August 2020

200804

ENERGIE-CHRONIK


Eilantrag gegen Kohleausstiegsgesetz abgelehnt

Das Bundesverfassungsgericht hat am 18. August den Antrag des Kraftwerksbetreibers Steag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Kohleausstiegsgesetz abgelehnt. Der Erste Senat begründete diese Entscheidung damit, dass eine Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin von vornherein unzulässig wäre, weil sich diese als gemischtwirtschaftliches Unternehmen, an dem die öffentliche Hand mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Grundrechte berufen könne. Entgegen der Einschätzung der Antragstellerin gebe die Charta der Grundrechte der Europäischen Union hier keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die Steag gehört seit 2011 mehrheitlich den sechs Stadtwerken Dortmund, Essen, Bochum, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken (101203), die 2014 auch die restlichen Anteile übernahmen (140814).

Der Eilantrag richtete sich gegen das Ausschreibungsvolumen und die Höhe des Steinkohlezuschlags nach dem vom Bundestag am 2. Juli beschlossenen Kohleausstiegsgesetz (200701), welches am 14. August in Kraft trat und mit dem die Kohleverstromung in Deutschland bis 2038 schrittweise reduziert und beendet werden soll. Die Steag wollte noch vor der am 1. September stattfindenden ersten Auktion zur Stilllegung von Steinkohleblöcken eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens um rund zwanzig Prozent erreichen. Ferner wollte sie durch das Bundesverfassungsgericht feststellen lassen, dass die Zuschläge hinsichtlich ihrer Höhe nur vorläufig sind und ihre Angemessenheit in einem späteren Klageverfahren überprüft werden kann (200701). Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde sollte nachgereicht werden.

"Charta der Grundrechte der Europäischen Union" gilt in diesem Fall nicht

Der Steag war bei der Einreichung ihres Antrags wohl bewußt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogenannte gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mehr als 50 Prozent hält, sich nicht nach Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes auf die materiellen Grundrechte berufen können. Sie hatte aber anscheinend gehofft, eine Relativierung dieser Rechtsprechung durch Berufung auf die "Charta der Grundrechte der Europäischen Union" erreichen zu können, die in Artikel 47 jedermann das "Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht" zusichert. Hier war der Erste Senat aber anderer Ansicht, weil das Kohleausstiegsgesetz nicht als Durchführung von Unionsrecht anzusehen sei. Der Anwendungsbereich der erwähnten Charta gilt nämlich laut ihrem Artikel 51 "ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union".

Herbe Enttäuschung für Steag

Da die Ablehnung des Eilantrags aus formalen Gründen erfolgte, sei die Frage der Verfassungskonformität des Kohleausstiegsgesetzes überhaupt nicht geprüft worden, erklärte der Vorsitzende der Steag-Geschäftsführung, Joachim Rumstadt. Für die Steag sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "eine herbe Enttäuschung". Er unterstrich, dass sein finanziell angeschlagenes Unternehmen das Kohleausstiegsgesetz nicht verhindern wolle, sondern mit dem vorgesehenen Verfahren zur Entschädigung unzufrieden sei: "Wir akzeptieren den politischen und gesellschaftlichen Willen, in Deutschland künftig auf den Energieträger Kohle zu verzichten. Wir kritisieren jedoch die mangelhafte Art und Weise, wie der Kohleausstieg umgesetzt wird."

 

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