April 2009

090403

ENERGIE-CHRONIK


Strompreise sinken wieder, aber nicht für Haushalte

Die Durchschnittspreise für Strom an der Energiebörse EEX sind seit November 2008 rückläufig. Im März erreichten sie mit 37,19 Euro/MWh (Base) bzw. 45,57 Euro/MWh (Peak) einen Tiefstand, wie er seit Herbst 2007 nicht mehr verzeichnet wurde. Gegenüber dem Höchststand im Herbst 2008 sind die Börsenpreise um deutlich mehr als die Hälfte geschrumpft. Zugleich sank der VIK-Strompreisindex für Mittelspannung, der im Juli 2008 mit 236,49 seinen Höchststand erreichte, bis März auf 139,35 Indexpunkte und damit auf einen Stand, der seit fast vier Jahren nicht mehr erreicht wurde (siehe Grafiken). Auch im April hielt der Rückgang der Strompreise weiter an.

Vom Abschmelzen der überhöhten Börsenpreise merken die Haushaltskunden bisher allerdings nichts. Im Gegenteil: Noch zu Jahresbeginn hatten 504 der insgesamt 920 deutschen Stromversorger "Preisanpassungen" angekündigt, die zu 99 Prozent aus Erhöhungen bestanden und den Strom im im ersten Quartal 2009 nochmals um durchschnittlich 8,1 Prozent verteuerten. Lediglich neun Versorger hatten eine Strompreissenkung um durchschnittlich 3,6 Prozent angekündigt.

Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zahlte ein Musterhaushalt Anfang April 2009 durchschnittlich gut 67 Euro im Monat für Strom. Das seien etwa sieben Prozent mehr als im Vorjahr (siebe Tabelle). Die Strompreiserhöhungen am Jahresanfang seien vor allem auf die frühere Entwicklung der Großhandelspreise an der Strombörse zurückzuführen, denn viele Unternehmen würden den Großteil des Stroms für Haushaltskunden ein bis zwei Jahre im voraus beschaffen. Eine Trendwende bei den Haushaltsstrompreisen wollte der Branchenverband erst ab Anfang nächsten Jahres in Aussicht stellen, und auch das nur für den Fall, daß sich das gegenwärtige Preisniveau "verstetigen" werde.

Der Spielraum zum Hochtreiben der Preise wurde enger

Vermutlich widerspiegelt sich im Rückgang der Börsenpreise für Strom der engere Spielraum, der es den Energiekonzernen nicht mehr wie früher ermöglicht, ihre Marktmacht als Großstromerzeuger zum Hochtreiben der Preise auszuspielen. So hegt die EU-Kommission schon lange den Verdacht, daß die Strombörsen-Preise überhöht sind (070404). Im Falle des E.ON-Konzerns glaubte sie sogar beweisen zu können, daß er "verfügbaren und potenziell gewinnbringenden Strom absichtlich nicht zum Kauf angeboten hat, um die Strompreise in die Höhe treiben zu können" (081101). Der Vorwurf, die Börsenpreise manipuliert zu haben, war einer der Gründe, weshalb E.ON sich zum Verkauf seines Stromtransportnetzes verpflichten mußte.

Seit der befristeten Verschärfung des Kartellrechts tun sich die Konzerne ferner schwerer damit, unangemessen hohe Preise durchzusetzen. Auf der erweiterten rechtlichen Basis richtete das Bundeskartellamt zum Jahresbeginn 2008 eine neue Beschlußabteilung für die Mißbrauchsaufsicht bei Strom, Gas und Fernwärme ein (080110). Presseberichten zufolge geht die Behörde derzeit bei allen vier Energiekonzernen dem Verdacht nach, durch absichtliche Stromverknappung die Preise hochgetrieben zu haben. Im März habe sie an insgesamt 60 größere Stromversorger Fragenkataloge verschickt, die bis zum 6. Mai beantwortet werden müssen.

