Die energiepolitischen Ziele der rot-grünen Koalition für die Jahre 2002 - 2006

Auszüge aus der Koalitionsvereinbarung, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 16. Oktober 2002 unterzeichneten

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Ökologische Finanzreform

Die seit 1999 neue Besteuerung unter ökologischen Gesichtspunkten (Ökosteuer) hat sich bewährt. Sie hat den Umweltverbrauch teurer gemacht und den Verbrauch von Energie minimiert. Gleichzeitig hat sie den Faktor Arbeit entlastet. In dieser Legislaturperiode wird die bereits vom Gesetzgeber beschlossene 5. Stufe der Ökosteuer zum 1. Januar 2003 in Kraft treten; daran halten wir fest. Im Vordergrund steht in der nächsten Zeit das Abschmelzen umweltschädlicher Subventionen im Steuerrecht.

Im Jahr 2004 werden wir im Hinblick auf die Emission klimaschädlicher Gase, den Ölpreis, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und die soziale Verträglichkeit überprüfen, ob und wie die Besteuerung unter ökologischen Gesichtspunkten weiterzuentwickeln ist.

Unter anderem werden wir folgende Maßnahmen umsetzen:


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ÖKOLOGISCHE MODERNISIERUNG UND VERBRAUCHERSCHUTZ

Umsetzung und Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie

Das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung bestimmt unser Regierungshandeln. Nachhaltige Entwicklung ist zentrales Ziel unserer Reformpolitik. Wir wollen sie in einem intensiven Dialog mit allen wichtigen gesellschaftlichen Gruppen weiter konkretisieren. Die Bundesregierung wird erstmals im Frühjahr 2004 und danach regelmäßig alle zwei Jahre einen Bericht zur Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vorlegen. Darüber hinaus werden wir für die in der Strategie bereits perspektivisch angelegten Schwerpunktfelder konkrete Ziele und Maßnahmen entwickeln. Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie wird der Deutsche Bundestag in geeigneter Weise parlamentarisch begleiten.

Öko-Effizienz - die Jobmaschine von morgen

Mit der Politik der ökologischen Modernisierung führen wir Arbeit und Umwelt zusammen. Dadurch wird eine Steigerung der Öko-Effizienz, eine Kostenentlastung bei den Unternehmen und eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht. Gleichzeitig werden mehr Arbeitsplätze geschaffen und die Umwelt geschützt. Der heutige Material- und Energieeinsatz ist in diesem Umfang nicht notwendig. Durch eine Effizienzrevolution beim Einsatz von Energie, Rohstoffen und Material wird eine Produktivitätssteigerung möglich, die die starke Exportstellung der Bundesrepublik ausbaut.

Mehr Öko-Effizienz stärkt vor allem den Mittelstand und das Handwerk, entlastet die öffentlichen Haushalte, ermöglicht eine höhere Umweltqualität und schafft im großen Umfang mehr Beschäftigung durch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Dafür werden wir Netzwerke aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft fördern, die systematisch die Voraussetzungen für eine derartige Innovationsstrategie verwirklichen.

Internationale Umweltpolitik

Die Bundesrepublik unterstreicht nachdrücklich die Verpflichtungen, die sie beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg eingegangen ist.

Der Zugang zum elementaren Lebensmittel Wasser muss verbessert werden. Deutschland wird in den nächsten Jahren 350 Mio. Euro bereitstellen, um die Zahl der Menschen zu verringern, die keinen Zugang zu sauberem Wasser und einer angemessenen Abwasserbehandlung haben.

Zur Bekämpfung von Armut ist der Zugang zu Energie eine Voraussetzung. Hierbei spielen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz eine Schlüsselrolle. Die Bundesregierung wird in den nächsten 5 Jahren den Entwicklungsländern 500 Millionen Euro zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und weitere 500 Millionen Euro zur Steigerung der Energieeffizienz bereitstellen.

Deutschland wird im Jahr 2003 zu einer internationalen Konferenz für Erneuerbare Energien einladen und an der Schaffung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien arbeiten.

