Januar 2004

040104

ENERGIE-CHRONIK


Verteilungskämpfe um den "Allokationsplan" für Emissionsrechte

Im Vorfeld der geplanten Gesetzgebung zum Emissionshandel gibt es zwischen Politik und Wirtschaft, innerhalb der Bundesregierung sowie innerhalb der betroffenen Branchen erhebliche Differenzen um die Erstellung des sogenannten Allokationsplans, der gemäß der EU-Richtlinie (030701) bis spätestens Ende März der Kommission in Brüssel vorgelegt werden muß. Der Plan enthält die Regeln für die Zuteilung von Berechtigungen und begrenzt deren Gesamtmenge. Er wird von der Bundesregierung erstellt und dient als Vorlage für das Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan, auf dessen Grundlage dann die betroffenen Anlagenbetreiber ihre Einzelzuteilungen erhalten. Dieser nationale Zuteilungsplan wird für jede Zuteilungsperiode - die erste geht von 2005 bis Ende 2007 - vom Bundestag neu beschlossen. Den allgemeinen rechtlichen Rahmen regeln das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und eine Artikel-Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz, deren Entwürfe bereits im Dezember vom Bundeskabinett verabschiedet wurden (031204).

Der Handel mit Emissionsrechten soll so funktionieren, daß Großfeuerungsanlagen ab 20 MW und andere Groß-Emittenten künftig eine Berechtigung für die von ihnen freigesetzten CO2-Mengen benötigen. Die Erstausgabe der Zertifikate erfolgt kostenlos auf Grundlage der Emissionen, welche die ca. 2600 betroffenen Anlagen im Zeitraum 2000 bis 2002 freigesetzt haben. Die Gesamtmenge der zulässigen CO2-Emissionen wird gedeckelt und schrittweise so verringert, daß sie anteilsmäßig den Verpflichtungen zur CO2-Reduzierung entspricht, die Deutschland im Rahmen des Kyoto-Protokolls (971215) und der EU-Lastenteilung (020302) eingegangen ist.

Gesprächsrunde mit der Wirtschaft ergebnislos abgebrochen

Am 29. Januar wurde eine Gesprächsrunde zwischen den Staatssekretären der beiden beteiligten Ministerien und Vertretern der Wirtschaft ergebnislos abgebrochen, nachdem die Differenzen innerhalb der Bundesregierung offen zutage getreten waren: Staatssekretär Baake vom Bundesumweltministerium hatte bei dem Treffen überraschend einen fertigen Entwurf für den Allokationsplan vorgelegt, demzufolge die CO2-Emissionen in der ersten Handelsphase von 2005 bis 2007 um durchschnittlich 7,5 Prozent verringert werden sollen. Staatssekretär Adamowitsch vom Bundeswirtschaftsministerium verließ daraufhin verärgert die Runde, weil er sich vom Bundesumweltministerium übergangen fühlte. Die Vertreter der Industrie nahmen dies zum Anlaß, um das Gespräch ebenfalls abzubrechen. Für den 12. Februar sind erneute Verhandlungen auf Staatssekretärsebene vorgesehen.

RWE und Vattenfall befürchten "Dekarbonisierung" der Stromerzeugung

Bisher kam Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) den Wünschen der Wirtschaft nur insoweit entgegen, als die gratis zugeteilten Zertifikate bei der Ersetzung einer Altanlage auch für die neue Anlage gelten sollen. Wenn Kraftwerksneubauten keine alte Anlage ersetzen, sollen die wesentlich emissionsärmeren GuD-Kraftwerke als Vergleichsmaßstab dienen. Für den Neubau von Kohlekraftwerken wäre somit der Zukauf von Emissionsrechten erforderlich, was die Stromgestehungskosten entsprechend erhöhen würde. Außerdem soll die Übertragung der Emissionsrechte von alten auf neue Anlagen nur bis 2012 gelten. Die großen Kohlekraftwerksbetreiber RWE und Vattenfall befürchten deshalb eine "Dekarbonisierung" der Stromerzeugung zugunsten von Gaskraftwerken. Vattenfall-Chef Klaus Rauscher kündigte an, vor Gericht zu ziehen, falls die Vorleistungen des ostdeutschen Braunkohleverstromers zum Klimaschutz nicht honoriert würden. (Handelsblatt, 14.1. u. 23.1.)

Trittin lehnt brennstoffbezogene Standards als "Planwirtschaft" ab

Minister Trittin verteidigte die vorgesehene Regelung. Es sei "Planwirtschaft", wenn der Staat die Emissionsrechte nach Brennstoffen verteilen solle, erklärte er am 23. Januar in einer Pressemitteilung. "Wir wollen eine Übertragungsregelung auf der Basis des Produkts - nicht des Brennstoffs." Der erhöhte Standard für die Zuteilung von Emissionsrechten gelte außerdem "nur für Investoren, die neu auf den deutschen Markt kommen, also keine Altanlagen ersetzen".

Als Kompromiß schlug der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor, für Neuanlagen grundsätzlich soviele Emissionsrechte zuzuteilen, wie eine moderne Anlage mit dem jeweiligen Brennstoff benötigt. Dafür sollen die Emissionsrechte stillgelegter Anlagen ersatzlos eingezogen werden, unabhängig davon, ob sie durch eine neue Anlage ersetzt werden. (FTD, 26.1.)

Clement gegen "gezielte Förderung des Brennstoffwechsels"

Trittins Pläne stoßen auch bei Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) auf Widerstand, der wiederholt als Befürworter der Kohleverstromung aufgetreten ist. "Wir wollen keine Struktursteuerung zu Lasten bestimmter Energieträger", sagte Clement, ohne Trittin beim Namen zu nennen. Es dürfe beim Handel mit Emissionszertifikaten keine "gezielte Förderung des Brennstoffwechsels durch Übertragung von Zertifikaten von Kohle- auf Erdgaskraftwerke" geben. (FR, 29.1.)

Kritiker machen zudem geltend, daß der Emissionshandel in der ersten Phase von 2005 bis 2007 nur Kohlendioxid einbezieht. Damit erhalte Gas einen unverdienten Bonus, weil das ebenfalls klimaschädliche Methan, das vor allem bei der Förderung und beim Transport von Erdgas entweicht, nicht berücksichtigt wird.

Sonderwünsche für Kernkraft und Fernwärme

Differenzen gibt es ferner unter den Betreibern der über 2600 Anlagen, die in Deutschland künftig Emissionszertifikate benötigen. Presseberichten zufolge verlangten die Kernenergiebetreiber kostenlose Zertifikate für alle konventionellen Kraftwerke, die sie aufgrund des Ausstiegs aus der Kernenergie in den nächsten zwanzig Jahren neu errichten müssen. Der E.ON-Konzern soll - u.a. aufgrund seines hohen Kernenergieanteils und seiner starken Verankerung im Gasgeschäft - andere Präferenzen pflegen als RWE und Vattenfall. Die Betreiber von KWK-Anlagen möchten einen Bonus dafür, daß die Fernwärme in der Regel mit individuellen Feuerungsanlagen konkurriert, die unter der Grenze von 20 MW liegen und deshalb nicht vom Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) erfaßt werden. Da die Zahl der Zertifikate jedoch begrenzt ist - als Basis dienen die tatsächlichen Emissionen der Jahre 2000 bis 2002 - gehen solche Sonderwünsche zu Lasten der anderen Anwärter und finden bei diesen entsprechend wenig Verständnis. (Berl. Ztg. 23.12.; Zeit, 22.1.)

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