September 2023

230906

ENERGIE-CHRONIK


Das überarbeitete Heizungsgesetz kann in Kraft treten

Mit neun Wochen Verzögerung beschloss der Bundestag am 8. September die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), die bereits am 7. Juli zur Verabschiedung anstand, aber infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vertagt werden musste (230702). Der Wortlaut des "Heizungsgesetzes", wie es üblicherweise bezeichnet wird, entspricht damit unverändert der nochmals überarbeiteten Fassung, auf die sich die Ampelkoalition unter großem Zeitdruck geeinigt hatte, um es noch vor der Sommerpause des Parlaments verabschieden zu können (230601). Daran änderte auch die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts, die ein CDU-Abgeordneter erwirkte, weil die Frist zwischen der Vorlage der Änderungen und der geplanten Beschlussfassung im Parlament zu kurz bemessen gewesen sei, um sich mit der umfangreichen Materie vertraut zu machen.

Bayerischer Verzögerungsantrag fand im Bundesrat keine Unterstützung

In namentlicher Abstimmung wurde der vom 17. Mai datierte Gesetzentwurf mit den Änderungen der Beschlussempfehlung vom 5. Juli mit 399 Stimmen der Regierungskoalition bei 275 Nein-Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Außerdem gab es fünf Enthaltungen auf Seiten der Koalitionsparteien (vier Abgeordnete der FDP und einer der Grünen).

Parallel zur Annahme des Gesetzes lehnte die Regierungsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP fünf Änderungsanträge ab, die CDU/CSU, AfD und Linke eingebracht hatten. Die Unionsparteien ließen sich für die Betitelung ihres Antrags ein Wortspiel einfallen: "Für eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Wärmeversorgung ohne soziale Kälte". Die AfD wollte das "Verbot von Öl- und Gasheizungen verhindern" und "Eigentum vor Willlkür in der Energiepolitik schützen". Die Linke begnügte sich damit, in gendergerechter Sprache die "Abschaffung der Modernisierungsumlage zum Schutz der Mieterinnen und Mieter" zu fordern.

Am 29. September stimmte dem Gesetz auch der Bundesrat zu. Ein Antrag des CSU-regierten Landes Bayern auf Anrufung des Vermittlungsausschusses stieß erwartungsgemäß auf breite Ablehnung, da alle sechs CDU-Landesregierungen auf Grüne oder SPD als Koalitionspartner Rücksicht nehmen müssen. Außerdem handelte es sich um kein Einspruchsgesetz. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses hätte deshalb lediglich eine weitere Verzögerung des Inkrafttretens bewirken können.

Union deutet die Karlsruher Fristenrüge fälschlicherweise als "Klatsche" für den Inhalt des Gesetzes

Infolge der neunwöchigen Verzögerung hatten alle Volksvertreter mehr als hinreichend Gelegenheit gehabt, sich mit den Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf zu befassen, der seit 17. Mai vorlag (230402). Das hinderte den Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, freilich nicht daran, die Karlsruher Entscheidung nun fälschlicherweise so darzustellen, als ob sie sich auf den Inhalt des Gesetzes bezogen hätte. Das hörte sich dann so an: "In der letzten Sitzungswoche hat das Bundesverfassungsgericht der Ampel mit seinem Beschluss einen Auftrag gegeben. Dieser Auftrag ist zu Recht in weiten Teilen als Klatsche verstanden worden. Der Auftrag war nämlich, dieses Gesetz nicht einfach zu beschließen, sondern es zu beraten."

Mit blümeranter Logik verwandelte Dobrindt so in drei Sätzen die Fristenrüge der Karlsruher Richter in ein verfassungsrichterliches Gebot, den Gesetzentwurf nochmals aufzudröseln. Dessen Verabschiedung in unveränderter Fassung sei deshalb "nicht nur eine Missachtung des Parlaments und des Bundesverfassungsgerichts", empörte er sich. "Das ist vor allem eine Respektlosigkeit gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern, die einen Anspruch darauf haben, dass hier ordentlich beraten wird."

