November 2015

151106

ENERGIE-CHRONIK


Krim nach Sprengstoffanschlägen tagelang ohne Strom

Auf der Halbinsel Krim brach am 21. November die Stromversorgung zusammen, weil Saboteure auf dem Festland mehrere Strommasten gesprengt und so die vier Verbindungen mit dem ukrainischen Übertragungssnetz unterbrochen hatten. Bei den Saboteuren handelte es sich um ukrainische Nationalisten und Krimtataren, die vor der russischen Repression in ihrer Heimat über die Grenze geflüchtet waren. Auf der Krim riefen die Behörden den Notstand aus. Auch in den folgenden Tagen mußten die 1,64 Millionen Bewohner der Halbinsel größtenteils ohne Strom auskommen, da die vor Ort vorhandenen Kraftwerkskapazitäten sowie eilends aus Rußland herbeigeschaffte Dieselaggregate nur eine Notversorgung ermöglichten.

Ukraine will vorerst ohne weitere Gaslieferungen aus Rußland über die Runden kommen


Die Krim bezog ihren Strom bisher über die blau markierten Trassen aus der Ukraine (links zwei Leitungen mit 330 kV und eine Leitung mit 220 kV, rechts eine Leitung mit 330 kV). Um diese Abhängigkeit zu mildern und zu beenden, soll noch in diesem Jahr eine neue Stromverbindung hergestellt werden, die durch die Meerenge von Kertsch (rechts) nach Rußland führt.

Der Ukraine-Konflikt hat sich damit wieder zugespitzt. Die Regierung in Kiew konnte oder wollte die Sprengung der Masten offensichtlich nicht verhindern, obwohl sie absehbar war und militante Gruppen schon seit mehr als zwei Monaten Warentransporte nach der russisch besetzten Halbinsel blockierten. Ebenso zeigte sie wenig Eile und Durchsetzungsvermögen, um die Reparatur der Stromleitungen zu ermöglichen. Sie verhängte sogar zusätzlich ein förmliches Verbot von Gütertransporten nach der Krim. Außerdem sperrte sie den Luftraum der Ukaine für russische Flugzeuge.

Moskau drohte als Vergeltungsmaßnahme für den Stromausfall auf der Krim mit dem Stopp der Gaslieferungen. In Kiew hat diese Ankündigung aber nicht mehr sonderlich beeindruckt. Die Regierung ließ verlauten, daß man einen solchen Stopp mit Hilfe gefüllter Speicher und mit Gaslieferungen aus der EU überstehen können. Sie stellte sogar den Gasbezug aus Rußland von sich aus ein, indem sie die dafür erforderlichen Vorauszahlungen gemäß dem im September getroffenen Abkommen (150906) nicht mehr leistete, worauf Gazprom die Lieferungen beendete. Weitere Gasbezüge seien erst im kommenden Jahr vorgesehen, wenn die Preise niedriger sein würden. Auch in Brüssel hieß es, daß die Ukraine derzeit ohne russische Gaslieferungen auskommen könne. Anscheinend hat man die Möglichkeiten zur Versorgung der Ukraine mit Gas aus der EU (140402) inzwischen wesentlich erweitert.

Krim soll noch in diesem Jahr mit dem russischen Stromnetz verbunden werden

Die Krim wurde bisher über drei Höchstspannungleitungen mit 330 kV und eine weitere mit 220 kV aus dem Übertragungsnetz der Ukraine versorgt. Sie verfügt zwar über ein paar alte Heizkraftwerke, die aber die Spitzenlast bei weitem nicht decken können. Anfang der achtziger Jahre war deshalb im Osten der Halbinsel nahe der Stadt Shcholkine mit der Errichtung eines Kernkraftwerks begonnen worden, das im Endausbau vier Druckwasserreaktoren des Typs WWER-1000/320 mit jeweils 1000 MW umfassen sollte. Nach der Katastrophe von Tschernobyl waren die Arbeiten aber 1989 eingestellt worden, da man die Warnungen vor den seismischen Risiken dieses Standorts nun ernster nahm.

Nach der Annektierung der Krim und ihrem erzwungenen Anschluß an Rußland (140304) floß der Strom aus der Ukraine vorerst weiter, wofür der staatliche Versorger Ukrenergo entsprechende Zahlungen erhielt. Von russischer Seite gab es aber von Anfang Überlegungen, diese Abhängigkeit durch die Schaffung einer neuen Stromverbindung zu beenden. Sie soll vom östlichen Zipfel der Krim durch die Meerenge von Kertsch nach Rußland führen. Den Strom könnte dort das Kernkraftwerk bei Rostow am Don liefern, wo in Kürze ein vierter Block mit 1000 MW in Betrieb geht. Noch in diesem Jahr soll eine Verbindung mit einer Kapazität von 400 MW zustandekommen, die im nächsten Jahr auf 800 MW ausgebaut wird. Freilich reicht es nicht, die beiden Netze durch ein Unterwasserkabel zu verbinden. Um auf der Krim die Stromversorgung sicherzustellen, müßten außerdem auf beiden Seiten der Meerenge die Leitungskapazitäten ausgebaut werden.

 

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