Die Bundesregierung setzt sich für die Aufnahme verbindlicher Sozial- und Umweltstandards in der WTO und für eine Fortentwicklung der UNEP zu einer Weltumweltorganisation ein. Sie wird die Initiativen für eine international koordinierte Einführung von Entgelten auf die Nutzung von Luftraum und Weltmeeren unterstützen. Wir werden uns an der Entwicklung einer internationalen Strategie zur Minimierung der negativen Auswirkungen von Chemikalien auf Mensch und Natur beteiligen.

Klimaschutz

Deutschland wird seine Vorreiterrolle beim internationalen Klimaschutz weiter offensiv wahrnehmen. Wir werden vorschlagen, dass die EU sich im Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls bereit erklärt, ihre Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 30 % (gegenüber dem Basisjahr 1990) zu reduzieren. Unter dieser Voraussetzung wird Deutschland einen Beitrag von minus 40 % anstreben.

Wir bekräftigen das nationale Klimaschutzprogramm von 2000 mit seinen sektoralen Ansätzen. Wir werden es entsprechend dem Kyoto-Protokoll und einer solchen EU-Lastenverteilung fortschreiben.

Die Bundesregierung unterstützt die Einführung eines Emissionshandelssystems in Europa; dies auch in Ansehung der Spitzenstellung Deutschlands beim Klimaschutz. Die im Rahmen der europäischen Lastenverteilung für den Zeitraum von 2008 bis 2012 übernommene Verpflichtung ist nahezu erfüllt. Dazu leisten vor allem die Vereinbarungen der Bundesregierung mit der Wirtschaft einen wesentlichen Beitrag. Deshalb legen wir Wert darauf, dass eine europäische Richtlinie über den Emissionshandel die Selbstverpflichtungen nicht gefährdet. Vor diesem Hintergrund muss eine europäische Richtlinie folgende wesentliche Anliegen berücksichtigen:


Fortsetzen der Energiewende

Klimaschutz und Energiewende stellen nicht nur ein Plus für die Umwelt dar. Hier sind in den vergangenen Jahren Zehntausende neuer Arbeitsplätze entstanden. Umwelt schafft Arbeit. Dieses wollen wir fortsetzen und verstärken.

Zur Fortentwicklung der Energieeinsparung im Gebäudebereich werden

Das EEG und die Förderpolitik werden mit dem Ziel weiterentwickelt, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung und am Primärenergieverbrauch bis spätestens zum Jahr 2010 (gegenüber dem Basisjahr 2000) zu verdoppeln.

Die Bundesregierung wird den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und den Marktdurchbruch der Brennstoffzelle sowie der dezentralen Blockheizkraftwerke gemäß dem in der letzten Legislaturperiode geschaffenen Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz und der Vereinbarung mit der Industrie zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung vorantreiben.

Im Offshore-Bereich sollen bis 2006 Windenergieanlagen mit mindestens 500 Megawatt Leistung und bis 2010 mit 3000 Megawatt installiert werden. Die zeitliche Befristung der Förderung im EEG wird an diese Ziele angepasst.

Die Bundesregierung wird das EEG überprüfen und dabei die Förderhöhe technologiebezogen degressiv anpassen.

Wir wollen den energierechtlichen Ordnungsrahmen fortentwickeln und die bereits vorliegende Energierechtsnovelle umgehend unverändert erneut in den Bundestag einbringen. Für den Fall, dass für die 2003 auslaufende Verbändevereinbarung Gas keine akzeptable Anschlussregelung gefunden wird, wird die Bundesregierung eine Netzzugangsverordnung auf den Weg bringen.

Bei der Erzeugung von Wärme durch Erneuerbare Energien wird für eine Verstetigung des Rahmens der Förderung Sorge getragen. Ziel ist es, die Fläche an Sonnenkollektoren in den nächsten vier Jahren zu verdoppeln.

Die Bundesregierung wird die Exportinitiative Erneuerbare Energien fortsetzen und verstärken.

Ausstieg aus der Atomenergie

Mit der Vereinbarung vom 14. Juni 2000 haben sich die Bundesregierung und die Energieversorgungsunternehmen darauf verständigt, die künftige Nutzung der vorhandenen Kernkraftwerke zu befristen und für die verbleibende Nutzungsdauer den sicheren Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung zu gewährleisten.

