September 2020

200913

ENERGIE-CHRONIK


Großkraftwerk Mannheim muss Block 7 am Netz lassen

Das Großkraftwerk Mannheim (GKM) darf den Steinkohleblock 7 nicht stilllegen, sondern muss ihn vorerst mindestens bis Ende März 2025 am Netz lassen, weil er von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuft wird. Dies bestätigte das Unternehmen am 7. September auf Nachfrage von Medien, nachdem der örtliche "Mannheimer Morgen" darüber berichtet hatte. Das GKM muss nun mit dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW einen Netzreservevertrag abschließen. Der Block 7 darf dann nicht mehr zur kommerziellen Stromerzeugung verwendet werden, muss aber weiter betriebsbereit bleiben, damit er auf Anweisung des Netzbetreibers TransnetBW zur Aufrechterhaltung der Systemsicherheit eingesetzt werden kann. Das GKM bekommt dafür vom Netzbetreiber eine Entschädigung.

Übertragungsnetzbetreiber intervenierte bei Bundesnetzagentur

Die Stilllegung des Blocks mit einer Nettoleistung von 425 MW war schon seit längerem geplant. Allerdings hatte der Betreiber gegenüber der Bundesnetzagentur lediglich eine "geplante vorläufige Stilllegung in Form der saisonalen Stilllegung" angezeigt. Auf der zuletzt mit Stand vom 15. April veröffentlichten "Kraftwerksstilllegungsanzeigenliste" tauchte das Vorhaben deshalb noch ohne Sperrvermerk auf. Das änderte sich aber, nachdem das GKM mit Schreiben vom 13. Mai die endgültige Stilllegung des Blocks bis spätestens 12. Mai 2021 anzeigte und tags darauf der GKM-Aufsichtsrat auch einen entsprechenden förmlichen Beschluss fasste. Der zuständige Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW stellte daraufhin am 20. Mai den Antrag, den Block 7 als systemrelevant einzustufen, dem die Behörde mit Bescheid vom 3. August stattgab. Das GKM hatte keine grundsätzlichen Einwände gegen die beabsichtigte Einstufung, meldete aber Vorbehalte hinsichtlich der Anforderungen an, die in dem von TransnetBW formulierten Netzreservevertrag enthalten sein könnten. Anscheinend bezog sich das auf die Höhe der Entschädigung.

"Hinreichende Wahrscheinlichkeit" einer Systemgefährdung genügt

TransnetBW begründete den Antrag vor allem mit der jüngsten Systemanalyse der vier Übertragungsnetzbetreiber vom April dieses Jahres, aus der sich die Systemrelevanz des Blocks 7 im Sinne von § 13b Abs. 2 Satz 2 des Energiewirtschaftsgesetzes ergebe, weil er weiterhin für strombedingte Redispatch-Einsätze benötigt werde (siehe PDF). Die Behörde folgte dieser Ansicht und befand, dass ohne Vorhaltung dieser Kraftwerkskapazität eine Gefährdung der Systemsicherheit im Sinne von § 2 Abs.2 Satz 1 der Netzreserveverordnung zu befürchten sei. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, bedürfe es keines als sicher feststehenden Kausalzusammenhangs. Es reiche vielmehr aus, dass die Nichtverfügbarkeit des Kraftwerksblocks "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung des sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs führt."

Bis April wurden 27 Blöcke mit 7.135 MW als systemrelevant eingestuft

Nach zuletzt veröffentlichten Angaben der Bundesnetzagentur lagen ihr bis Mitte April dieses Jahres Stilllegungsanzeigen für 116 Kraftwerksblöcke mit einer Nettonennleistung von 24.050 MW vor. Die meisten betrafen 94 endgültige Stilllegungen im Umfang von 16.678 MW, wobei die Behörde 20 Blöcke mit 4.183 MW als systemrelevant einstufte und in zwei Fällen die Entscheidung noch offen war. Bei den restlichen 22 Anträgen handelte es sich um vorläufige bzw. saisonale Stilllegungen. Auch hier wurden die Betreiber von sieben Blöcken mit insgesamt 2.952 MW zum weiteren Betrieb der Anlagen verpflichtet. Tatsächlich endgültig stillgelegt wurden bis April 64 Blöcke mit 12.072 MW.

Ursprünglich verfügte das GKM über weniger als zwei Prozent seiner heutigen Leistung

Das Großkraftwerk Mannheim ist mit einer Bruttoleistung von 2.146 MW das größte Steinkohlekraftwerk in Deutschland, vor Moorburg mit 1.654 MW (200912), dem Rheinhafen-Dampfkraftwerk (RDK) in Karlsruhe (1.351 MW) und Datteln mit 1.100 MW (200515). Es wurde Anfang der zwanziger Jahre von den Pfalzwerken (Ludwigshafen), der Stadt Mannheim, der Badischen Landeselektrizitätsversorgung (Karlsruhe) und der Neckar AG (Stuttgart) gegründet. Heutige Eigentümer sind RWE (40 Prozent), Energie Baden-Württemberg (32 Prozent) und MVV (28 Prozent). Die erzeugten Strommengen sowie die installierte Fernwärmeleistung von rund 1.500 MW werden den Aktionären zum Selbstkostenpreis zuzüglich eines fest vereinbarten Gewinnaufschlags überlassen.

Als das GKM 1923 den Betrieb aufnahm, bewegte sich alles noch in wesentlich bescheideneren Dimensionen, obwohl es schon damals eines der größten deutschen Kraftwerke war: Seine drei Steinkohleblöcke brachten es mit insgesamt 37,5 MW auf weniger als zwei Prozent der heutigen Leistung. Neben diesem Stammwerk, das 1983 stillgelegt wurde, gingen von 1954 bis 1993 die Blöcke 1 bis 8 ans Netz. Die in den siebziger Jahren errichteten Blöcke 5 und 6 wurden jedoch nicht mit Steinkohle, sondern mit Öl oder Gas betrieben. Nach der Liberalisierung des Strommarktes wurde Block 5 stillgelegt und Block 6 auf Steinkohle umgerüstet. Die installierte Gesamtleistung sank dadurch von 2.125 auf 1.675 MW. Mit der 2015 erfolgten Inbetriebnahme des Blocks 9 (150514) stieg sie wieder auf 2.146 MW, obwohl nun auch die Blöcke 3 und 4 abgeschaltet wurden. Die Nettoleistung der seitdem am Netz befindlichen Blöcke 6, 7, 8 und 9 beträgt 1.958 MW, wovon 310 MW für die Erzeugung von einphasigem Bahnstrom verwendet werden können.

 

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