April 2019

190411

ENERGIE-CHRONIK


Neue Runde im Streit um die Berliner Gasversorgung

Der seit fünf Jahren andauernde Streit um die Konzessionsvergabe für das Berliner Gasnetz geht in eine neue Runde: In einer am 4. April veröffentlichten Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht Berlin die Ungültigkeit der Konzessionsvergabe an das landeseigene Unternehmen Berlin Energie, die der Senat im Juni 2014 vorgenommen hatte (140604). Zugleich lehnte es aber auch den Antrag der bisherigen Netzbetreiberin Gasag ab, ihr die Konzession zu übertragen. Eine Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Im wesentlichen bestätigte aber das Oberlandesgericht – das in Berlin Kammergericht heißt – ein am 9. Dezember 2014 ergangenes Urteil des Landgerichts, gegen das sowohl der Senat als auch die Gasag Berufung eingelegt hatten (141209).

Der Senat will nach Vorliegen der Entscheidungsgründe prüfen, ob er gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegt. Er wertete die Gerichtsentscheidung insoweit als positiv, als der Antrag der Gasag abgelehnt wurde, ihr die Konzession zuzusprechen. Im übrigen bereitet er sich darauf vor, die Konzessionsvergabe neu aufzurollen. Das Gericht habe "entsprechend den zwischenzeitlich ergangenen Vorgaben der Rechtsprechung an die Durchführung des Verfahrens Anforderungen gestellt, die das Land Berlin bei der Neudurchführung des Gaskonzessionsverfahrens berücksichtigen wird".

Aus Sicht der Gasag bestätigt das Urteil, dass sie das beste Angebot abgegeben habe und am besten geeignet sei, das Berliner Gasnetz weiter zu betreiben. "Über das Berliner Gasnetz versorgen wir seit nunmehr über 172 Jahren die Berlinerinnen und Berliner zuverlässig, kosteneffizient und sicher mit Energie," betonte ein Unternehmenssprecher. Dass die 1847 gegründete Gasag 147 Jahre lang der Stadt Berlin gehört hatte, bevor sie ab 1994 ohne Not privatisiert wurde (940212, 980209), erwähnte er wohlweislich nicht.

Die landeseigene Berlin Energie erfüllt inzwischen die Voraussetzungen eines kommunalen Eigenbetriebs

Die seinerzeitige Berliner Landesregierung unter Klaus Wowereit (SPD) hatte sich bei der Rekommunalisierung der Energieversorgung äußerst ungeschickt angestellt. Die neue Berlin Energie, der sie anstelle der Gasag die Konzession übertrug, war lediglich eine Mini-Abteilung der Senatsverwaltung, die zur Übernahme des Netzbetriebs gar nicht fähig gewesen wäre. Hinter der dürftigen Ausstattung steckte die vernünftige Überlegung, von der Gasag sowohl das Netz als auch das gesamte Betriebspersonal zu übernehmen. Juristisch war das Konzept aber mangelhaft. Das Landgericht erklärte dann auch die Konzessionsvergabe schon deshalb für unwirksam, weil die Berlin Energie kein Eigenbetrieb im Sinne von § 46 Abs. 4 des Energiewirtschaftsgesetzes sei und begründete Zweifel an der Bieterfähigkeit bestünden. Außerdem beanstandete es Mängel des Vergabeverfahrens.

In dem von beiden Seiten angestrengten Berufungsverfahren musste das Oberlandesgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Berlin Energie neben dem Senat als Beteiligte bzw. Streithelfer zuzulassen sei. Mit Beschluss vom 31. August 2015 befand es, dass es ihr an der erforderlichen prozessualen Parteifähigkeit für eine solche "Nebenintervention" mangele. Eine dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18. Oktober 2016 zurück. Damit verkleinerte sich der Kreis der Prozessbeteiligten auf den Senat und die Gasag mit deren Netztochter NBB.

Im Unterschied zum Landgericht bezweifelte der Bundesgerichtshof indessen nicht, dass Berlin Energie die Voraussetzungen eines Eigenbetriebs erfüllt. Inzwischen war nämlich die 2012 entstandene Senatsabteilung durch Beschluss des Abgeordnetenhauses mit einer Satzung versehen und förmlich zum kommunalen Eigenbetrieb mit einem Stammkapital von 500.000 Euro ernannt worden. Auf dieser neuen Grundlage hat der Senat am 5. März die Konzession für das Berliner Stromnetz diesem Eigenbetrieb zu übertragen, ohne eine formale Angriffsfläche zu bieten (190313). Die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin wird deshalb diesen Beschluss nur erfolgreich anfechten können, wenn sie sachliche Mängel beim Vergabeverfahren nachweist.

 

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