Februar 2001

010206

ENERGIE-CHRONIK


Wiederaufnahme von Nukleartransporten spaltet Kernkraftgegner

Die ersten sechs von insgesamt 168 Containern mit deutschem Atommüll, die in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague für den Rücktransport bereitstehen, sollen Ende März ins Zwischenlager Gorleben transportiert werden. Darauf verständigten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein französischer Amtskollege Lionel Jospin am 31.1. bei einem Treffen in Straßburg. Die französische Regierung hatte weitere Transporte von abgebrannten Brennelementen aus deutschen Kernkraftwerken zur Wiederaufarbeitungsanlage La Hague vom Beginn dieser Rücktransporte abhängig gemacht (001020). Die dafür erforderliche Genehmigung ist vom Bundesamt für Strahlenschutz bereits erteilt worden (001117).

Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Rücktransporte und der deshalb entstandenen Konflikte innerhalb des grünen Lagers (010120) lud Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) am 20.2. Vertreter von Umweltverbänden zu einem Gespräch in Bonn ein, wobei er um Verständnis für die Notwendigkeit der Transporte im Zusammenhang mit dem im Juni vorigen Jahres vereinbarten Kernenergie-Kompromiß (000601) warb. Der Einladung folgten allerdings nur Vertreter des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und des Naturschutzbundes NABU. Auch die beiden erschienenen Verbände brachten ihre Ablehnung der geplanten Nukleartransporte zum Ausdruck und behielten sich vor, zu friedlichen Protesten aufzurufen. Boykottiert wurde das Gespräch unter anderen von Greenpeace, BUND, BBU und Robin Wood. Greenpeace ließ verlauten, dass man nur zu einem Gespräch im Beisein von Bundeskanzler Schröder bereit sei, da dieser die atompolitischen Schlüsselentscheidungen treffe (SZ, 21.2.).

Erste Proteste und Blockaden

Am Zwischenlager Ahaus demonstrierten am 18.2. etwa 1400 Kernkraftgegner gegen die Wiederaufnahme der Nukleartransporte. Die Sprecherin der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Edelgard Gräfer, attackierte dabei Bundesumweltminister Trittin, weil er zwischen guten und schlechten Atommülltransporten unterscheide. "Aber nicht mit uns", sagte die Sprecherin. Sie lehnte auch den vereinbarten Atomkompromiß ab, weil er nur der Sicherung der bestehenden Kernkraftwerke diene.

Am selben Wochenende verübten unbekannte Täter einen Anschlag auf die Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg: Sie sägten zwei zweieinhalb Meter lange Stücke aus den Schienen und legten sie in X-Form auf das Gleis (Welt, 19.2.; FAZ, 20.2.).

Am 24.2. demonstrierten rund tausend Kernkraftgegner im niedersächsischen Dahlenburg (Landkreis Lüneburg) gegen die Wiederaufnahme der Transporte ins Zwischenlager Gorleben. Etwa 140 Demonstranten blockierten anschließend die Bahnstrecke zum Zwischenlager, bis die Polizei sie vom Gleis drängte. Am deutsch-französischen Grenzbahnhof Kehl blockierten am selben Tag etwa zwei Dutzend Demonstranten kurzzeitig den Zugverkehr im Bahnhof (SZ, 26.2.).

Wirbel um "heimliche Transporte" nach La Hague

Kurzfristig für Aufregung sorgte ein Bericht der französischen Zeitung "Le Monde" (14.2.), wonach im vorigen Jahr "unter größter Geheimhaltung" vier Transporte mit nuklearen Abfällen aus Deutschland nach der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague durchgeführt worden seien. Das Bundesumweltministerium stellte dazu fest, dass diese Transporte weder illegal noch geheim gewesen seien. Es habe sich um unbestrahlte Fertigungsreste aus der neuen MOX-Brennelementfabrik Hanau gehandelt, die 1995 nicht in Betrieb genommen wurde (950701) und vor ihrem Abriß leergefahren werden muss. Die Transporte seien im Oktober 1996 im Rahmen des Verfahrens zur Stillegung der Anlage öffentlich erörtert worden. Sie unterlägen auch nicht dem 1998 verhängten Transportverbot für abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken.