Juli 2003

030719

ENERGIE-CHRONIK


Kartellamt warnt vor "Duopol" von E.ON und RWE auf dem deutschen Energiemarkt

Der deutsche Strommarkt wird weitgehend von dem "Duopol" E.ON und RWE beherrscht. Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Vattenfall Europe folgen bei allen Strukturdaten mit so großem Abstand, daß sie nicht als ebenbürtige Konkurrenten gelten können. Zu dieser Feststellung gelangt das Bundeskartellamt in seinem Tätigkeitsbericht für die Jahre 2001/2002, den es am 23. Juli 2003 vorlegte. Das Amt stellt ferner fest, daß das Marktgeschehen bisher nur bei Industriestrom einigermaßen befriedigt. Bei den Haushaltskunden könne von einem funktionierenden Wettbewerb weiterhin keine Rede sein. Im Gasbereich bestehe die Gefahr, daß marktbeherrschende Stellungen noch verstärkt werden. Wegen der zunehmenden Bedeutung gasbefeuerter Kombikraftwerke zeichne sich außerdem eine Verschmelzung und wechselseitige Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen im Gas- und Strombereich ab.

Beim Industriestrom ist das Amt recht zuversichtlich, daß der Durchleitungswettbewerb weiter zunimmt und sich damit die Prognose eines bundesweiten Strommarktes bestätigt. Bei den Haushaltskunden sei dagegen eine derartige Tendenz nicht zu erkennen. Der tatsächliche Netzzugang für neue Anbieter werde weiter behindert. Die entscheidende Behinderung, die auch für die geringe Wechselquote von unter fünf Prozent der Haushaltskunden verantwortlich sei, gehe von den Netznutzungsentgelten aus, die im Niederspannungsbereich besonders hoch seien. Außerdem erfolge die Belieferung der Wechselkunden häufig im sogenannten Beistellungsverfahren. Nur etwa die Hälfte der von Wechselkunden bestellten Strommenge werde tatsächlich per Durchleitung und somit wettbewerbswirksam geliefert.

"Oligopolistisches Parallelverhalten" von RWE und E.ON

Die gemeinsamen Marktanteile von RWE und E.ON beziffert das Bundeskartellamt mit über 60 Prozent bei der Belieferung von Weiterverteilern, über 40 Prozent bei letztverbrauchenden Großkunden und über 60 Prozent bei der installierten Kraftwerkskapazität. Beim Transport und der Verteilung des Stroms gehörten beiden Unternehmen über 60 Prozent des Höchstspannungsnetzes, über 70 Prozent des Hochspannungsnetzes und jeweils etwa 50 Prozent des Mittel- und Niederspannungsnetzes. Die Bedeutung des Duopols von RWE und E.ON werde noch dadurch unterstrichen, daß sie zusammen über rund 210 Minderheitsbeteiligungen (ab 10 Prozent) an Regionalversorgern und Stadtwerken verfügen.

Bei dieser Marktstruktur sowie angesichts der Homogenität und des geringen Innovationspotentials des Produktes Strom sei von RWE und E.ON ein "oligopolistisches Parallelverhalten" zu erwarten. Das Bundeskartellamt geht davon aus, "daß beide Marktführer ihre Erzeugungskapazitäten parallel entwickeln werden, auf preisliche Wettbewerbsvorstöße verzichten und Kundenansprache sowie künftige Beteiligungsstrategien insbesondere auf ihre jeweiligen angestammten Versorgungsgebiete ausrichten werden."

Fortschreitende vertikale Integration verhindert Wettbewerb

Der Konzentrationsprozeß sei rasch vorangeschritten. Innerhalb der beiden Jahre des Berichtszeitraums hätten allein RWE, E.ON und EnBW zusammen 82 neue Beteiligungen (ab zehn Prozent) an lokalen Stromweiterverteilern erworben. Diese fortschreitende vertikale Integration drohe dem mit der Liberalisierung erhofften Eintritt neuer Marktteilnehmer vollends den Boden zu entziehen. Das Amt werde deshalb seine bisherige Praxis, Beteiligungen bis zu zwanzig Prozent im Normfall zu genehmigen (020107), nicht mehr fortsetzen.

