April 2021

210410

ENERGIE-CHRONIK


Verteilnetzbetreiber gründen europäischen Dachverband

Die neu gegründete Europäische Organisation für Verteilernetzbetreiber (EU-VNBO) hat Anfang April ihre Arbeit aufgenommen. Sie umfasst bisher 898 Mitgliedsunternehmen aus 34 europäischen Ländern. Neben Verteilnetzbetreibern aus allen EU-Staaten (außer Malta) gehören dazu auch "assoziierte Mitglieder" aus Großbritannien, Schweiz, Norwegen, Ukraine, Türkei, Nord-Mazedonien, Moldawien und Kosovo, die über kein Stimmrecht verfügen. Die deutschen Verteilnetzbetreiber stellen mit 305 Unternehmen gut ein Drittel der Mitglieder. Damit sind sie aber noch lange nicht komplett in dem neuen Dachverband vertreten, da es in Deutschland derzeit ungefähr 870 Verteilnetzbetreiber gibt (im amtlichen Sprachgebrauch üblicherweise als "Verteilernetzbetreiber" bezeichnet).

Im Vorstand vertreten jeweils neun Mitglieder drei Größenklassen

Der "Verwaltungsrat" des Dachverbandes besteht aus 27 Mitgliedern. Jeweils neun Mitglieder vertreten dabei eine von drei Unternehmenskategorien: Weniger als hunderttausend Kunden, zwischen hunderttausend und einer Million Kunden sowie mehr als eine Million Kunden. Von den 305 deutschen Mitgliedern gehören 241 zur ersten Kategorie, 53 zur zweiten und elf zur dritten.

Bei dieser starken Repräsentanz nimmt es nicht wunder, dass deutsche Kandidaten bei der Wahl des Verwaltungsrats in den beiden unteren Kategorien die meisten Stimmen erhielten: In der ersten war das Maik Wortmeier von der Netzgesellschaft Forst (Lausitz) mbH & Co. KG mit 25,47 Prozent. In der zweiten gelangte Patrick Wittenberg von der wesernetz Bremen GmbH mit 21,72 Prozent auf den ersten Platz.

In der dritten Kategorie mit über einer Million Netzkunden gestalteten sich die Mehrheitverhältnisse jedoch anders: Der deutsche Kandidat Torsten Maus von der EWE Netz GmbH gelangte hier mit 8,44 Prozent erst an sechster Stelle in das Leitungsgremium. Das hat wohl damit zu tun, dass nur elf deutsche Mitglieder dieser Größenklasse angehören. Außerdem gibt es in Frankreich, Italien oder Polen noch größere Verteilnetzbetreiber. Zum Beispiel verfügt die EDF-Tochter Enedis über gut achtmal soviele Kunden wie die E.ON-Tochter Westnetz, die mit 4,5 Millionen Kunden der absolute Platzhirsch unter den deutschen Verteilnetzbetreibern ist.

Der E.ON-Konzern gelangte aber ebenfalls zum Zuge. Er verfügt nämlich in Ungarn über drei Verteilnetzbetreiber mit 3,6 Millionen Kunden. Damit hat er in diesem kleinen Land nicht viel weniger Netznutzer als seine Tochter Westnetz in Deutschland. Mit Johan Mörnstam von der E.ON Észak-dunántúli Áramhálózati Zrt. belegte er deshalb in der Vorstands-Kategorie "mehr als eine Million Kunden" den dritten Platz – nach den Kandidaten aus Italien und Frankreich und zwei Plätze vor der EWE.

Enge Zusammenarbeit mit Übertragungsnetzbetreibern und ENTSO-E

Die neue Europäische Organisation für Verteilernetzbetreiber (EU-VNBO) heisst auf englisch "European Entity for Distribution System Operators (EU DSO Entity)". Sie ergänzt den Dachverband der Übertragungsnetzbetreiber, der als "European Network of Transmission System Operators für Electricity" (ENTSO-E) bereits vor zwölf Jahren gegründet wurde (090207) und den Vorgängerverband "Association of European Transmission System Operators" (ETSO) ablöste (990730). Der Anstoß zur Gründung kam von der EU-Kommission, die Ende 2016 mit ihrem umfangreichen "Winterpaket" einen entsprechenden Vorschlag machte (PDF). Dieser wurde dann im Juni 2019 mit der neuen EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnemarkt (PDF) und der EU-Verordnung 2019/943 zum Elektrizitätsbinnenmarkt (PDF) umgesetzt.

Wie es in Punkt 60 der einleitenden Begründungen zur EU-Verordnung heißt, dient die EU-VNBO dem Zweck, "die Effizienz der Stromverteilernetze in der Union zu steigern und die enge Zusammenarbeit mit den Übertragungsnetzbetreibern und ENTSO (Strom) sicherzustellen". Unter anderem sollen so Leitlinien "zur Integration der dezentralen Erzeugung und Energiespeicherung in die Verteilernetze oder zu anderen mit dem Management der Verteilernetze zusammenhängenden Bereichen" erarbeitet werden. Ferner soll die EU-VNBO "auch den Eigenheiten von Verteilersystemen Rechnung tragen, die nachgelagert mit Stromsystemen auf Inseln verbunden sind, die nicht über Verbindungsleitungen an andere Stromsysteme angebunden sind".

Anzahl der Stimmrechte richtet sich nach Anzahl der Kunden

Die Bestimmungen zum "Verteilernetzbetrieb" sind in Kapitel IV der EU-Verordnung enthalten. Demnach arbeiten die Verteilernetzbetreiber "auf Unionsebene im Rahmen der EU-VNBO zusammen, um die Vollendung und das Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts sowie die optimale Verwaltung und den koordinierten Betrieb der Verteiler- und Übertragungsnetze zu fördern". Sie haben das Recht, aber nicht die Pflicht, eingetragene Mitglieder dieser Organisation zu werden. Als eingetragene Mitglieder können sie entweder selbst in der EU-VNBO mitarbeiten oder sich von einem Verband vertreten lassen, der auf nationaler Ebene oder unionsweit tätig ist. Die Mitglieder der EU-VNBO müssen "einen fairen und angemessenen Mitgliedsbeitrag bezahlen, der die Anzahl der an den betreffenden Verteilernetzbetreiber angeschlossenen Kunden widerspiegelt".

Nach Artikel 53 besteht die EU-VNBO "mindestens aus einer Generalversammlung, einem Verwaltungsrat, einer Strategieberatungsgruppe, Sachverständigengruppen und einem Generalsekretär". Nach Artikel 54 verfügt in der Generalversammlung jedes Mitglied über eine bestimmte Anzahl von Stimmen, "die der jeweiligen Kundenzahl entspricht". Beschlüsse gelten als angenommen, wenn für sie 65 Prozent der auf die Mitglieder der Generalversammlung entfallenden Stimmen abgegeben werden. Zugleich müssen aber auch mindestens 55 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für den Beschluss votiert haben. Große Verteilnetzbetreiber haben also mehr Gewicht als kleine, doch hält sich ihre Dominanz in Grenzen.

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