Oktober 2023

231002

ENERGIE-CHRONIK





Der kommunale Energiekonzern MVV betreibt eines der größten deutschen Fernwärmenetze. Er versorgt in Mannheim über 60 Prozent der Haushalte und darüber hinaus Teile der benachbarten Städte Heidelberg, Speyer, Brühl, Schwetzingen und Ketsch. Die dafür benötigte Wärme kommt bisher hauptsächlich vom Großkraftwerk Mannheim (GKM), wo sie per Kraft-Wärme-Kopplung aus Steinkohle entsteht. Nur ein kleinerer Teil wird relativ umweltfreundlich durch ein Müllheizkraftwerk erzeugt.

Das ändert sich nun aber: Am 11. Oktober wurde die erste von mehreren Großwärmepumpen in Betrieb genommen, die parallel zur Beendigung der Kohleverstromung den bisher überwiegenden Steinkohle-Anteil an der Fernwärme ersetzen sollen. Die neue Flusswasserwärmepumpe funktioniert im Prinzip genauso wie eine Grundwasser-Wärmepumpe fürs Eigenheim. Sie ist allerdings etwas anders konstruiert und wesentlich größer: Vor dem Ungetüm posieren hier v.l.n.r Hansjörg Roll (Vorstand Technik MVV), Christian Maaß (BMWK), Christian Specht (OB Mannheim), Thekla Walker (Landesumweltministerin), Georg Müller (Vorstandsvorsitzender MVV), Kerstin Böcker (Vorstand Personal GKM), Gerard Uytdewilligen (Vorstand Technik GKM) und Vanessa Bauch (Siemens Energy).

Großwärmepumpe erzeugt mit Rheinwassser Fernwärme

Auf dem Gelände des Großkraftwerks Mannheim (GKM) wurde am 11. Oktober eine Großwärmepumpe in Betrieb genommen, die als Wärmequelle das Wasser des Rheins nutzt, aus dem das GKM bisher das Kühlwasser für insgesamt vier Steinkohle-Heizkraftwerke bezieht. Diese Flusswasser-Wärmepumpe soll in den folgenden Jahren durch weitere solcher Anlagen ergänzt werden. Zusammen mit anderen Maßnahmen wird es dadurch möglich, die drei Steinkohle-Blöcke 6, 8 und 9 stillzulegen, die bisher in Kraft-Wärme-Kopplung neben Strom auch Fernwärme erzeugen (der Block 7 wurde bereits zur Stilllegung angemeldet, muss aber wegen "Systemrelevanz" vorläufig als Stromreserve vorgehalten werden).

Die Anlage erreicht bei einer elektrischen Leistungsaufnahme von 7 MW eine thermische Leistung von etwa 20 MW, was eine Jahresarbeitszahl von 2,8 ergibt. Das entspricht der Effizienz einer Luft-Wärmepumpe und liegt unter der von Grundwasser-Wärmepumpen, deren Jahresarbeitszahlen bei 5 liegen. Trotzdem ist es ein respektables Ergebnis, da das Flusswasser im Unterschied zum Grundwasser keine annähernd konstante Temperatur hat und deshalb gerade in der kalten Jahreszeit weniger ergiebig ist.

Rücklauf-Temperatur kann ganzjährig auf 83°C bis 99°C erhöht werden

Nach Angaben der MVV wird das Wasser des Rheins bei Mannheim im Sommer bis zu 25°C warm, während es im Winter nur etwa 5°C sind. Diese Wärmeenergie reicht jedoch aus, um das Kältemittel in der Wärmepumpe zu verdampfen und dabei das entnommene Rheinwasser um ca. 2 bis 5 °C abzukühlen. Der Kältemitteldampf wird dann mit einem strombetriebenen Verdichter komprimiert, damit Druck und Temperatur steigen. Die so erzeugte Wärme des Kältemitteldampfs wird durch Kondensation in einem Wärmetauscher auf das Wasser aus dem Rücklauf des Fernwärmenetzes übertragen, dessen Temperatur noch etwa 60°C beträgt. Dadurch kann dass Wasser mit Temperaturen zwischen 83°C bis zu 99° C erneut zirkulieren.

Das wieder aufgeheizte Wasser wird entweder direkt zurück ins Fernwärmenetz eingespeist oder in dem vorhandenen Wärmespeicher zwischengespeichert, der ein Fassungsvermögen von 43.000 Kubikmeter bzw. 1.500 Megawattstunden hat. Das dem Fluss entnommene Wasser wird durch die Wärmeabgabe am Wärmetauscher um etwa zwei bis fünf Grad Celsius abgekühlt und fließt anschließend wieder in den Rhein zurück.


Seit Juni in Betrieb ist diese kleinere Großwärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 1,3 MW, die hier per Kran für das Fernheizwerk Neukölln angeliefert wird.
Foto: FHW Neukölln

Vier weitere Großwärmepumpen werden in Berlin, Stuttgart und Rosenheim getestet

Die Anlage in Mannheim ist eine von insgesamt fünf Großwärmepumpen, die derzeit im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten "Reallabors der Energiewende" an verschiedenen Standorten in Deutschland mit unterschiedlichen Umweltwärmequellen installiert werden. Die anderen vier Projekte dieses Reallabors "Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen" befinden sich in Berlin, Stuttgart und Rosenheim:

"Mit Großwärmepumpen ließen sich 70 Prozent der Fernwärmeversorgung bis 2045 sicherstellen"

"Die gesamte deutsche Wärmenachfrage bis 200 Grad lässt sich technisch vollständig durch Wärmepumpen decken", heißt es in einer umfangreichen Studie zum "Roll-out von Großwärmepumpen in Deutschland", die seit Sommer vorliegt. Sie wurde von der "Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG" in Kooperation mit "Agora Energiewende" erstellt und mit gemeinsam verfassten Handlungsempfehlungen veröffentlicht (PDF). Da aktuell noch immer fossile Energien die Wärmeversorgung dominieren, sei es für die Erreichung der Klimaziele und zur Senkung des Erdgasverbrauchs entscheidend, den Wärmebedarf von industriellen Prozesse, Gebäuden und Wärmenetzen mit Hilfe dieser Technologie auf Erneuerbare Energien umzustellen. Dabei könnten mit Großwärmepumpen erhebliche Potenziale durch Nutzung von Geothermie, Gewässern und Abwärme erschlossen werden. Bis 2045 ließen sich so 70 Prozent der Fernwärmeversorgung sicherstellen und ein Großteil des Erdgases ersetzen. Obwohl Großwärmepumpen bereits eine bewährte Technologie seien, die in Deutschland über ein erhebliches Marktpotenzial verfüge, seien aktuell erst 60 Megawatt Leistung installiert. Ihr Markthochlauf werde durch komplexe Planungs- und Genehmigungsverfahren gebremst. Zudem würden bisher gasbasierte Wärmelösungen durch das bestehende Fördersystem über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie die höhere Abgabenlast auf Strom gegenüber Erdgas begünstigt. Diese Fehlanreize müssten behoben werden.

 

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