April 2016

160406

ENERGIE-CHRONIK


Sicherheitskontrollen in Philippsburg und Biblis waren nur vorgetäuscht

Im Kernkraftwerk Philippsburg ist in insgesamt neun Fällen die Prüfung von Meßeinrichtungen zur radiologischen Überwachung nur vorgetäuscht worden. In 15 weiteren Fällen wurden die Prüfungen zwar vorgenommen, aber vorsätzlich falsch datiert. Dies teilte die Energie Baden-Württemberg (EnBW) am 18. April als vorläufigen Stand ihrer Ermittlungen mit, nachdem sie auch die Atomaufsicht eingeschaltet hatte. Zugleich wurde bekannt, daß bereits vor einem Jahr auch im abgeschalteten Kernkraftwerk Biblis Sicherheitsprüfungen zur Radioaktivität nur vorgetäuscht und Prüfprotokolle gefälscht worden sind.

EnBW gibt drei Beschäftigten eines externen Dienstleisters die Schuld

Nach EnBW-Angaben betrafen acht der neun vorgetäuschten Prüfungen sowie alle 15 Falschdatierungen den Block 2, der noch bis Ende 2019 Strom produzieren darf. In einem weiteren Fall unterblieb die vorgeschriebene Kontrolle im Block 1, der seit 2011 abgeschaltet ist. Die EnBW und ihre Beschäftigten treffe aber keine Schuld. Die Verantwortung für das Fehlverhalten liege bei insgesamt drei Mitarbeitern eines externen Dienstleisters.

Umweltminister macht Wiederanfahren des Reaktors von Auflagen abhängig

Der Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg wurde am 8. April zur jährlichen Revision planmäßig abgeschaltet und sollte am 14. Mai wieder ans Netz gehen. Möglicherweise verzögert sich nun aber die Wiederinbetriebnahme: Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) untersagte am 21. April das Wiederanfahren des Reaktors, bis die EnBW den Nachweis über eine ordnungsgemäße Durchführung der zuletzt fälligen Kontrollen erbracht sowie Vorkehrungen getroffen hat, um die Wiederholung eines solchen Fehlverhaltens zu verhindern.

Menschliches Fehlverhalten wird bisher von der Meldepflicht gar nicht erfaßt

In einem Schreiben an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) machte Untersteller ferner darauf aufmerksam, "daß menschliches Versagen in einem Atomkraftwerk, auch bewußte Täuschungen aus Bequemlichkeit oder in krimineller Absicht, formal als interne Angelegenheit des Betreibers behandelt werden kann". Was sich in Philippsburg oder Biblis abgespielt habe, sei deshalb nach der "Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung" (AtSMV) eigentlich gar nicht meldepflichtig. Es handele sich jedoch um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung. Die Verordnung müsse deshalb so geändert werden, daß künftig auch menschliches Fehlverhalten der Meldepflicht unterliegt.

RWE und hessische Atomaufsicht verschwiegen Fälschungen in Biblis

Die Forderung nach einer Ausweitung der Meldepflicht wird durch die Fälschungen unterstrichen, die schon vor über einem Jahr im Kernkraftwerk Biblis stattfanden, aber weder vom Betreiber RWE noch von der hessischen Atomaufsicht publik gemacht wurden. Erst auf Nachfrage der "Hessenschau" des HR-Fernsehens bestätigte am 14. April die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne), daß auch in diesem Kernkraftwerk, das seit 2011 komplett abgeschaltet ist, Sicherheitskontrollen zur Radioaktivität nur vorgetäuscht und Prüfprotokolle gefälscht wurden. Ein für die "Wiederkehrenden Prüfungen" im Bereich Strahlenschutz zuständiger Mitarbeiter habe im vierten Quartal 2014 und im ersten Quartal 2015 die Prüfung von diversen Meßgeräten dokumentiert, aber nicht durchgeführt. Die Dokumentationen seien indessen "auffällig" gewesen, was RWE und das Ministerium zu weitergehenden Nachforschungen veranlaßt habe. Nach Aufdeckung der Fälschungen sei der Mann entlassen worden. Die Prüfungen habe man ordnungsgemäß nachgeholt.