Dezember 2010

101202

ENERGIE-CHRONIK


 

Weder Krümmel (links) noch Brunsbüttel (rechts) verfügen über Kühltürme, da sie direkt mit Elbwasser gekühlt werden. Außerdem fehlt die für neuere Kernkraftwerke typische Betonkuppel, die den Reaktor vor äußeren Einwirkungen schützen soll. Beide Siedewasser-Reaktoren wurden einst von Siemens für die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) und deren Partner PreussenElektra geliefert. Brunsbüttel ging 1976 mit einer elektrischen Leistung von 771 MW (netto) in Betrieb. Sieben Jahre später folgte Krümmel mit 1260 MW.
Pressefotos (2): Vattenfall

Vattenfall will E.ON die Betriebsführung in Krümmel und Brunsbüttel überlassen

Vattenfall will die Betriebsführung seiner beiden deutschen Kernkraftwerke dem Partner E.ON überlassen, der am KKW Krümmel mit fünfzig Prozent und am KKW Brunsbüttel zu einem Drittel beteiligt ist. Wie die beiden Konzerne am 15. Dezember mitteilten, haben sie "mit Blick auf die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Kernenergie vereinbart, gemeinsam alle Möglichkeiten zur baldigen Wiederinbetriebnahme und zur weiteren betrieblichen Optimierung der Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zu prüfen". Dabei werde auch geprüft, ob E.ON die Betriebsführung beider Anlagen übernimmt. Eine endgültige Entscheidung soll in der erste Hälfte des neuen Jahres erfolgen.

Beide Kraftwerke mußten am 28. Juni 2007 wegen technischer Defekte im nicht-nuklearen Teil der Anlagen abgeschaltet werden (070608). Brunsbüttel steht seitdem ununterbrochen still. In Krümmel scheiterte die Wiederinbetriebnahme im Sommer 2009 schon nach einer Woche an erneuten technischen Pannen (090701). Vattenfall Europe verfügt deshalb schon seit über drei Jahren praktisch über keine nukleare Stromerzeugung mehr.

Der ungewöhnlich lange Stillstand dürfte allerdings nicht nur auf notwendige technische Reparaturen und Modernisierungen zurückzuführen sein. Beim Kernkraftwerk Brunsbüttel spielte sicher auch eine Rolle, daß der Reaktor nur über eine geringe Reststrommenge verfügte. Wenn er normal weiter gelaufen wäre, hätte das die Stillegung bedeutet, bevor Vattenfall in den Genuß der jetzt von der schwarz-gelben Koalition bewilligten Laufzeitverlängerung um 52038 Gigawattstunden gekommen wäre (100901). Auch bei anderen Reaktoren haben die KKW-Betreiber die Abarbeitung der Reststrommengen künstlich verzögert, um sie bis zur Revision des Atomausstiegs über die Runden zu bringen (090313, 100104). Die Stromerzeugung aus Kernenergie sank deshalb bereits 2007 auf den niedrigsten Stand seit zwanzig Jahren, ohne daß indessen die Versorgung gefährdet worden wäre (080406).

Designierte Chefin des KKW Krümmel bestand die Prüfung nicht

Mit der geplanten Übertragung der Betriebsführung an E.ON zieht Vattenfall die Konsequenzen aus einer Häufung von technischen Pannen sowie einer ungeschickten Informationspolitik. Beides zusammen hat die Schweden sogar bei den drei anderen deutschen KKW-Betreibern in Mißkredit gebracht. Das Faß zum Überlaufen brachte am 9. Dezember die Nachricht, daß die designierte Chefin des KKW Krümmel, Ulrike Welte, durch die amtliche Prüfung gefallen war. Laut "Lübecker Nachrichten" (9.12.). bestand die Prüfungsaufgabe darin, auf der Krümmeler Übungswarte den Reaktor in 30 bis 60 Minuten in einen sicheren Zustand zu bringen. Dies soll ihr in zwei Stunden nicht gelungen sein. Ferner sollen die Prüfer erhebliche Mängel in der betriebsinternen Kommunikation beanstandet haben. Die Reaktoraufsicht in Kiel stimmte deshalb der Neubesetzung des Postens nicht zu.

Die 56-jährige Ulrike Welte sollte den derzeitigen Krümmel-Direktor Walther Stubbe ablösen, der in Ruhestand geht. Stubbe hatte den Posten kommissarisch vom früheren Direktor Hans-Dieter Lucht übernommen, der nach der mißglückten Wiederinbetriebnahme im Juli 2009 seinen Hut nehmen mußte. Die Physikerin Welte galt bisher bei Vattenfall als eine Art Geheimwaffe, um das lädierte Image der Kernenergie im allgemeinen und das von Krümmel im besonderen aufzupolieren. Bereits im November 2009 war sie als neue Chefin des KKW vorgestellt worden, die ab Frühjahr 2010 als erste Frau in Deutschland die Leitung eines Kernkraftwerks übernehmen werde. Daß sie die atomrechtlichen Anforderungen für den Posten nicht erfüllte, wurde erst bekannt, nachdem sie durch die Prüfung gefallen war.

Ist die Betriebsgenehmigung für Brunsbüttel bereits erloschen?

Den beiden KKW-Betreibern Vattenfall und E.ON droht noch größeres Ungemach durch ein Gutachten, das die Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag in Auftrag gegeben haben. Die Umweltrechtlerin Cornelia Ziehm gelangt darin zu dem Schluß, daß die Betriebsgenehmigung für Brunsbüttel inzwischen erloschen sei. Das für Industrieanlagen jeder Art geltende Bundesimmissionsschutzgesetz dekretiert nämlich in § 18 das "Erlöschen der Genehmigung", wenn "eine Anlage während des Zeitraums von mehr als drei Jahren nicht betrieben worden ist". Daß Brunsbüttel seit mehr als drei Jahren nicht mehr am Netz ist, steht außer Zweifel. Die juristische Auseinandersetzung wird sich deshalb nun darum drehen, ob dieser Stillstand als Nichtbetreiben der Anlage gelten kann und ob nicht für Kernkraftwerke exklusiv das Atomgesetz gilt.

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