November 2010

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ENERGIE-CHRONIK


 

 

Der "Heatball" sieht wie eine ganz normale Glühlampe aus und funktioniert auch wie diese. Es handelt sich jedoch um einen Heizkörper. Um dies zu unterstreichen, wird er auf der Internet-Seite www.heatball.de leicht verfremdet mit roter Flamme dargestellt.

Zoll stoppt Glühlampen aus China – obwohl sie als "Kleinheizkörper" dienen sollen

Das von Brüssel erlassene Glühlampen-Verbot entwickelt sich zu einer Posse mit bitterernsten Zügen: Eine Sendung von 40.000 Glühlampen der mittlerweile verbotenen Leistungsklassen 100 und 75 Watt wurde im November auf dem Flughafen Köln/Bonn vom Zoll gestoppt. Die Glühlampen stammen aus China. Sie sind als "Kleinheizkörper" deklariert und tragen auf ihren Glaskolben auch deutlich die Aufschrift "Heatball". Das Fachdezernat 55 der Bezirksregierung Köln, das für Produktsicherheit und Sprengstoffe zuständig ist, untersucht nun, ob die Einfuhr der "Heatballs" gegen die EG-Verordnung 244/2009 verstößt (090301). Die Bezirksregierung Köln wies vorsorglich darauf hin, daß sie die Glühlampen nicht für Sprengstoff halte.

Importeure und Erfinder der "Heatballs" sind zwei deutsche Ingenieure, die im Glühlampen-Verbot eine unzulässige Bevormundung der Bürger sehen, die auch der Umwelt eher schadet als nützt. Mit der kognitiven Umstrukturierung der Glühbirne zu einem Heizkörper mit vergleichsweise bescheidener Leuchtwirkung knüpfen sie geschickt an die Argumentation der EU-Bürokraten an und führen diese zugleich ad absurdum: Denn der Vertrieb und die Einfuhr von elektrischen Heizkörpern ist nicht verboten.

"Die Leuchtwirkung des Heatball ist völlig unbedenklich und stellt keinen Reklamationsgrund dar"

Geistiger Urheber des Heatball ist der Ingenieur Siegfried Rotthäuser, dessen Unternehmen sonst hydraulische Pressen und Maschinen entwirft. Die Idee kam ihm, als er sich mit seinem Schwager Rudolf Hannot beim Kaffee über den Unsinn des Glühlampen-Verbots unterhielt. Die Realisierung besorgte dann Hannot, der als Geschäftsführer der Firma DTG Trading GmbH über Kontakte nach China verfügt. Fürs erste bestellten die beiden Ingenieure jeweils 4000 Stück à 100 und 75 Watt.

Die beiden "Aktionskünstler", wie sie sich selber bezeichnen, boten dann die in China gefertigte Sonderserie für den europäischen Markt als "Kleinheizkörper" an, die elektrische Energie mit dem hohen Wirkungsgrad von 95 Prozent in Wärme verwandeln. "Echte Heatballs sind zum Heizen und damit keine Lampe, das erkennen Sie am Glasaufdruck", heißt es auf der Internet-Seite www.heatball.de. "Vorsicht! Heatballs haben im Betrieb und kurz nach dem Ausschalten eine heiße Oberfläche. Für Heatballs gelten die gleichen Sicherheitshinweise wie für Glühbirnen. Die Leuchtwirkung während des Heizvorgangs ist produktionstechnisch bedingt. Sie ist völlig unbedenklich und stellt keinen Reklamationsgrund dar."

Widerstand gegen Bevormundung der Bürger

Die ersten Importe der so angepriesenen Heatballs mit 100 und 75 Watt waren schnell ausverkauft. Viele Interessenten mußten deshalb auf die Nachbestellung vertröstet werden, die jetzt der Zoll in Köln gestoppt hat. Den Anbietern geht es aber sicher nicht in erster Linie um ein Geschäft, sondern um "Widerstand gegen Verordnungen, die jenseits aller demokratischen und parlamentarischen Abläufe in Kraft treten und Bürger entmündigen". Um den Unterschied zwischen dem fehlgeleiteten Umweltaktivismus der Kommission und sinnvollem Umweltschutz deutlich zu machen, sollen von den 1,69 Euro, die ein Heatball kostet, 30 Cent für ein Projekt zum Schutz des Regenwalds gespendet werden.

In der Tat ist das Glühlampen-Verbot keine sinnvolle Maßnahme zur Steigerung der Energieeffizienz, wie sie etwa die Minimierung des Stromverbrauchs von Standby-Schaltungen darstellt, sondern ein unverhältnismäßiger und deshalb unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre der Bürger. Nach derselben Logik könnte die EU bestimmte Tapetenmuster vorschreiben, weil sie besonders energiesparend sind. Bei der Beleuchtung kommt erschwerend hinzu, daß die Entscheidung für bestimmte Lichtquellen nicht nur eine Frage des Geschmacks und individueller Vorlieben ist, sondern auch gute medizinische und umweltmäßige Gründe gegen die sogenannten Energiesparlampen sprechen, die die Kommission den Bürgern aufzwingen möchte.

Das Glühlampen-Verbot kam unter der Ägide des vormaligen Energiekommissars Andris Piebalgs zustande, der für Energiesparlampen eine ähnliche Begeisterung hegte wie für die Kernenergie. Daß dem Letten das notwendige Fingerspitzengefühl für bürgerliche Freiheiten und individuellen Gestaltungswillen fehlte, wäre vielleicht noch zu verstehen gewesen, da er ja aus dem postsowjetischen Raum kommt. Noch peinlicher und enttäuschender war aber, wie auch das Europäische Parlament, von vereinzeltem Widerstand abgesehen, das Glühlampen-Verbot absegnete. Eine Grünen-Sprecherin schmähte die Kritiker der Verordnung gar als "Fortschrittsfeinde" (090208).

Werden Glühlampen zu begehrten Mitbringseln bei Fernreisen?

Seit 1. September fallen auch Glühlampen mit 75 Watt unter das Verkaufsverbot. Nach dem Verbot der 100-Watt-Lampen trat damit die zweite Stufe der Verordnung in Kraft, der bis September 2012 sämtliche marktgängigen Glühlampen zum Opfer fallen sollen (090301). Wer weiterhin Wert auf angenehmes und warmes Licht legt, kann sich der behördlichen Bevormundung und Verunstaltung seines häuslichen Ambientes bisher nur entziehen, indem er entweder herkömmliche Glühlampen hamstert (090707, 090510) oder auf Halogen-Glühlampen ausweicht. Die Halogenlampen sollen aber bis 2012 ebenfalls verschwinden, sofern sie nicht den Effizienzklassen B und C genügen. Dann werden Glühlampen vermutlich zu einem begehrten Mitbringsel bei Fernreisen nach Ländern, die annähernd dieselbe Niederspannung wie die EU-Staaten haben (220/230 Volt). Hier wären etwa Australien, Burma, China, Kuweit, Rußland, Tansania, Thailand oder die Ukraine zu nennen. Die nahegelegene Schweiz scheidet als Zuflucht für Lichtasylanten leider aus: Sie hat ihre nationale Gesetzgebung auch in punkto Glühlampen – in diesem Fall ganz ohne Not – der Energiepolitik der EU angepaßt.

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