April 2025

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ENERGIE-CHRONIK


Stadtwerke Aalen kämpfen mit 25 Millionen Euro Defizit

Der Gemeinderat der baden-württembergischen Stadt Aalen (68.000 Einwohner) beschloss am 7. April einstimmig, die Stadtwerke Aalen GmbH finanziell zu unterstützen, um sie als hundertprozentig kommunales Unternehmen zu erhalten. Die neue Geschäftsführung der Stadtwerke wurde mit der Ausarbeitung eines "Konzepts zur Sicherstellung eines nachhaltigen und wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs" beauftragt. Denn statt der Gewinne, welche die frühere Geschäftsführung angekündigt hatte, erlitten die Stadtwerke im Geschäftsjahr 2024 einen Verlust von rund 25 Millionen Euro.

"Gravierende Management-Fehler"

"Als Ursache für die finanzielle Schieflage wurden gravierende Management-Fehler und falsche Unternehmerentscheidungen aufgedeckt", hieß es dazu in einer Mitteilung der Stadtverwaltung. "Hintergründe sind fehlerhafte Beschaffungsentscheidungen sowie ausgelagerte Dienstleistungen." Das lässt darauf schließen, dass vor allem Strom und Gas zu teuer eingekauft wurden. Neben unternehmerischem Versagen wird der früheren Geschäftsführung vorgeworfen, die stark defizitäre Geschäftslage gegenüber dem Aufsichtsrat falsch dargestellt zu haben.

Geschäftsführer beschönigte die desolate Geschäftslage

Nach Darstellung der Stadtverwaltung hatte der damalige Geschäftsführer Christoph Trautmann noch im September 2024 einen deutlichen Gewinn für das laufende Jahr angekündigt. Dann beauftragte der Oberbürgermeister Frederik Brütting (SPD) als Vorsitzender des mißtrauisch gewordenen Aufsichtsrats ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit der Untersuchung der tatsächlichen Geschäftslage. Der am 9. Dezember vorgelegte Bericht ergab für 2024 einen Verlust von voraussichtlich 25 Millionen Euro. Hinzu kam für das Jahr 2023 ein Verlust von knapp 1,5 Millionen Euro. Für 2025 muss ebenfalls noch mals mit roten Zahlen gerechnet werden.

Stadt prüft mögliche Schadensersatzansprüche – der Entlassene klagt seinerseits

Dem Geschäftsführer wurde deshalb am 12. Dezember fristlos gekündigt, nachdem ein entsprechender Beschluss des Aufsichtsrats auch vom Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung gebilligt worden war. Kurz danach wurde der bisherige kaufmännischen Leiter ebenfalls entlassen. Die Stadt Aalen und die Stadtwerke prüfen derzeit "mit anwaltlicher Unterstützung mögliche Schadensersatzansprüche oder gegebenenfalls auch weitere rechtliche Konsequenzen". Der Geschäftsführer hat seinerseits Klage gegen die fristlose Entlassung eingereicht und will Schadensersatz für den aus seiner Sicht ungerechtfertigen Rauswurf. Der gerichtliche Streitwert wurde mit 800.000 Euro angesetzt. Neuer Geschäftsführer wurde Michael Schäfer, der zuvor die Wohnungsbau Aalen GmbH leitete.

Vertrag des Geschäftsführers wurde vorzeitig und mit viel Lob bis 2029 verlängert

Trautmanns Vertrag war vor zwei Jahren vorzeitig um fünf Jahre verlängert worden und wäre deshalb erst Ende März 2029 ausgelaufen. Der Aufsichtsrat verband sein einstimmiges Votum für die Vertragsverlängerung damals mit einer Lobrede, die als städtische Pressemitteilung veröffentlicht wurde. Am Ende hieß es: "Unter der Führung von Christoph Trautmann sehen wir unser städtisches Tochterunternehmen auf gutem Kurs für eine nachhaltige und klimagerechte Energieversorgung."

Trautmann war seit April 2019 Geschäftsführer der Stadtwerke Aalen und zugleich Werkleiter des städtischen Eigenbetriebs Abwasserversorgung. Wie es in einer Mitteilung der Stadt Aalen vom Oktober 2018 hieß, erfolgte seine Berufung durch den Gemeinderat "mit überwältigender Mehrheit". Der 1972 in Münster geborene Diplom-Ökonom zeichne sich durch eine langjährige Tätigkeit in führenden Positionen in der Energiewirtschaft aus. Aktuell sei er bei den Stadtwerken Lübeck als Prokurist für die Bereiche Vertrieb und Handel sowie für einen bundesweiten Online-Vertrieb von Strom und Gas verantwortlich. Zuvor sei er beim Energiekonzern E.ON im Bereich Produktmanagement und Produktentwicklung tätig gewesen.

Großer Aufwand bei der Personalfindung schützt nicht vor Enttäuschungen

Nach Angaben der Stadtverwaltung hatten sich insgesamt "weit über 100 Personen" für die freigewordene Stelle interessiert. Aus diesem Bewerberfeld habe eine Personalberatungsfirma 22 Kandidaten zu Vorstellunggesprächen eingeladen, wobei sechs Kandidaten in die engere Wahl kamen. Die endgültige Entscheidung traf dann eine Personalfindungskommission, der neben Vertretern aller Gemeinderatsfraktionen auch der Oberbürgermeister Rentschler angehörte.

Vor Trautmanns Berufung wurde die Geschäftsführung der Stadtwerke vorübergehend vom städtischen Wirtschaftsförderer Wolfgang Weiß besorgt, weil Ende 2017 der seit zehn Jahren amtierende Cord Müller seinen noch bis 2022 laufenden Vertrag "in gegenseitigem Einvernehmen" vorzeitig aufgelöst hatte. Grund war offenbar ein Zerwürfnis mit dem damaligen Oberbürgermeister Thilo Rentschler (SPD). Müller soll sich von diesem "gemobbt" gefühlt haben.

Kostenanstieg für neues Schwimmbad belastet städtische Finanzen zusätzlich

Die seit über 150 Jahren bestehenden Stadtwerke Aalen versorgen ihre Kunden mit Strom, Wasser und Gas. Seit 2001wird das Unternehmen nicht mehr als Eigenbetrieb, sondern als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt Aalen geführt. Neben dem Kerngeschäft betreibt es die städtischen Parkhäuser und die Aalener Bäder. Dazu gehört auch der Neubau eines kombinierten Hallen- und Freibads, dessen Baukosten 2021 mit 44,4 Millionen Euro veranschlagt wurden, inzwischen aber auf 65,7 Millionen Euro gestiegen sind. Zusammen mit dem unerwarteten Defizit der Stadtwerke belastet dieser Kostenanstieg für das neue "Hirschbachbad" den städtischen Etat mit fast 50 Millionen Euro an ungeplanten Mehrausgaben.

 

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