"Die schöne Welt des Energiewettbewerbs erweist sich als Fassade"

Scharfe Kritik am nach wie vor fehlenden Wettbewerb bei Strom und Gas übte am 17. April der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters. "Auf den ersten Blick scheint die Einführung des Wettbewerbs auf den Strom- und Gasmärkten geglückt zu sein", stellte er fest. "Jeder Verbraucher kann seinen Strom- und seit neuestem auch seinen Gasanbieter frei wählen und dadurch seine Energierechnung deutlich senken. Ein zweiter Blick enthüllt jedoch, dass unter dem Deckmantel des Wettbewerbs die Verbraucher kräftiger als je zuvor ausgeplündert werden." So zahle der Verbraucher in Deutschland für 16.000 Kilowattstunden Gas gut 1.000 Euro, in Großbritannien aber nur 600 Euro und in der Schweiz etwa 800 Euro. Mit Umsatzrenditen in der Größenordnung von zehn Prozent könnten E.ON und RWE fünfmal höhere Gewinne einstreichen als die übrige Wirtschaft, wo die mittleren Umsatzrendite bei zwei Prozent liege – und das bei deutlich geringerem Risiko. Die Großhandelspreise an der Strombörse EEX lägen mit 6,5 Cent/kWh (Durchschnitt 2008) um das Doppelte über den Herstellungskosten des Handelsgutes Strom (rund 3 Cent/kWh).

"Die schöne Welt des Energiewettbewerbs erweist sich als Fassade, die gravierendes Versagen der marktwirtschaftlichen Mechanismen verdeckt", meinte Peters. "Die Politik kommt über empörte Sätze in der Tagesschau nicht hinaus. Sie hat sich von der Versorgungswirtschaft einvernehmen lassen. Die einschlägigen Gesetze und Verordnungen wirken wie von Lobbyisten diktiert. Notwendig wäre eine wirksame Entflechtung der Energiegiganten und eine strikte öffentliche Kontrolle über die Leitungsnetze von Strom und Gas."

 

Durchschnittliche Stromrechnung eines Drei-Personen-Musterhaushalts pro Monat in Euro*

1980 1990 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
2005
2006 2007 2008 2009
Stromrechnung insgesamt 22,50 37,00 49,95 48,20 40,66 41,76 46,99 50,14 52,38
54,43
56,76 60,20 63,15 67,10
- Mehrwertsteuer ** 3,32 4,54 6,90 6,65 5,60 5,75 6,48 6,92 7,23
7,51
7,83 9,61 10,08 10,81
- Konzessionsabgabe *** 2,65 3,65 5,22 5,22 5,22 5,22 5,22 5,22 5,22
5,22
5,22 5,22 5,22 5,22
- Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) - - - - 0,38 0,58 0,73 0,96 0,91
0,99
0,90 0,85 0,58 0,67
- Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)**** - - 0,23 0,28 0,58 0,67 1,02 1,23 1,49
2,01
2,57 2,95 3,29 3,30
- Kohlepfennig 0,97 2,47 - - - - - - -
-
- - - -
- Stromsteuer ("Ökosteuer") - - - 2,25 3,73 4,46 5,22 5,97 5,97
5,97
5,97 5,97 5,97 5,97
Erzeugung, Transport und Vertrieb 18,56 26,34 37,60 33,80 25,15 25,08 28,32 29,84 31,56
32,73
34,27 35,70 38,01 41,73
* Jahresverbrauch 3500 Kilowattstunden. Die aktuelle BDEW-Übersicht für die Jahre 1998 bis 2009 wurde aufgrund früherer Angaben (040107) um die Jahre 1990 und 1980 ergänzt.
** 1980: 13 Prozent; 1990: 14 Prozent; 1998-2007: 16 Prozent; ab 2007: 19 Prozent)
*** regional sehr unterschiedlich: ab 1992 je nach Gemeindegröße 1,32 bis 2,39 Cent/kWh
**** bis 2000 Stromeinspeisungsgesetz

 

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