Oktober 2014

141012

ENERGIE-CHRONIK


Australier kaufen das vierte deutsche Ferngasunternehmen

Der E.ON-Konzern und die Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG) haben ihre jeweils hälftige Beteiligung an der Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen mbH (EVG) verkauft. Wie sie am 22. Oktober mitteilten, gehört der in Erfurt ansässige Gasverteiler nun dem First State European Diversified Infrastructure Fund (EDIF), hinter dem die Commonwealth Bank of Australia steht. Der Fonds wurde 2009 in Luxemburg gegründet, um überwiegend europäische, nicht börsennotierte Unternehmen des Infrastrukturbereichs zu übernehmen, die verläßlich Renditen im Bereich von fünf bis sieben Prozent erzielen. Netzbetreiber sind unter diesem Blickwinkel besonders attraktiv. Insgesamt wurde inzwischen vier deutsche Ferngasnetzbetreiber von Finanzgruppen übernommen, die letztendlich in Australien beheimatet sind.

EDIF erwarb bereits die frühere Ferngas Nordbayern

Schon 2013 hatte der Finanzinvestor EDIF die Ferngas Nordbayern GmbH übernommen, die damals eine hundertprozentige E.ON-Tochter war. Inzwischen wurde das Unternehmen in Ferngas Netzgesellschaft mbH umbenannt. Es ist Eigentümer eines 2040 Kilometer langen Erdgasnetzes im nördlichen Teil Bayerns, das es an die Open Grid Regional GmbH verpachtet hat. Bei dieser handelt es sich um die Nachfolgerin der E.ON Gas Grid GmbH, die früher unter dem Dach der E.ON Gastransport angesiedelt war.

Macquarie hat die Gas-Transportnetzbetreiber von RWE und E.ON übernommen

Nach ihrer Umbenennung in Open Grid Europe war die E.ON Gastransport 2012 an ein Konsortium unter Führung des australischen Finanzkonzerns Macquarie verkauft worden (120507). Zuvor hatte Macquarie bereits dem RWE-Konzern dessen Ferngasnetz (101204) sowie die zur Last gewordene britische Tochter "Thames Water" abgenommen (061010). Außerdem hat der australische Finanzinvestor bei zahlreichen Verkäufen von Energieversorgern zumindest mitgeboten (061010, 100110, 100401, 041111, 041206).

Im ostdeutschen "Gaskrieg" war EVG eine Bastion der Ruhrgas

Der Verkauf der EVG bedarf noch der Zustimmung des Bundeskartellamts, die in den kommenden Wochen erwartet wird. Über den Kaufpreis haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart. Die EVG ist Eigentümerin des Ferngasnetzes und Holding der Netzgesellschaft Erdgastransportgesellschaft Thüringen-Sachsen mbH (ETG) sowie mehrerer Minderheitsbeteiligungen an Energieversorgern und -dienstleistern. Sie wurde 1990 unter jeweils hälftiger Beteiligung von der damaligen Ruhrgas AG und dem ostdeutschen Ferngasnetzbetreiber VNG gegründet, um Thüringen und angrenzende Gebiete flächendeckend mit Erdgas zu versorgen.

Im ostdeutschen "Gaskrieg", der 1991 von der BASF-Tochter Wintershall und Gazprom angezettelt wurde, war die EVG eine wichtige Bastion der Ruhrgas (920909). Im Zuge der Beilegung dieses Streits verpflichteten sich 1994 die Ruhrgas-Ableger VNG und EVG zum Bezug bestimmter Gasmengen von der Wintershall, wofür diese zusicherte, im Versorgungsgebiet von VNG und EVG nicht tätig zu werden. Als das Bundeskartellamt diesen Demarkationsvertrag untersagte, unterlag es vor Gericht (960203). Erst acht Jahre später entschied der Bundesgerichtshof, daß solche Gebietsabsprachen auch dann ein verbotenes Kartell darstellen können, wenn sie bereits vor Inkrafttreten der Liberalisierung getroffen wurden (030207). Mit der Ruhrgas gelangte dann 2003 auch deren hälftiger Anteil an der EVG in den Besitz von E.ON (030101).

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