Stromspeicherung mit Wasserstoff stößt in großtechnische Bereiche vor

April 2018

180409

ENERGIE-CHRONIK


Stromspeicherung mit Wasserstoff stößt in großtechnische Bereiche vor

Das Projektkonsortium "H2Future" begann am 16. April in Linz mit dem Bau einer Pilotanlage zur Gewinnung von Wasserstoff per Elektrolyse, die mit einer Anschlussleistung von sechs Megawatt stündlich 1.200 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde erzeugen kann. Mit einem angestrebten Wirkungsgrad von 80 Prozent würde sie eine ähnlich dimensionierte Anlage übertreffen, die vor knapp drei Jahren im "Energiepark Mainz" eingeweiht wurde und bisher als weltweit größter Wasser-Elektrolyseur gilt. Die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff stößt mit solchen Anlagen in großtechnische Bereiche vor, was ihr in naher Zukunft einen bedeutenden oder sogar den ersten Platz unter den verfügbaren Technologien zur "Speicherung" von Strom sichern könnte. 

EU-Kommission trägt zwei Drittel der Kosten

Die Pilotanlage wird auf dem Gelände des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine errichtet, der in Linz seinen Sitz hat und im Rahmen des Projekts die Möglichkeiten zur Verwendung und Vermarktung des erzeugten Wasserstoffs untersuchen will. Zu den sechs Mitgliedern des Konsortiums gehören ferner Siemens, der österreichische Wasserkraft-Großstromerzeuger Verbund, der Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid und zwei wissenschaftliche Einrichtungen. Die Anlage soll bis Frühjahr 2019 in Betrieb gehen. Das Projekt erfordert etwa 18 Millionen Euro über eine Laufzeit von viereinhalb Jahren. Rund zwei Drittel davon stammen aus Fördermitteln der Europäischen Kommission.

Verbesserter Membran-Elektrolyseur erweitert Leistungsbereich

Herzstück der Pilotanlage sind drei PEM-Elektrolysemodule ("Proton Exchange Membrane") von Siemens. Im Unterschied zur konventionellen Wasser-Elektrolyse, auf die sich frühere stromwirtschaftliche Pilotprojekte beschränkten (981124, 940513), erfolgt bei der PEM-Membrantechnik die Zerlegung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff mittels einer protonenleitenden Ionenaustauschermembran. Der energetische Wirkungsgrad beider Verfahren ist ähnlich. Darüber hinaus verfügt die Membrantechnik aber über etliche Vorteile. Zum Beispiel wird der alkalisch-wäßrige Elektrolyt durch pures Wasser ersetzt. 

Das Verfahren ist im Prinzip schon lange bekannt. Seine praktische Anwendung litt allerdings darunter, dass es sich nur mit relativ bescheidenen Leistungen verwirklichen ließ. Der Einsatzbereich der verfügbaren Anlagen endete deshalb bei etwa hundert Kilowatt. Dank einer verbesserten Membran-Technologie ist es inzwischen  gelungen, die bei höheren Leistungen auftretenden Materialprobleme zu überwinden und in den Megawatt-Bereich vorzustoßen. 

Forschungsprojekt "Energiepark Mainz" wird weitergeführt

Das von Siemens entwickelte System hat sich bereits in einer Anlage bewährt, die am 6. Juli 2015 im "Energiepark Main" eingeweiht wurde. Träger des Forschungsprojekts sind hier die Stadtwerke Mainz, die Unternehmen Linde und Siemens sowie die Hochschule Rhein. Die Investitionen von etwa 17 Millionen Euro wurden zur Hälfte vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen der "Förderinitiative Energiespeicher" bereitgestellt. Im März unterzeichneten die Stadtwerke Mainz und Linde einen Vertrag über die langfristige Fortführung des Forschungsprojekts.

Die Mainzer Anlage besteht aus drei Siemens-Elektrolyseuren vom Typ SILYZER 200, die mittels der PEM-Technologie destilliertes Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen. Die Spitzenleistung beträgt  jeweils bis zu zwei Megawatt. Zusammen können die drei Module stündlich bis zu tausend Kubikmeter hochreinen Wasserstoff erzeugen. Abnehmer sind Industrieverbraucher, Wasserstoff-Tankstellen und die Stadtwerke Mainz, die einen Teil des produzierten Wasserstoffs über eine Stichleitung dem Erdgas beimischen, mit dem der Stadtteil Mainz-Ebersheim versorgt wird.

Bisher wird der weltweite Bedarf an Wasserstoff fast nur aus Erdgas, Öl und Kohle gewonnen

Wasserstoff ist ein wichtiger Chemie-Rohstoff, der vor allem zur Ammoniak-Synthese und zur Verarbeitung von Rohöl benötigt wird. Weltweit werden derzeit jährlich über 600 Milliarden Kubikmeter erzeugt und verbraucht. Die Gewinnung erfolgt aber zu mehr als 95 Prozent durch Kohlenstoff-Reduktion aus Erdgas, Öl oder Kohle. Das belastet die Umwelt mit CO2-Emissionen und verschlingt unersetzliche Ressourcen. Mittels Elektrolyse werden nur kleine Mengen erzeugt, zum Beispiel dann, wenn der Wasserstoff besonders rein sein muss. Die relativ hohen Kosten der Elektrolyse sind auch der Hauptgrund, weshalb Wasserstoff bisher kaum als reiner Energieträger bzw. "Stromspeicher" verwendet wird.

Wasserstoff ist das häufigste Element im Weltall, kommt aber auf der Erde wegen seiner Reaktionsfreudigkeit nur in Verbindungen vor. Die wichtigste ist die Verbindung von zwei Wasserstoff-Atomen und einem Sauerstoff-Atom zu Wasser (H2O), die sich mittels Elektrolyse rückgängig machen lässt. Elektrolytisch erzeugter Wasserstoff gilt als der sauberste Brennstoff und idealer Energieträger, da er sich mittels Brennstoffzellen wieder in Strom umwandeln lässt, wobei als Abfallprodukt lediglich Wasser entsteht. Er kann aber auch – ähnlich wie Erdgas – für Verbrennungsmotoren oder andere Zwecke verwendet werden. Das Leucht- bzw. Stadtgas, mit dem bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gekocht und geheizt wurde, bestand ungefähr zur Hälfte aus Wasserstoff.

 

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