Dezember 2013

131207

ENERGIE-CHRONIK


Umsatzsteuer-Betrug in Milliardenhöhe auch beim Stromhandel

Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, daß der europäische Stromhandel ebenfalls solche Milliarden-Betrügereien ermöglicht hat, wie sie vor vier Jahren beim Handel mit Emissionszertifikaten aufgedeckt wurden (091204). Die Täter machten sich in beiden Fällen die Kompliziertheit des "liberalisierten" Energiemarktes und dessen mangelnde Kontrolle zunutze, um ein sogenanntes Umsatzsteuer-Karussell aufzuziehen.

Die Betrüger nutzten speziell den Umstand, daß für Strom, der in ein anderes EU-Land verkauft wird, die Umsatzsteuer entfällt bzw. die Erstattung von bereits gezahlter Umsatzsteuer beansprucht werden kann. Durch ein Verwirrspiel mit scheinbar normalen Handelsgeschäften verschleierten sie, daß die Vorsteuer nie entrichtet worden war. Sie ergaunerten so beim deutschen Fiskus Milliardensummen zu Lasten der Steuerzahler.

EnBW weiß nichts von einer Ausweitung der laufenden Ermittlungen

Wie am 20. Dezember die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, haben die Fahnder auch die Energie Baden-Württemberg (EnBW) ins Visier genommen, die bereits in das betrügerische Umsatzsteuer-Karussell mit den Emissionszertifikaten verstrickt ist (120613). Beim Blick in deren Bücher habe sie stutzig gemacht, daß die steuerfreien Umsätze innerhalb eines Jahres von rund einer Milliarde auf zehn Milliarden Euro gestiegen waren. Die EnBW erklärte umgehend, daß ihr davon nichts bekannt sei. Die für Wirtschaftskriminalität zuständige Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Mannheim habe auf Anfrage bestätigt, daß es in dieser Angelegenheit keine Ermittlungen gebe.

Inzwischen ist bei Stromgeschäften der Empfänger umsatzsteuerpflichtig

Laut "Frankfurter Allgemeine" (21.12.) ist der Betrug in dieser Form jetzt nicht mehr möglich, weil die EU-Kommission Deutschland gestattet hat, die Umsatzsteuerpflicht bei Stromhandelsgeschäften vom Lieferanten auf den Empfänger zu verlagern. Wegen der Betrugsanfälligkeit der bisherigen Umsatzsteuer-Regelung habe die Bundesregierung schon in der vorletzten Legislaturperiode eine generelle Umstellung auf das "Reversed-Charge"-Verfahren verlangt. Dies sei aber daran gescheitert, daß steuerpolitische Beschlüsse auf EU-Ebene nur mit Zustimmung aller Staaten möglich sind.

Beim Emissionshandel gab es noch andere Sicherheitslücken

Die Umstellung auf das "Reversed-Charge"-Verfahren war auch die erste Abwehrmaßnahme, als sich Ende 2009 herausstellte, daß der schwunghafte Handel mit Emissionszertifikaten größtenteils betrügerischen Zwecken gedient hatte. Durch Ausnutzung der Regeln für die Mehrwertsteuer-Abführung hatten die Täter damals rund fünf Milliarden Euro an Steuergeldern erbeutet (091204). Zum Kreis der Kriminellen und ihrer Helfer gehörten Mitarbeiter der "Deutschen Bank" (111215) und der EnBW (120613).

Indessen existierten noch andere Sicherheitslücken: Kurz darauf gelang es Betrügern, in die nationalen Emissionshandelssysteme einzudringen, indem sie sich mit gefälschten E-Mails und Web-Seiten bei verschiedenen Unternehmen die dafür notwendigen Zugangsdaten erschlichen. Sie erbeuteten dabei mindestens drei Millionen Euro (100205). Anfang 2011 kam es zu einem noch größeren Coup, bei dem die Täter direkt in das elektronische Registrierungssystem eindrangen und Zertifikate im Wert von rund 28 Millionen Euro zu Geld machten. Die EU-Kommission schloß deshalb vorübergehend alle europäischen Register (110105). Seit 2012 gibt es nur noch ein Register für Emissionszertifikate, das zentral in Brüssel geführt wird (110412).

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