Die Vereinbarung wird nach Geist und Inhalt konsequent umgesetzt. Dies gilt auch für die Positionierung der Bundesregierung in internationalen Gremien und für Vorhaben der Europäischen Kommission.

Nach der endgültigen Stilllegung des AKW Mülheim-Kärlich in 2002 wird in 2003 das AKW Stade vom Netz gehen.

Entsprechend der Vereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen und den Festlegungen der Umweltministerkonferenz wird für bestehende Anlagen ein umfassendes Sicherheitsmanagement eingeführt. Die Forschung zur Erhöhung der Sicherheit vorhandener Reaktoren wird unterstützt.

Spätestens mit dem Inkrafttreten des Transportverbots zu den Wiederaufarbeitungsanlagen am 1.7.2005 sollen alle erforderlichen dezentralen Zwischenlager an den AKW-Standorten betriebsbereit sein, um innerdeutsche Atomtransporte zu vermeiden.

Nach Abschluss der Arbeiten des "Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlager" wird die Bundesregierung dem Bundestag einen Beschlussvorschlag zu den Auswahlkriterien und dem Auswahlverfahren für den Standort eines Endlagers entsprechend der Koalitionsvereinbarung von 1998 unterbreiten. Zur Frage der Finanzierung der Erkundungsarbeiten strebt die Bundesregierung eine Verständigung mit den Energieversorgungsunternehmen an, die deren Verantwortung als Abfallverursacher gerecht wird. Zuständigkeits- und Verfahrensfragen, einschließlich der Standortentscheidung für ein Endlager, werden gesetzlich geregelt.

Die Bundesregierung unterstützt die Initiative der Europäischen Kommission, in einer erweiterten Europäischen Union einheitliche Mindeststandards für den sicheren Betrieb von Kernkraftwerken festzulegen.

Verträge mit anderen Staaten, die der Förderung der Kernenergie dienen, werden mit dem Ziel überprüft, ob sie aufzuheben oder anzupassen sind.

Die staatliche Förderung der Entwicklung von nuklearen Techniken zur Stromerzeugung wird beendet.

Effizienzsteigerung beim Umweltrecht

Eine Straffung des zersplitterten Umweltrechts in einem Umweltgesetzbuch und eine damit einhergehende Entbürokratisierung erfordert eine einheitliche Bundeskompetenz im Umweltschutz. Wir werden daher eine Initiative für eine entsprechende Verfassungsänderung beim Wasserrecht starten. Damit wird der Schutz der Umwelt effektiver gewährleistet und das Umweltrecht praktikabler und transparenter gestaltet. Die Aarhus-Konvention, die den Zugang zu Umweltdaten festlegt, wird zügig ratifiziert.

Moderne Abfallwirtschaft

Im Zentrum unserer Abfallpolitik steht die Produktverantwortung. Mit ihr wollen wir erreichen, dass bereits in der Produktionsphase die Voraussetzungen für eine effektive und umweltverträgliche Abfallvermeidung und -verwertung geschaffen werden. Stoffkreisläufe wollen wir schließen. Mit der Ablagerungs-, der Gewerbeabfall-, der Altholz- und der Bergversatzverordnung haben wir ökologische Standards für eine umweltverträgliche Verwertung geschaffen und Schlupflöcher für Billigentsorgungen geschlossen. Diese Politik wollen wir konsequent fortsetzen.

Die Emissionsstandards für die Mitverbrennung von Abfällen in Industrieanlagen werden wir verschärfen.

Es werden alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um das Dosenpfand pünktlich zum 1. Januar 2003 einzuführen.

Zum Schutz von Boden, Luft und Wasser dürfen ab 2005 nur noch vorbehandelte Siedlungsabfälle abgelagert werden. Die Kommunen sind aufgefordert, die erforderlichen Anlagen zügig bereitzustellen. Die vom Bundesrat mitbeschlossene Frist 2005 wird nicht verändert.

Gewässer- und Naturschutz

Auf der Donau zwischen Straubing und Vilshofen wird die Schiffbarkeit ohne den Bau weiterer Staustufen verbessert. Staustufen an der Saale werden nicht gebaut. Die Ausbaumaßnahmen und in ihren Auswirkungen vergleichbare Unterhaltungsmaßnahmen auf der Elbe werden nicht umgesetzt.