Oktober 2008

081002

ENERGIE-CHRONIK


Rußland betreibt Gründung einer "Gas-Opec"

Rußland hat sich mit dem Emirat Katar und dem Iran zusammengetan, um die Gründung eines Gaskartells nach Art der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) voranzutreiben. Gemeinsam wollen die drei Förderländer das Forum gasexportierender Staaten (GEFC) dazu bewegen, bei seinem siebten Treffen am 18. November in Moskau eine feste Organisationsform nach Art der Opec anzunehmen. Bisher dient das 2001 gegründete Forum nur dem lockeren Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern, die mehr als 70 Prozent der weltweiten Gasförderung kontrollieren. Beim letzten Forum, das am 9. April 2007 in Doha stattfand, hatte das gastgebende Emirat Katar ebenfalls schon für eine Organisationsform nach Art der Opec geworben, aber keine Mehrheit gefunden.

Der Gazprom-Chef Alexej Miller war am 21. Oktober mit Vertretern Katars und des Irans in Teheran zusammengetroffen, um das Bündnis zu beschließen. Laut einer Gazprom-Pressemitteilung erklärte Miller, die drei Staaten verfügten über "die größten Gasreserven der Welt" und "gemeinsame strategische Interessen". Sie seien übereingekommen, sich drei bis viermal im Jahr zu treffen, um die Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuschöpfen. Das erste dieser Treffen werde bereits binnen einer Woche in Doha stattfinden. Außerdem bestehe Übereinstimmung, daß das Forum gasexportierender Staaten (GEFC) möglichst schnell in eine ständige Organisation überführt werden solle.

Vorausgegangen war ein ungewöhnlich starkes russisches Aufgebot bei der 149. Opec-Tagung, die am 10. September in Wien stattfand. Obwohl Rußland nur Beobachterstatus hat, erschien es mit einer zwanzigköpfigen Delegation. Vizepremier Igor Setschin überreichte den Teilnehmern ein Memorandum, in dem er ihnen eine "intensive Zusammenarbeit" beim Gasexport anbot.

Anfang 2007 änderte der Kreml seine bisherige Haltung

Die Idee einer "Gas-Opec" steht schon seit längerem im Raum. Vor allem der Iran und Katar machten sich dafür stark. Ferner gelten Algerien, Ägypten, Nigeria, Venezuela, Indonesien und Libyen als mögliche Teilnehmer eines solchen Kartells. Rußland verhielt sich dagegen zunächst reserviert bis ablehnend. Das änderte sich erst im Februar 2007, als Kremlchef Putin plötzlich doch Geschmack an dem Vorhaben fand und es als "interessante Idee" bezeichnete. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) reagierte darauf mit der Feststellung, daß Kartelle immer die Preise nach oben treiben würden. Zugleich warnte sie Rußland und die anderen Interessenten vor den "kontraproduktiven" Auswirkungen eines solchen Kartells, da die betroffenen Abnehmerländer dann in verstärkten Maße Kohle oder Kernenergie anstelle von Gas verwenden würden.

Die Beteiligten hüten sich allerdings, von Preisabsprachen zu reden. Offiziell geht es ihnen nur um die langfristige Sicherung der weltweiten Gasversorgung oder um technische Zusammenarbeit. Der Chef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, Alexej Miller, möchte auch den Ausdruck "Gas-Opec" nicht verwendet sehen. "Das sind keine tückischen Pläne gegen die Verbraucher", ließ er über russische Medien wissen. Es gehe lediglich darum, "das Forum gasexportierender Länder so umzugestalten, dass es zu einer ständig funktionierenden Organisation mit eigener Satzung und Hauptquartier wird".

Vermutlich will sich Rußland strategische Optionen sichern

In der Tat ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wie Rußland aus dem neuen Bündnis unmittelbaren Nutzen im Sinne eines Preiskartells ziehen könnte. Da es mit seinen Hauptkunden in Westeuropa langfristige Lieferverträge abgeschlossen hat, sind sowohl die Fördermengen als auch die Preise bis auf weiteres festgelegt. Eine spiegelbildliche Übertragung des Öl-Kartells der Opec auf die Gaswirtschaft ist auch deshalb nicht möglich, weil es - anders als beim Öl - keinen einheitlichen Weltmarkt für Gas gibt. Der Transport von verflüssigtem Erdgas (LNG) mittels speziell ausgerüsteter Tankschiffe ist zwar bereits gängige Praxis und weist steigende Tendenz auf. Er ist aber so aufwendig und teuer, daß er erst bei Entfernungen von mehr als 3000 Kilometer mit dem Pipeline-Transport konkurrieren kann. In Deutschland gibt es bisher noch keinen Umschlagplatz für LNG-Tanker, obwohl das Land der größte Gasverbraucher der EU ist.

Vermutlich geht es Rußland darum, sich strategische Optionen zu sichern, falls der LNG-Handel in Zukunft eine noch größere Rolle spielen sollte, und mögliche Konkurrenten ins eigene Boot zu holen, bevor sie feste Beziehungen mit Großkunden eingehen und so langfristig die Position Rußlands als Hauptlieferant Westeuropas schwächen. Sowohl Katar als auch der Iran spielen bisher als Exporteure keine große Rolle, verfügen aber über riesige Erdgas-Reserven. Katar setzt dabei auf den LNG-Transport. Der Iran hätte die Möglichkeit, über die geplante "Nabucco"-Pipeline direkt nach Westeuropa zu liefern.