Verteuerung von Kraftwerksgas befürchtet

Im Rahmen der Fusionskontrolle befaßt sich der Jahresbericht mit dem Einstieg der EnBW bei den Stadtwerken Düsseldorf (020107), der Gründung der GEW Rheinenergie durch RWE und GEW Köln (021012), der Übernahme von Ruhrgas durch E.ON (030101), dem Verkauf des Regionalversorgers Wesertal an E.ON (020401) und der EnBW-Mehrheitsübernahme am Regionalversorger ZEAG (020808). Im Zusammenhang mit der Fusion E.ON/Ruhrgas, die gegen seinen Einspruch durch eine besondere Ministererlaubnis ermöglicht wurde, verweist das Amt auf die wachsende Bedeutung von gasbefeuerten Kombikraftwerken (GuD). In Anbetracht der führenden Stellung von E.ON und RWE auf dem Gasmarkt sei zu befürchten, daß beide insbesondere die Konkurrenz durch unabhängige Stromerzeuger (IPP) verhindern, indem sie das Preisgefüge für Kraftwerksgas insgesamt nach oben drücken. In ähnlicher Weise könnte eine Behinderung durch überhöhte Netznutzungsentgelte erfolgen.

Mißbrauchsverfahren wegen überhöhter Netznutzungsentgelte

Im Rahmen der Verhaltenskontrolle erwähnt der Bericht des Kartellamts die Vorverfahren gegen insgesamt 23 Netzbetreiber wegen des Verdachts mißbräuchlich überhöhter Netznutzungsentgelte (010902). Gegenwärtig seien zwölf Verfahren anhängig. Untersagungsverfügungen wurden gegen die Stadtwerke Mainz (030405) und den ostdeutschen Regionalversorger TEAG (030202) erlassen. Im letzteren Verfahren habe man "inzident die Mißbräuchlichkeit bestimmter Punkte der Preisfindungsprinzipien der VV Strom II plus festgestellt". Eine weitere Untersagungsverfügung bekam RWE Net wegen mißbräuchlich überhöhter Meß- und Verrechnungspreise (030203). Außerdem forderte das Amt sämtliche Übertragungsnetzbetreiber zur Senkung der Kostenansätze für Regelenergie auf (030204). Die Verweigerung der Netznutzung oder die Erhebung von Wechselgebühren kam nur noch selten vor. Die sogenannten Best-Practice-Empfehlungen zum Lieferantenwechsel (020909) hält das Amt für geeignet, eine vorübergehende Lösung der Transferprobleme beim Massengeschäft zu bewirken, sofern die Netzbetreiber die Empfehlungen zügig umsetzen. Die Gründung der citiworks AG durch entega und Stadtwerke München (011120) wurde als Rationalisierungskartell für fünf Jahre genehmigt.

Im Abschnitt zur Gaswirtschaft geht das Kartellamt erneut auf die Übernahme von Ruhrgas durch E.ON ein und bekräftigt seine ablehnende Haltung: Die Fusion führe zu einem für den Wettbewerb gefährlichen Ausmaß an vertikaler Integration mit einer erheblichen Marktverschlußwirkung für aktuelle und potenzielle Wettbewerber. In einer Phase beginnender Liberalisierung auf den Gasmärkten würden damit die Chancen für wirksamen Wettbewerb durch andere Ferngasunternehmen von vornherein deutlich verschlechtert und die bereits marktbeherrschende Stellung der Ruhrgas zementiert.

Im übrigen Teil seines Berichts zur Gaswirtschaft behandelt das Amt unter anderem die Beteiligungen von EDF und VNG am Regionalversorger EMB Erdgas Mark Brandenburg (030508), die Übernahme der Stadtwerke Düren durch RWE (010710) und die Zusammenlegung des Gasgeschäfts von Saar Ferngas und Pfalzwerke (030111).

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