Juni 2018

180614

ENERGIE-CHRONIK


Experten verweisen auf Schwachpunkte des Energiewende-Berichts

Das Bundeskabinett beschloss am 27. Juni den sechsten Monitoring-Bericht zur Energiewende, der seit 2011 jährlich vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt und durch die Stellungnahme einer Expertenkommission ergänzt wird (111015). Der Bericht gibt einen Überblick zum Stand der Energiewende im Jahr 2016. Zum Beispiel konstatiert er, dass im Berichtsjahr der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung auf 31,6 Prozent gestiegen sei. Eigentlich hätte er schon 2017 erscheinen sollen, was aber an den Bundestagswahlen und der langwierigen Regierungsbildung scheiterte.

Wie üblich, enthält der Bericht keine besonderen Neuigkeiten oder tiefschürfenden Erkenntnisse, sondern ist als regierungsamtliche Erfolgsbilanz angelegt. Ergiebiger ist deshalb die Stellungnahme der vier Experten Andreas Löschel (Uni Münster), Georg Erdmann (TU Berlin), Frithjof Staiß (ZSW) und Hans-Joachim Ziesing (AGEB), die wie im Vorjahr (161206) moderate Kritik an einzelnen Punkten üben und damit die Schwächen des Berichts deutlich werden lassen.

Minderungsziel für Treibhausgase wird deutlich verfehlt

Zum Beispiel stellen die Experten fest, "dass in einigen Bereichen ein erheblicher Handlungsbedarf zur Erreichung der Energiewendeziele besteht". Die Energiewende komme nicht auf allen Feldern wie gewünscht voran. Zwar seien sowohl der Ausbau der Erneuerbaren als auch der Ausstieg aus der Kernenergie auf einem guten Weg. "Das Oberziel der Energiewende, die Minderung der Treibhausgase, wird aber bis zum Jahr 2020 wohl deutlich verfehlt werden."

Energieproduktivität bleibt weiter hinter Erwartungen zurück

Den guten Fortschritten bei den erneuerbaren Energien stünden "erhebliche Defizite bei der Steigerung der Energieeffizienz" gegenüber. Die Energieproduktivität müsste noch um das Vierfache gesteigert werden, um bis 2020 den Primärenergieverbrauch um 20 Prozent gegenüber 2008 zu senken, wie in dem 2010 beschlossenen Energiekonzept der Bundesregierung als Zielwert proklamiert wurde (100902).

Spezifischer Spritverbrauch der Autos seit Jahren unverändert

Vor allem im Verkehrssektor gingen die Entwicklungen in die falsche Richtung. Die wichtigsten Treiber des zunehmenden Energieverbrauchs und der wachsenden Emissionen im motorisierten Individualverkehr seien die stetig steigende Zahl an Fahrzeugen und damit verbunden die steigende Gesamtfahrleistung. Dabei stagniere schon seit Jahren der durchschnittliche spezifische Energieverbrauch der Pkw mitsamt den dadurch verursachten spezifischen CO2-Emissionen.

Große Defizite beim Ausbau der Stromnetze

Während die Bundesregierung die Stromversorgung als rundum sicher betrachtet, sieht die Expertenkommission bei der Versorgungssicherheit durchaus Probleme. Zwar seien nach wie vor nur sehr geringe Versorgungsausfälle zu verzeichnen. Indessen würden sich große Defizite beim Ausbau der Stromnetze abzeichnen. Die vor neun Jahren beschlossenen EnLAG-Projekte (090506) lägen mit ca. 750 fertiggestellten Kilometern nach dem ersten Quartal 2018 rund 840 Kilometer hinter dem ursprünglichen Zielpfad zurück. Bei den Ausbauvorhaben des Bundesbedarfsplangesetzes (151002) sei der Rückstand noch deutlicher. Hier waren für Ende 2017 ursprünglich 1.435 fertiggestellte Leitungskilometer geplant. Tatsächlich fertiggestellt wurden bis zum ersten Quartal 2018 aber erst 150 Kilometer.

Versorgungssicherheit zumindest "perspektivisch" bedroht

"Noch können die kritischen Netzsituationen durch kostenintensive Systemdienstleistungen behoben werden", geben die vier Experten zu bedenken. "Ohne ein entschlosseneres Vorankommen beim Netzausbau gefährdet die Bundesregierung aber die Ziele beim Ausbau erneuerbarer Stromerzeugungsanlagen und riskiert perspektivisch versorgungskritische Situationen." Hinzu lasse der neue Regulierungsrahmen noch keine kohärente Strategie für Speicher erkennen. Damit Speicher mittel- bis langfristig wieder eine größere Rolle im deutschen Stromsystem spielen, müsse die Bundesregierung entsprechend aktiv werden. Hinzu empfehle man, neue Pumpspeicher nicht mehr gegenüber Altanlagen zu bevorzugen.

Zuwenig genehmigte Projekte für geplante Wind-Ausschreibungen

Die im Koalitionsvertrag angekündigten Sonderausschreibungen in Höhe von vier Gigawatt für Windenergie an Land (180206) werfen nach Ansicht der Experten die Frage auf, ob die vorgesehenen Mengen bei ausreichendem Wettbewerb bezuschlagt werden können. Derzeit lägen nämlich lediglich Genehmigungen für 1,2 Gigawatt vor. Das entspreche noch nicht einmal der Hälfte des für 2018 regulär vorgesehenen Ausschreibungsvolumens. Dagegen dürften bei der Photovoltaik genügend Projekte verfügbar sein, um das Ausschreibungsvolumen mit genügend Wettbewerb füllen zu können, denn im Jahr 2017 wurden für 600 MW Ausschreibungsvolumen insgesamt fast 1,8 GW Gebote abgegeben.

 

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