Dabei scheint Dobrindt den Gesetzentwurf selber gar nicht gelesen zu haben oder von seinen Zuarbeitern falsch informiert worden zu sein. Denn er warf der Ampelkoalition vor, klammheimlich einen Deckel in das Gesetz eingefügt zu haben, der sämtliche Fördermaßnahmen im Einzelfall auf 15.000 Euro begrenze:"Was Sie nicht sagen, ist, dass Sie einen Förderdeckel eingezogen haben, bei 15.000 Euro. Egal ob die Heizung 50.000, 60.000, 70.000 Euro kosten wird, man bekommt nur 15.000 Euro. Wo soll denn der Rest herkommen?"

Ein paar Minuten später bekam Dobrindt von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die angeforderte Antwort: "Lieber Herr Dobrindt, Sie forderten Wahrhaftigkeit ein. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Förderdeckel, also die festgesetzten maximal förderfähigen Kosten, nicht 15.000 Euro, sondern 30.000 Euro beträgt, nur für den Heizungstausch. Und der kann mit weiteren Maßahmen kombiniert werden. Dann hat man einen Förderdeckel von 90.000 Euro."

Oppositionsfraktionen verweigerten das sonst übliche Einvernehmen über die Tagesordnung

Mit Blick auf die am 8. Oktober in Bayern und Hessen stattfindenden Landtagswahlen gab es bei den Oppositionsfraktionen und vor allem bei der Union ein starkes Interesse, die überhitzte Auseinandersetzung um das "Heizungsgesetz" möglichst lange andauern zu lassen (so erklärt sich auch der bereits erwähnte Antrag Bayerns im Bundesrat). Schon im Juli kam es deshalb zwischen den Fraktionen nicht zum üblichen Einvernehmen über den Ablauf der nächsten Sitzungswoche im September (230702). Dabei wäre es gar nicht möglich gewesen, die zweite und dritte Lesung des Gesetzes auf diese Weise zu verhindern. Mit dieser rein propagandistischen Trotzreaktion erreichten die Oppositionsfraktionen lediglich, dass der Bundestag in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause am 5. September zunächst einmal die vorgesehenen vier Tagesordnungen mit den Stimmen der Regierungskoalition förmlich beschließen musste, was nicht ohne eine längere Geschäftsordnungsdebatte abging.

Ebenso albern wirkte ein Antrag, den die Unionsfraktion für den vorhersehbaren Fall stellte, dass die Tagesordnung in der vorgesehenen Form beschlossen würde: Dann sollte das Heizungsgesetz noch vor Punkt 1 der beschlossenen Tagesordnung aufgerufen werden und die Abstimmung darüber unter Verzicht auf jegliche Debatte stattfinden. Anscheinend wollte die Union auf diese Weise den Gesetzentwurf stigmatisieren und lächerlich machen. In Wirklichkeit war es allerdings sie selber, die damit eine bedenkliche Geisteshaltung offenbarte. Es versteht sich, dass der Antrag von der Regierungskoalition abgelehnt wurde. Nicht ganz so selbstverständlich war jedoch, dass ihm außer Union und AfD auch die Linke zustimmte.

 

Links (intern)

 

Bestehende Heizungen können weiter genutzt werden

Die wichtigsten Punkte des novellierten Gebäudeenergiegesetzes

 

Nur in Neubaugebieten muss ab dem 1.1.2024 jede neu eingebaute Heizung mindestens zu 65 Prozent erneuerbare Energie nutzen.

Für Bestandsgebäude und Neubauten, die in Baulücken errichtet werden, gilt diese Vorgabe abhängig von der Gemeindegröße erst nach dem 30.06.2026 bzw. 30.06.2028. Diese Fristen sind angelehnt an die im Wärmeplanungsgesetz vorgesehenen Fristen für die Erstellung von Wärmeplänen. Ab den genannten Zeitpunkten müssen auch neu eingebaute Heizungen in Bestandsgebäuden und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten die Vorgaben des Gesetzes erfüllen. Um es den Eigentümern zu ermöglichen, die für sie passendste Lösung zu finden, kann für eine Übergangsfrist von fünf Jahren noch eine Heizung eingebaut werden, die die 65-Prozent-Vorgabe nicht erfüllt.

Bestehende Heizungen sind von den Regelungen nicht betroffen und können weiter genutzt werden. Auch wenn eine Reparatur ansteht, muss kein Heizungsaustausch erfolgen.

