr Kapital erhalten, jedoch ihre Produktivitätsgewinne als Dividende an den Staat und als Preissenkungen an die Kunden weitergegeben. Das Bild eines öffentlichen Unternehmens mit strukturellem Defizit, das vom Staat ausgehalten werde, werde von den Tatsachen widerlegt. Die internationale Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit sei für die EDF notwendig, um den teilweisen Verlust des Inlandmarktes als Folge der Liberalisierung auszugleichen. Bisher habe sie den für die Jahre 2001 bis 2003 vereinbarten Investitionsrahmen von 15,3 Milliarden Euro nur mit zwölf Milliarden Euro in Anspruch genommen. Dagegen hätten die deutschen Energiekonzerne RWE und E.ON in den Jahren 2000 bis 2002 jeweils 28 bzw. 25 Milliarden Euro in ihr externes Wachstum investiert.

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