Februar 2021

210203

ENERGIE-CHRONIK


Regulierung von Wasserstoffnetzen soll separat erfolgen und freiwillig sein

Die Bundesregierung hat am 10. Februar den Entwurf eines "Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht" beschlossen und dem Bundestag zugeleitet. Neben zahlreichen weiteren Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes (210204, 210205, 210206) enthält er den neu eingefügten Abschnitt 3b mit acht Paragraphen zur "Regulierung von Wasserstoffnetzen". Die Vision eines bundesweiten Wasserstoffnetzes, mit der die Gasnetzbetreiber vor einem Jahr publikumswirksam vorgeprescht sind (200106), wird damit auch vom Gesetzgeber aufgegriffen. Zum Leidwesen der Gasnetzbetreiber und ihrer Lobby ist aber kein gemeinsamer Regulierungrahmen vorgesehen, der eine Quersubventionierung zwischen Wasserstoff- und Erdgasnetzen ermöglichen würde. Stattdessen wird den Betreibern von Wasserstoff-Leitungen angeboten, freiwillig einer Regulierung beizutreten, die vor allem eine diskriminierungsfreie Netznutzung ermöglichen soll, aber die Kosten des Leitungsbaues erst mal ausklammert und einer gesonderten Förderregelung überlässt.

"Grundsätzlich andere Ausgangslage als bei der Regulierung der Strom- und Gasnetze"

In der Begründung des Gesetzentwurfs wird festgestellt, dass es in Deutschland bisher keine ausgeprägte Infrastruktur für Wasserstoff gibt. Die vereinzelt vorhandenen reinen Wasserstoffleitungen unterlägen keiner Regulierung, sondern dem allgemeinen Kartellrecht. Die Ausgangslage sei damit grundsätzlich eine andere als bei der Öffnung der Märkte für die leitungsgebundene Versorgung mit Strom und Gas im Jahr 1998 (980401) oder bei der Einführung der Regulierung der Strom- und Gasversorgungsnetze im Jahr 2005 (050701). Es könne deshalb der Einschätzung der Betreiber von bestehenden oder geplanten Wasserstoff-Leitungenüberlassen bleiben, ob sie ihr Geschäftsmodell durch einen Rechtsrahmen unterstützt sehen möchten, der insbesondere den diskriminierungsfreien Zugang potenzieller Nutzer absichert. Die Finanzierung der neuen Wasserstoff-Infrastruktur sei dabei nicht Bestandteil der Regulierung, sondern werde "Gegenstand eigenständiger Förderinstrumente sein, die bereits in Vorbereitung sind und die Netzentgelte für Wasserstoff in einen für die Nutzer tragbaren Bereich bringen".

Förderbescheid der Bundesregierung erleichtert "positive Bedarfsprüfung"

Die Neuregelung verzichtet deshalb darauf, alle bestehenden oder künftigen Wasserstoffleitungen zwingend einer Regulierung zu unterwerfen. Gemäß § 28j müssen die Betreiber erst ausdrücklich ihr Einverständnis zur Einbeziehung in die vorgeschlagene Regulierung erklären. Voraussetzung ist ferner eine positive Bedarfsprüfung durch die Bundesnetzagentur nach § 28p, von der aber in der Regel auszugehen ist, wenn ein Förderbescheid nach den Kriterien der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ergangen ist. Dieser Bedarfsprüfung unterliegen nicht nur Neuanlagen, sondern auch bereits vorhandene Erdgasleitungen, die auf Wasserstoff umgerüstet werden sollen. Die einmal abgegebene Erklärung ist unwiderruflich.

Wasserstoff gilt als als selbstständige neue Energieform

Zur Enttäuschung der Netzbetreiber wird auch darauf verzichtet, den Sekundärenergieträger Wasserstoff einfach unter "Gas" zu subsumieren, indem dieser Begriff entsprechend erweitert wird. Die Begriffsbestimmungen in § 3 unterscheiden stattdessen zwischen Wasserstoffnetzen (Nr. 39a) und Gasversorgungsnetzen (Nr. 20). Wasserstoff fällt nur insoweit unter den Begriff Gas (Nr. 19a), als er einem Gasversorgungsnetz in der zulässigen Dosierung beigemischt wird, wie das schon bisher möglich ist. Der Begriff Energie (Nr. 14), der bisher nur Elektrizität und Gas umfasst, wird entsprechend erweitert und bezieht nun auch Wasserstoff als selbstständige neue Energieform mit ein, soweit er zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet wird.

