Januar 2017

170105

ENERGIE-CHRONIK


 


Die hier genannten Netzentgelte sind bundesweite Durchschnittswerte. In der Praxis ist die Belastung der drei Verbrauchergruppen je nach Region unterschiedlich. Bei Haushalten differieren die tatsächlich verlangten Netzentgelte um mehr als fünf Cent und bei Industriekunden um mehr als zwei Cent. Die überfällige Vereinheitlichung der Netzentgelte kommt auch mit dem jetzt vom Kabinett gebilligten "Netzentgeltmodernisierungsgesetz" nicht zustande.

Industrie und Netzbetreiber fordern Vereinheitlichung der Übertragungs-Netzentgelte

Das Bundeskabinett hat am 25. Januar dem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel vorgelegten Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz – NEMoG) zugestimmt. Wie vorgesehen, wird die Belastung der Stromverbraucher mit den Zahlungen für "vermiedene Netzentgelte" erst 2030 auslaufen (161110). Gegenüber dem Referentenentwurf vom November vorigen Jahres enthält die neue Fassung aber noch eine weitere Verschlechterung, indem eine ursprünglich vorgesehene Verordnungsermächtigung zur Vereinheitlichung der Übertragungs-Netzentgelte gestrichen wurde. Dies hat zahlreiche Industrieunternehmen, Netzbetreiber und Verbände zu einem Protestbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel veranlaßt. Darin verlangen sie, "eine politische Lösung für die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für die Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte in dieser Legislaturperiode herbeizuführen".

Das vom 23. Januar datierte Schreiben wurde von rund hundert Unternehmen und Verbänden bzw. deren leitenden Mitarbeitern unterzeichnet. Neben typischen Großstromverbrauchern gehören dazu auch die beiden Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und TenneT sowie etliche regionale und lokale Verteilnetzbetreiber. Die zwei Tage später erfolgte Billigung des Gesetzentwurfs durch das Kabinett wurde damit zwar nicht verhindert; es könnte aber noch zu Änderungen durch den Wirtschaftsausschuß kommen, bevor das Gesetz vom Bundestag verabschiedet wird.

In der nun dem Parlament zugeleiteten Fassung sieht der Gesetzentwurf nur noch eine bundesweite Umlegung jener Kosten vor, die sich aus den "vermiedenen Netzentgelten" für die Einspeisung von Windkraft- und Solaranlagen ergeben und die einige Bundesländer in besonderem Maße belasten. Entfallen ist dagegen eine geplante Verordnungsermächtigung in § 24 des Energiewirtschaftsgesetzes, die eine generelle Vereinheitlichung der Netzentgelte zumindest auf der Übertragungsebene ermöglicht hätte. Sie sah vor, daß "die Grundlagen für die Ermittlung der Entgelte für den Zugang zu den Übertragungsnetzen getrennt für jeden Übertragungsnetzbetreiber kostenorientiert nach § 21a ermittelt werden, aber die Höhe der Entgelte für den Zugang zu den Übertragungsnetzen auf dieser Grundlage bundeseinheitlich bestimmt und daraus folgende Mehr- oder Mindererlöse der Übertragungsnetzbetreiber durch eine finanzielle Verrechnung zwischen ihnen ausgeglichen und bundesweit umgelegt werden und der bundeseinheitliche Mechanismus hierfür näher ausgestaltet wird".

Von der Umsetzung dieser Verordnungsermächtigung hätten standortbenachteiligte Großstromverbraucher in besonderem Maße profitiert, da sie ihren Bedarf aus dem Hochspannungs- oder sogar Höchstspannungsnetz decken. Bei Haushalten und anderen Kleinverbrauchern machen dagegen die Netzentgelte für das Übertragungsnetz nur drei bis vier Prozent am Gesamtstrompreis aus, während die Kosten für das untergelagerte Verteilnetz mit etwa 16 bis 17 Prozent ungleich mehr zu Buche schlagen.

Unklar bleibt, weshalb Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) sein ohnehin klägliches "Netzentgeltmodernisierungsgesetz" auch in diesem Punkt noch entschärft hat. Am häufigsten wurde der Verdacht geäußert, dies sei mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen erfolgt: Gabriel wolle den erwarteten Stimmenrückgang der SPD nicht noch verstärken, weil eine bundesweite Vereinheitlichung der Übertragungs-Netzentgelte einen Anstieg in diesem Bundesland zur Folge hätte. Allerdings käme die Vereinheitlichung bis zur Wahl ohnehin nicht zustande. Die CDU würde sich wahrscheinlich auch hüten, aus einer Entscheidung der unionsgeführten schwarz-roten Koalition in Berlin politischen Honig für den Landtagswahlkampf saugen zu wollen.

Obwohl der Gesetzentwurf die Zahlungen für "vermiedene Netzentgelte" nur sehr zaghaft und langfristig abschaffen will, rührte sich auch von dieser Seite Protest: Zum Beispiel möchte der kommunalen Thüga-Konzern nicht auf dieses Zubrot für seine (Block)Heizkraftwerke verzichten. "Die vermiedenen Netzentgelte sind ein wichtiges Finanzierungsinstrument für den Erhalt und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung", hieß es in einer Thüga-Stellungnahme vom 16. Januar.

 

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