März 1998

980314

ENERGIE-CHRONIK


Vernachlässigung des Netzes führte zu wochenlangem Stromausfall in Auckland

Ein Stromausfall, der zunächst nur eine vorübergehende Panne zu sein schien, hat das Zentrum der neuseeländischen Metropole Auckland in ein wochenlang andauerndes Chaos gestürzt. Das Debakel begann damit, daß vom 22.1. bis zum 20.2. nacheinander sämtliche vier Kabel durchbrannten, die das Zentrum der Stadt versorgten. Zwei der Kabel waren vierzig, die anderen beiden zwanzig Jahre alt. Noch Ende März, nachdem die endgültige Wiederherstellung der Stromversorgung verkündet worden war, brach das Netz in der Innenstadt erneut zusammen.

Der zuständige Stromversorger Mercury Energy, der 1993 aus der Privatisierung des Auckland Electric Power Boards hervorging, hatte offenbar aus Kostengründen der Instandhaltung des Netzes nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Entsprechend einer rigiden, am "Shareholder value" orientieren Geschäftspolitik wurde die Belegschaft in den letzten sechs Jahren halbiert. Für die Reparaturarbeiten mußten Arbeiter und Ingenieure aus dem Ausland geholt werden. Bei der Privatisierung des Stromversorgers waren seinerzeit die Kunden zugleich zu Aktionären gemacht worden. Inzwischen wollen die Kunden-Aktionäre ihr Unternehmen auf riesige Summen an Schadenersatz verklagen (Stromthemen 4/98; Tagesspiegel, 2.3.; DPA, 27.3.).

Der Tagesspiegel (2.3.) spottete: "Die kleinen Leute plädierten für eine profitorientierte Shareholder-Value-Politik und ließen sich sagenhafte Gewinne auszahlen. Investiert wurde nichts, und jetzt ist alles aus. Daraus Lehren zu ziehen, würde aber nur zum Trübsinn führen. Nein, der Mensch blickt nach vorn und denkt positiv: Die Aktionäre haben jetzt als Kunden die Stromgesellschaft auf Schadenersatz verklagt, um wenigstens noch ein bißchen aus dem Laden herauszuholen. Denken auch wir positiv: Wir brauchen schleunigst ein Gesetz, daß es minderbemittelten, egoistischen, raffgierigen Mitmenschen verbietet, Aktien der Bewag und der Telekom zu erwerben."