Februar 1997

970208

ENERGIE-CHRONIK


Rexrodt plant Ausnahmeregelungen zugunsten ostdeutscher Braunkohle und der Kommunen

Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) will die ostdeutschen Energieunternehmen fürs erste vom vollen Wettbewerb ausnehmen, der als Folge der geplanten nationalen Energierechtsreform und der Öffnung der europäischen Strommärkte erwartet wird. Er will deshalb seine Energierechtsnovelle dahingehend ändern, daß die ostdeutschen Versorger die Durchleitung des Stroms fremder Anbieter bis Ende 2003 unter Hinweis auf die Sonderbelastung durch die Braunkohleverstromung beschränken können. Eine andere Nachbesserung am Entwurf des Gesetzes soll allen Kommunen in Deutschland zugute kommen: Sie könnten demnach künftig jedem Energieanbieter den Leitungsbau oder die Durchleitung verweigern, wenn er nicht die Höchstsätze nach der Konzessionsabgabenordnung zahlt (SZ, 24.2.; taz, 25.2.).

VKU gegen Schonfrist wegen Braunkohle

Die Wirtschaftsminister der neuen Bundesländer berieten am 12./13.2. in Potsdam ebenfalls über eine Übergangsregelung zugunsten der Braunkohleverstromung. Die Landesvorsitzenden des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) in den neuen Bundesländern wandten sich aus diesem Anlaß gegen eine derartige Schonfrist, weil sie Investitionen verhindere und die Stadtwerke benachteilige. Sie kritisierten auch erneut die Strompreise der VEAG: Laut einem Gutachten, das 70 ostdeutsche Stadtwerke in Auftrag gaben, könne das Strompreisgefälle zwischen Ost und West nicht mit den hohen Kosten der Braunkohleverstromung begründet werden, sondern sei "hauptsächlich auf die sehr hohen Gewinne der VEAG in den letzten Jahren zurückzuführen, die u.a. aufgrund der in den neuen Ländern geltenden Sondervorschriften in der Bilanz der VEAG nicht ausgewiesen wurden" (VWD, 12.2.; Handelsblatt,12.2. u. 25.2.; siehe auch 960103 u. 960605).

Eine Reihe von ostdeutschen Stadtwerken bereitet unterdessen den angekündigten Musterprozeß vor, in dem sie die VEAG wegen überhöhter Preise verklagen wollen (siehe 961012). Als Sprecher der Prozeßkostengemeinschaft fungiert der kaufmännische Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig, Wolfgang Wille (FAZ, 12.2.).

Nach Meinung des Handelsblatts (5.2.) ist die Forderung nach einer Schonfrist für die ostdeutsche Stromwirtschaft angemessen: "Mit einer EU-konformen Schutzphase von neun Jahren würden günstige Aussichten bestehen, um eine wettbewerbsfähige Braunkohlenverstromung in Ostdeutschland garantieren zu können. Es würde keineswegs eine unzulässige Diskriminierung bedeuten, wenn bei der Durchleitung von Strom befristete Verweigerungsgründe für Elektrizitätsimporte aus osteuropäischen Kraftwerken mit laschen Umweltstandards toleriert würden."