November 2017

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ENERGIE-CHRONIK


Lichtblick-Gründer wirbt jetzt für "Strom von Mensch zu Mensch"

Der Lichtblick-Gründer Heiko von Tschischwitz präsentierte am 16. November ein neues Unternehmen. Es heißt Enyway und ist wie das Stammunternehmen ein reiner Online-Stromvertrieb. Den Kunden werden aber besonders hübsche Geschichten angeboten. Zum Beispiel die von "Jan mit seinem Windrad an der Nordsee, Luise mit ihrer Solaranlage in Brandenburg oder Friedrich mit seinem Wasserkraftwerk im Allgäu", die ihren Strom nicht mehr anonym ins Netz einspeisen, sondern die "Lisa in Berlin" oder einen sonstigen Kunden direkt beliefern. Enyway versteht sich deshalb auch nicht als Stromanbieter, sondern als "Online-Marktplatz, auf dem sauberer Strom direkt von Mensch zu Mensch verkauft wird". Damit würden "klassische Energieversorger überflüssig". Es handele sich um nichts weniger als "die Revolution des Strommarktes".

Wird die amtliche Liste der Stromanbieter demnächst vier- oder gar sechsstellig?

Lichtblick-Gründer Heiko von Tschischwitz (rechts) geht mit Enyway neue Wege und überläßt Wilfried Gillrath (links) den alleinigen Vorsitz der Geschäftsführung. Er bleibt aber dem Unternehmen weiterhin eng verbunden.

Foto: Lichtblick

Auf der von der Bundesnetzagentur geführten Liste der Stromanbieter taucht Enyway nicht auf, und das wird auch so bleiben. "Enyway ist kein Energieversorger, sondern ein Internet-Unternehmen, das es Erzeugern ermöglicht, selbst zum Energieversorger zu werden", antwortete Enyway auf eine diesbezügliche Nachfrage. Das Modell sei vorab mit der Bundesnetzagentur abgestimmt worden. Man werde deshalb künftig auf der Liste der Bundesnetzagentur – die nach jüngstem Stand bereits 734 Stromanbieter enthielt – zwar nicht Enyway finden, aber "viele tausend und potentiell sogar hunderttausende Energieversorger".

Weil Enyway in dem neuen Vertriebsmodell nur als Vermittler für die teilnehmenden Kleinerzeuger fungiert, die als Stromanbieter auftreten, gebe es auch keinen Konflikt mit dem § 80 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), der die Doppelvermarktung von EEG-Strom untersagt. In der seit Jahresanfang geltenden Fassung des EEG werde dies nochmals klargestellt, betonte Enyway.

Statkraft besorgt die Direktvermarktung und den Ausgleich von Fehlmengen

Vom physikalischen Stromfluß her ändert sich für Kunden von Enyway ebensowenig wie für andere Bezieher von "Ökostrom". Auch die Anbieter werden ihren Wind-, Solar- oder Wasserkraftstrom wie gewohnt ins Netz einspeisen und dafür die EEG-Förderung in Form der "Marktprämie" kassieren. Da es die herkömmliche Einspeisungsvergütung nur noch für Kleinanlagen mit einer Leistung bis zu 100 Kilowatt gibt, müssen sie ihren Strom sowieso selber vermarkten. Der Unterschied ist: Der Strom wird nicht mehr über die Börse verhökert, sondern einem festen Kreis von Endkunden verkauft. Der bezieht dann zwar weiterhin denselben Strom-Mix aus der Steckdose, kann sich aber dank der Vertragskonstruktion vorstellen, eine ganz persönliche Beziehung zu "seinem" Stromlieferanten zu haben. Schließlich bekommt er seinen Strom laut Werbung "direkt vom Erzeuger".

