Dezember 2009

091217

ENERGIE-CHRONIK


Personalia

Gerald Hennenhöfer (62) ist von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zum neuen Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit ernannt worden. Er kehrt damit auf denselben Posten zurück, den er einst unter der Umweltministerin Angela Merkel (CDU) innehatte. Beim Amtsantritt des neuen Bundesumweltministers Jürgen Trittin (Grüne) war Hennenhöfer Ende 1998 durch Wolfgang Renneberg ersetzt worden (981104). Er ging daraufhin zum Viag-Konzern und unterzeichnete als dessen Generalbevollmächtigter das Konsens-Papier vom 14. Juni 2000, in dem die Kernkraftwerksbetreiber und die Bundesregierung den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie vereinbarten. Seit 2004 war er als Anwalt tätig.

Hennenhöfer gilt noch immer als Kernenergie-Fan. Sein neuer Mentor Röttgen möchte dagegen genau diesen Eindruck nicht erwecken (091113). Die SPD-Opposition nutzte deshalb die Gelegenheit, um Röttgen als Heuchler zu entlarven: Jetzt zeige sich das wahre Gesicht der schwarz-gelben Koalition, erklärte der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Mit der Ernennung Hennenhöfers mache Röttgen ausgerechnet "einen Lobbyisten der Atomindustrie zum Aufseher über die Sicherheit von Atomkraftwerken". Da könne man die Atomaufsicht auch gleich den KKW-Betreibern überlassen. Das sei dann billiger und ehrlicher.

Röttgen poliert unterdessen weiter an seinem "grünen" Image: Anfang Dezember ließ er ganzseitige Anzeigen zum bevorstehenden Klima-Gipfel in Kopenhagen veröffentlichen. Sie enthielten in riesigen Lettern den Spruch "Unsere natürlichen Lebensgrundlagen sind ein Menschheitsgut". Damit keiner auf die Idee komme, dieser vortreffliche Spruch stamme aus der Bibel, von Barack Obama oder von der Werbeagentur Quatschmitsoße, war darunter als Quelle "Dr. Norbert Röttgen, Bundesumweltminister" angegeben. – Die Anzeigen paßten wirklich hervorragend zu dem Gipfel, auf dem auch nur heiße Luft produziert wurde (091206). Aber eigentlich wäre da ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß fällig, um die Verschleuderung von Steuergeldern für Regierungspropaganda zu untersuchen. Und ein saftiger Denkzettel seitens aller Wähler, die den Kakao, durch den sie gezogen werden, nicht auch noch selber bezahlen wollen...

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Andreas Mundt (49) wurde zum neuen Präsidenten des Bundeskartellamtes ernannt. Am 16. Dezember stimmte das Bundeskabinett einen entsprechenden Vorschlag von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zu. Wie sein Vorgänger Bernhard Heitzer (091113) steht Mundt der FDP nahe. Seine Karriere begann er 1991 im FDP-geführten Bundeswirtschaftsministerium. Von 1993 bis 2000 verlieh ihn sein Dienstherr an die FDP-Bundestagsfraktion, wo er als Referent für Arbeits- und Sozialrecht tätig war. Anschließend wechselte er ins Bundeskartellamt, wo er seit 2005 die Grundsatzabteilung leitete.

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Utz Claassen (46) wird ab Januar Vorstandsvorsitzender der Solar Millenium AG, die seit zehn Jahren solarthermische Kraftwerke projektiert und betreibt (990823). Das ist zwar nicht ganz die Liga, in der er von 2003 bis 2007 als Chef der Energie Baden-Württemberg spielte, wirft aber sicher auch ein hübsches Gehalt ab. Claassen hatte deshalb gute Gründe, sich seine fürstliche EnBW-Frührente von 400.000 Euro jährlich in eine einmalige Abfindung von 2,5 Millionen Euro umwandeln zu lassen (091016). Diese Abfindung bleibt ihm nämlich, während er seine Frührente mit den Einkünften aus dem neuen Job hätte verrechnen müssen. Da wäre sicher nichts übrig geblieben.