"Kosten der Wasserstoff-Netze dürfen nicht den privaten Verbrauchern auferlegt werden"

Im Konsultationsverfahren, das dem Gesetzentwurf vorausging, begrüßte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) die vorgesehene Regelung zu den Wasserstoffnetzen. Damit würden die Kosten den tatsächlichen Nutzern auferlegt, die privaten Verbraucher nicht zusätzlich belastet und die Versorgungssicherheit für Erdgaskunden sichergestellt. Der Bedarf an Wasserstoff bestehe vordringlich bei der Industrie und einigen Anwendungen im Verkehrsbereich. Für die privaten Verbraucher spiele er heute und voraussichtlich auch in den kommenden Jahre keine Rolle. Sie würden in den nächsten Jahren keine größeren Mengen von Wasserstoff verbrauchen, für die ein Leitungsnetz erforderlich wäre. Deshalb dürften ihnen auch nicht Kosten auferlegt werden, die praktisch nur der Industrie zugute kommen. Der vzbv hob ferner hervor, dass die geplanten Netze größtenteils für Wasserstoff gedacht sind, der weiterhin in klimaschädlicher Weise aus Erdgas erzeugt wird. Die Verfügbarkeit an Wind- und Solarstrom zur Herstellung von "grünem" Wasserstoff sei dagegen bis auf weiteres sehr begrenzt. Unklar sei auch, wieweit sich die ersatzweise beabsichtigten Importe von grünem Wasserstoff aus Drittstaaten verwirklichen lassen.

Netzbetreiber, BDEW und VKU zeigen sich enttäuscht

Die Vereinigung der Fernleitungsbetreiber FNB Gas bedauerte erwartungsgemäß, "dass die Bundesregierung nicht dem Bundesrat sowie der breiten Mehrheit der Branche und der Industrie gefolgt ist, sondern in ihrem Gesetzentwurf eine strikte Trennung von Erdgas und Wasserstoff für die Übergangsregulierung vorsieht". Der Gesetzentwurf lasse die "zentrale Frage der Finanzierung ungeklärt und schafft damit nicht die nötige Investitionssicherheit für den Aufbau der Transportinfrastruktur für Wasserstoff". Ähnlich äußerten sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). "Eine solche zweigleisige Regulierung verhindert eine aufeinander abgestimmte Entwicklung von Gas- und Wasserstoffinfrastrukturen und setzt keinen verlässlichen Rahmen für Investoren und Marktteilnehmer", kritisierte der BDEW. Nach Ansicht des VKU wäre es mit "wenig regulatorischem Aufwand möglich, die bestehende und gut eingespielte Regulierung der Erdgasnetze auch auf Wasserstoffnetze zu übertragen. Eine Erweiterung des Gasbegriffs hätte dazu gereicht."

Betreiber von Erdgasspeichern loben den Gesetzentwurf

Die Betreiber von Erdgasspeichern sehen das allerdings ganz anders. Der vorgesehene Gesetzentwurf sei "eine großartige Nachricht für all diejenigen, die ernsthaft an einem schnellen Hochlauf des Wasserstoffmarktes arbeiten", erklärte der Geschäftsführer der Initiative Erdgasspeicher (INES), Sebastian Bleschke. Die Bundesregierung ermögliche damit "eine Überholspur für Wasserstoffnetze", hieß es in seiner Stellungnahme, die unüberhörbar einen ironischen Unterton hatte und deutlich machte, dass die Speicherbranche dem Konzept der Fernleitungsbetreiber mit großer Skepsis begegnet. Wenn sich ein Netzbetreiber gegen die freiwillige Regulierung entscheide, könne er nun "sogar ganz ohne Bedarfsprüfung und damit ohne Zeitverzug Wasserstoffnetze bauen".

Mit der strikten Trennung zwischen den Erdgas- und Wasserstoffnetzen stelle der Entwurf zudem effiziente Kosten sicher: "Sinkt der Erdgasabsatz in der Zukunft, würden die Kosten der Erdgasnetze den Hochlauf des Wasserstoffmarktes erheblich belasten. Das wäre nicht nur im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele problematisch, sondern entlässt die Erdgasnetzbetreiber aus der Pflicht, sich mit der abnehmenden Nutzung von Erdgasnetzen ernsthaft auseinanderzusetzen." Bei der nun anstehenden Ausarbeitung eines Netzentwicklungsplans Wasserstoff empfehle sein Verband, "die Vorschriften so auszugestalten, dass Netz- und Speicherbetreiber Infrastrukturen aus einem Guss entwickeln".

 

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