Die Vermarktung des EEG-Stroms besorgt dabei weder der Lieferant noch Enyway, sondern – wie dies auch sonst üblich ist – ein darauf spezialisiertes Unternehmen. In aller Regel ist dies die Statkraft Markets GmbH, eine Tochter des norwegischen Energiekonzerns. Die kümmert sich dann auch um "die Vermarktung von Überschußmengen und den Einkauf fehlender Strommengen". Die Kunden dürfen also nicht erwarten, daß die von ihren Vertragslieferanten eingespeisten Strommengen tatsächlich kongruent sind mit ihrem Verbrauch. Vielmehr bekommen sie in der Regel ein mehr oder weniger großes Quantum an Strom aus Wasserkraft oder anderem "Ökostrom", das ebenfalls der Direktvermarkter besorgt. Wie das genau aussieht, kommt auf den Einzelfall an.

Ersatz-Ökostrom kann auch nur "mit Zertifikaten veredelt" worden sein

"Unsere Stromverkäufer entscheiden selbst, von wem sie welche Art von Zusatzstrom zur Deckung ihres Angebots wählen", anwortete Enyway auf die Frage, wie die Kriterien für diesen Zusatz-Ökostrom aussehen. "Statkraft ist nur einer von mehreren Partnern. Unsere Partner liefern stets physikalische Lieferungen. Diese können wahlweise aus regenerativen Kraftwerken direkt stammen oder mit Zertifikaten veredelt werden."

Was passiert aber, wenn alle Anbieter ausgebucht sind? Beziehen die Kunden dann nur noch den Ersatz-Ökostrom mit mehr oder minder überzeugendem Herkunftsnachweis? Gibt es überhaupt einen Mindestanteil, zu dem die Nachfrage der Kunden mit dem Potential eines Anbieters übereinstimmen muß? Auf diese Fragen antwortete Enyway etwas ausweichend: "Der zu erwartende Deckungsgrad wird schon vorab den Kunden kommuniziert, der tatsächliche Deckungsgrad dann später genau aufgeführt. Nur die Restmenge wird als Zusatz-Ökostrom geliefert. Ist ein Stromverkäufer 'ausgebucht', wird das angezeigt. Daß alle Stromverkäufer ausgebucht werden, ist zwar theoretisch denkbar, aber praktisch nicht zu erwarten, da wir einen enormen Zuspruch auf der Erzeugerseite erfahren. Wir können und werden also das Angebot schnell aufstocken."

Auch Besitzer von kleinen PV-Anlagen bieten Vollversorgung an

Enyway hat auf seiner Internet-Seite vorläufig vierzig solcher Stromlieferanten vorgestellt, die insgesamt über knapp 20 MW an Leistung verfügen. Darunter sind auch Kleinanlagen bis 100 Kilowatt, die nach § 21 EEG die feste Einspeisungsvergütung beanspruchen könnten. Offenbar wählen sie nun aber die "Marktprämie", damit der Strom über Enyway verkauft werden kann.

Unter "Moin Moin, Sonnenschein!" wird beispielsweise das Ehepaar Neuburger aus Hamburg präsentiert, das eine Dach-Solaranlage mit 4,4 Kilowatt besitzt, die den Angaben zufolge jährlich rund 3800 Kilowattstunden erzeugt. Das Ehepaar macht sich anheischig, damit einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresbedarf von 3300 kWh für 99,91 Euro monatlich zu versorgen. Hinzu kommt ein separater Betrag von 3,99 Euro für die Vermittlung durch Enyway. Einschränkend heißt es: "Diese PV-Anlage deckt bis zu 31 Prozent deines Strombedarfs (Deckungsanteil). Für deinen restlichen Strombedarf kauft Ehepaar Neuburger für dich Ökostrom aus Wasserkraft." – Die Einschränkung "bis zu" dürfte dabei sehr wichtig sein.

Enyway bietet den Verbrauchern übrigens auch die Möglichkeit, in die Solar- oder Windkraftanlage des ausgewählten Stromverkäufers zu investieren. "So können zum Beispiel Mieter ohne eigenes Dach oder Grundstück schon für wenige Hundert Euro zu Selbstversorgern werden und dabei eine attraktive Verzinsung verdienen", wirbt das Unternehmen.