Juli 2016

160711

ENERGIE-CHRONIK


EnBW beantragt die Stillegung ihrer beiden letzten Reaktoren

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat am 18. Juli die Genehmigungen für die Stillegung und den Abbau ihrer beiden letzten Kernkraftwerke beantragt. Es handelt sich um den Block 2 im Kernkraftwerk Philippsburg, der nach dem Atomgesetz noch bis Ende 2019 laufen darf, und um den Block 2 im Kernkraftwerk Neckarwestheim (GKM), der erst Ende 2022 abgeschaltet werden muß. Beide Blöcke zusammen decken derzeit noch etwa ein Drittel des Strombedarfs in Baden-Württemberg.

Mit der frühzeitigen Antragsstellung will die EnBW erreichen, bereits bei der endgültigen Abschaltung der Anlagen im Besitz einer Stillegungs- und Abbaugenehmigung zu sein und so unmittelbar mit dem Rückbau der Anlagen beginnen zu können. In der Vergangenheit hätten vergleichbare Genehmigungsverfahren drei bis vier Jahre gedauert.

"Fünf Jahre nach der Energiewende im Jahr 2011 sind nun alle fünf Kernkraftwerke der EnBW formal in den Rückbauprozeß eingebunden", erklärte der Chef der EnBW Kernkraft GmbH (EKK), Jörg Michels. "Damit unterstreichen wir, daß wir es mit der konsequenten Umsetzung der Energiewende ernst meinen und Klarheit für alle Beteiligten schaffen." In Obrigheim sei die Demontage des dortigen Kernkraftwerks bereits weit vorangeschritten. Der Beginn des Rückbaus der abgeschalteten Blöcke Philippsburg 1 (KKP 1) und Neckarwestheim I (GKN I) rücke näher, denn die erforderlichen Genehmigungen würden im Laufe des zweiten Halbjahrs 2016 erwartet.

Von fünf Reaktoren sind drei bereits stillgelegt

Die EnBW besitzt an drei Standorten insgesamt fünf Reaktoren, von denen drei bereits stillgelegt sind. Die Reaktoren in Philippsburg und Obrigheim hat sie bei ihrer Gründung im Jahre 1997 (970504) von den beiden Vorgänger-Unternehmen Energie-Versorgung Schwaben (EVS) und Badenwerk übernommen. Durch die Einverleibung der Neckarwerke Stuttgart (030807, 970706) wurde sie dann auch mehrheitlicher Eigentümer der beiden Blöcke in Neckarwestheim:

Kernkraftwerke Typ Elektr. Leistung
(netto) MW
Jahr der Inbetriebnahme Auftragnehmer Auftraggeber
GKN–1 Kernkraftwerk Neckarwestheim 1 DWR 785
1976
KWU
Deutsche Bundesbahn, Neckarwerke Elektrizitätsversorgungs-AG, Technische Werke der Stadt Stuttgart AG, Württembergisches Portland-Cement-Werk zu Lauffen a.N.
GKN–2 Kernkraftwerk Neckarwestheim 2 DWR 1225
1988
KWU
Neckarwerke Elektrizitätsversorgungs-AG (39%), Technische Werke der Stadt Stuttgart AG (21%), Deutsche Bundesbahn (17%), Energie-Versorgung Schwaben AG (20%), Zementwerk Lauffen – Elektrizitätswerks Heilbronn (3%)
KKP–1 Kernkraftwerk Philippsburg 1 SWR 864
1979
KWU
Badenwerk AG (50%), Energie-Versorgung Schwaben AG (50%)
KKP–2 Kernkraftwerk Philippsburg 2 DWR 1268
1984
KWU
Badenwerk AG (50%), Energie-Versorgung Schwaben AG (50%)
KWO Kernkraftwerk Obrigheim DWR 340
1968
Siemens AG Energie-Versorgung Schwaben AG (35%), Badenwerk (28%) Technische Werke Stuttgart AG (14%), Neckarwerke (10%), Stadt Karlsruhe (5%), Kraftübertragungswerke Rheinfelden (3%), Stadtwerke Ulm Neu-Ulm GmbH (2,2%), Württ. Portland-Cement-Werke zu Lauffen a.N. (1,7%), fünf örtliche Versorger (1,1%)

 

Obrigheim durfte aufgrund einer Geheimzusage des Kanzlers Schröder länger laufen

Der Druckwasserreaktor bei Obrigheim am Neckar war die älteste dieser Anlagen und zu Anfang des Jahrtausends zugleich das älteste deutsche Kernkraftwerk. Aufgrund des im Juni 2000 vereinbarten Energiekonsenses (000601, 010602) und der darauf beruhenden Neufassung des Atomgesetzes (020404) hätte er deshalb schon Ende 2002 abgeschaltet werden müssen. Es gab jedoch eine Geheimzusage des Bundeskanzlers Schröder gegenüber dem damaligen EnBW-Chef Gerhard Goll, einen Antrag auf Laufzeitverlängerung zu genehmigen. Diese Zusage belastete das Verhältnis der Koalitionspartner SPD und Grüne zeitweilig erheblich. Bundesumweltminister Trittin (Grüne) bewilligte der EnBW im Oktober 2002 zunächst die Übertragung einer Reststrommenge von 5,5 Terawattstunden vom Kernkraftwerk Philippsburg 1 auf Obrigheim (021002). Am Ende einigte man sich aber darauf, daß sie den Reaktor nicht länger als bis zum 15. November 2005 betreibt (021212). Am 11. Mai 2005 ging Obrigheim endgültig vom Netz (050503).

Mit der Katastrophe von Fukushima kam für zwei weitere Reaktoren das Aus

Der Siedewasserreaktor Philippsburg 1 und der Druckwasserreaktor Neckarwestheim 1 wurden im März 2011 aufgrund des dreimonatigen "Moratoriums" abgeschaltet, das die Bundesregierung nach der Katastrophe von Fukushima über die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke verhängte (110302). Wie die anderen fünf Reaktoren gingen sie danach nie wieder ans Netz, da mit der Neufassung des Atomgesetzes ihre endgültige Stillegung verfügt wurde (110601).

Zuletzt hatte die EnBW noch versucht, 261 Millionen Euro Schadenersatz für den durch das "Moratorium" erzwungenen Stillstand in Philippsburg und Neckarwestheim einzuklagen (141208). Das Landgericht Bonn wies die Klage jedoch ab, da der Energiekonzern im März 2011 bewußt darauf verzichtet hatte, die Abschaltungsverfügung anzufechten (160404). Die EnBW hatte damals mit dem Land Baden-Württemberg soeben einen neuen Großaktionär bekommen. Seitdem gehört sie faktisch zu hundert Prozent der öffentlichen Hand (101201).

 

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