Die Empörung über seine überzogenen Manager-Einkünfte auf Kosten der Stromverbraucher findet Claassen weiterhin unverständlich. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (16.12.) behauptete er jetzt sogar, die Frührenten-Regelung sei "eine der Standardformulierungen in den Vorstandsverträgen der EnBW". Und nicht nur das: "Es war der ausdrückliche Wunsch der EnBW, diese möglichst auch im Vertrag mit mir beizubehalten. Darüber haben wir seinerzeit nicht eine einzige Sekunde verhandelt."

Wenn diese Behauptung Claassens stimmt, dürfte die EnBW bei den sparsamen Schwaben endgültig unten durch sein. Da werden ihr auch die vielen Werbe-Millionen nichts helfen, die sie zur Zeit wieder einmal zur Aufbesserung ihres Images mit allerlei Energiespar-Gesülze und Klima-Schnickschnack zum Fenster hinauswirft.

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Nicolas Sarkozy (54), französischer Staatspräsident, findet die Beendigung der nuklearen Zusammenarbeit zwischen Areva und Siemens sehr bedauerlich. Es stehe ihm zwar nicht zu, über die Gründe für den Rückzug von Siemens zu urteilen, erklärte er auf seiner jüngsten Pressekonferenz am 14. Dezember. Er wisse auch, daß die Kernenergie in Deutschland eine "schwierige Frage" sei. Aber er erlaube sich doch den Hinweis, daß Frankreich über 62 Kernkraftwerke verfüge: "Wenn der Wind von Westen nach Osten weht, handelt es sich um dasselbe Problem, ob nun die Kraftwerke hier oder dort stehen."

Wie man sieht, ist der französische Staatspräsident begrenzt lernfähig. Zu Beginn seiner Amtszeit konnte es noch passieren, daß er seinen deutschen Partnern beim Mittagessen schnell mal die Beteiligung an der "Force de frappe" anbot (070912). Inzwischen weiß er, daß alles, was mit Kernenergie zu tun hat, in Deutschland eine "schwierige Frage" ist. Unverständlich bleibt das aber für ihn dennoch, zumal bei der vorherrschenden Windrichtung aus Westen die Deutschen sowieso alles abbekommen würden, was in Frankreich hochgehen könnte, ob das nun Kernkraftwerke oder Atombomben sind...

Übrigens hat sich Frankreichs oberster Reaktor-Verkäufer vertan, was die Zahl der Kernkraftwerke in seinem Land betrifft: Es sind nicht 62 in Betrieb, wie er sagte, sondern 58. Daneben gibt es ein gutes Dutzend stillgelegte Anlagen.

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Hans-Werner Sinn (61), Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, ist vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zum "Dinosaurier des Jahres 2009" ernannt worden. Der Volkswirt sei "ein Dampfplauderer mit egoistischem Sendungsbewußtsein", welcher dem Ansehen und den Verdiensten des Natur- und Umweltschutzes nachhaltig schade, begründete Nabu-Präsident Olaf Tschimpke die Entscheidung. Er verbreite "hemmungslos seine veralteten Theorien vom alles regulierenden Markt" und lasse kaum eine Gelegenheit aus, moderne Umweltpolitik in der Öffentlichkeit zu attackieren.

In der Tat ist es ein Ärgernis, wie Sinn ständig in den Medien als Wirtschaftsexperte zitiert wird, obwohl er eigentlich nur neoliberalen Unsinn verbreitet. Zu seinen Milchmädchen-Rechnungen gehört die Behauptung, daß die Förderung der erneuerbaren Energien nichts bringe und das EEG abgeschafft werden müssse. Leider wurden solche Talibane des Marktradikalismus bisher nicht belächelt und als Dinosaurier des Frühkapitalismus verspottet. Sie konnten sogar maßgeblichen Einfluß auf die herrschende Politik gewinnen. Auch die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist letzten Endes ihren klugen Ratschlägen zu verdanken. Der Ifo-Präsident sieht das natürlich ganz anders. Er stilisiert nun sich und den ganzen neoliberalen Klüngel zur verfolgten Unschuld, wobei er auch vor einem hochnotpeinlichen Vergleich nicht zurückschreckt: "Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager", klagte er in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" (27.10.08).