Beim erforderlichen Umstieg auf Erneuerbare – wenn also der Einbau einer neuen Heizung ohnehin notwendig wird - können Hauseigentümer unter verschiedenen Lösungen wählen: Anschluss an ein Wärmenetz, elektrische Wärmepumpe, Stromdirektheizung, Biomasseheizung, Hybridheizung (Kombination aus Erneuerbaren-Heizung und Gas- oder Ölkessel), Heizung auf der Basis von Solarthermie und "H2-Ready"-Gasheizungen ( Heizungen, die auf 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar sind). Voraussetzung für letztere ist allerdings, dass es einen rechtsverbindlichen Investitions- und Transformationsplan für eine entsprechende Wasserstoffinfrastruktur vor Ort gibt. Da dies ziemlich unwahrscheinlich ist, sehen Verbraucherschützer in "H2-Ready"-Gasheizungen eine Kostenfalle und raten von ihnen ab. Grundsätzlich ist außerdem jede andere Heizung auf der Grundlage von Erneuerbaren Energien bzw. eine Kombination unterschiedlicher Technologien zulässig. Dann ist jedoch ein rechnerischer Nachweis für die Erfüllung des 65-Prozent-Kriteriums zu erbringen, um den man sich sonst nicht zu kümmern braucht.

Wenn Öl- und Gasheizungen ab dem 1.1.2024 eingebaut werden, müssen sie ab dem Jahr 2029 stufenweise ansteigende Anteile von grünen Gasen oder Ölen verwenden: 15 Prozent ab dem 1.1.2029, 30 Prozent ab dem 1.1.2035 und 60 Prozent ab dem 1.1.2040.

Das Gebäudeenergiegesetz enthält weitere Übergangsregelungen, z.B. wenn der Anschluss an ein Wärmenetz in Aussicht steht, und eine allgemeine Härtefallregelung, die auf Antrag Ausnahmen von der Pflicht ermöglicht. Im Einzelfall wird dabei etwa berücksichtigt, ob die notwendigen Investitionen in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag oder in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Gebäudes stehen. Auch Fördermöglichkeiten und Preisentwicklungen fließen hier ein. Aber auch aufgrund von besonderen persönlichen Umständen, wie etwa einer Pflegebedürftigkeit, kann eine Befreiung von der Pflicht zum Heizen mit Erneuerbaren gewährt werden.

Für den Umstieg aufs Heizen mit Erneuerbaren gibt es finanzielle Unterstützung in Form von Zuschüssen, Krediten oder steuerlicher Förderung. So sind bis zu 70 Prozent Förderung möglich. Alle Antragsteller können eine Grundförderung von 30 Prozent der Investitionskosten erhalten. Haushalte im selbstgenutzten Wohneigentum mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von unter 40.000 Euro erhalten noch einmal 30 Prozent Förderung zusätzlich (einkommensabhängiger Bonus). Außerdem ist für den Austausch alter Heizungen ein Klima-Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent bis 2028 vorgesehen, welcher sich ab 2029 alle 2 Jahre um 3 Prozentpunkte reduziert. Die Boni sind kumulierbar bis zu einer maximalen Förderung von 70 Prozent.

Zusätzlich ist bis zu einem Jahreshaushaltseinkommen von 90.000 Euro ein zinsverbilligter Ergänzungskredit für Heizungstausch und Effizienzmaßnahmen bei der KfW erhältlich. Sonstige energetische Sanierungsmaßnahmen werden weiterhin mit 15 Prozent Investitionskostenzuschuss gefördert (bei Vorliegen eines individuellen Sanierungsfahrplans mit 20 Prozent). Erhalten bleiben auch auch die Kredite zur Komplettsanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden bis auf Effizienzhaus-Niveau sowie alternativ die steuerliche Förderung. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) wird hierzu derzeit novelliert und soll gemeinsam mit dem jetzt beschlossenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) zum 1.1.2024 in Kraft treten.

Um die Mieter vor unangemessenen Belastungen zu schützen, müssen Hauseigentümer die Fördermittel bei einer Neuberechnung der Miete von den Kosten der Modernisierungsmaßnahme abziehen. Die Modernisierungsmieterhöhung darf ferner für alle Arten des Heizungsaustauschs nicht mehr als 50 Cent pro Quadratmeter betragen.