November 2017

171101

ENERGIE-CHRONIK


 


Die deutsch-österreichische Stromhandelszone, die außerdem Luxemburg umfaßt (blaugrüne Flächen), ergab sich aus der engen stromwirtschaftlichen Verflechtung, die zwischen diesen Ländern schon vor der Liberalisierung des Strommarktes bestand. Sie wird inzwischen aber durch den Stromhandel derart strapaziert, daß ab Oktober 2018 Österreich als eigene Strompreiszone abgespalten werden muß. Außerdem dringt die EU auf eine Zweiteilung der restlichen deutschen Strompreiszone, solange die zwischen dem Norden und dem Süden bestehenden Netzengpässe nur mit einem Riesenaufwand für "Redispatch" und Abschaltung von Erzeugungsanlagen bewältigt werden können.

Deutsche Stromhandelszone kann nur noch mit Zustimmung der Regierung geteilt werden

Das Bundeskabinett beschloß am 22. November eine Änderung der Stromnetzzugangsverordnung, die künftig durch den neu eingefügten § 3a die "Gewährleistung des Netzzugangs in der einheitlichen Stromgebotszone" vorschreibt. Damit soll verhindert werden, daß die bisherige deutsch-österreichische Stromhandelszone, die ab Oktober 2018 aufgelöst wird (170501), noch ein weiteres Mal geteilt wird. Wegen den voraussichtlich noch jahrelang bestehenden Netzengpässen könnte es nämlich durchaus sinnvoll sein, auch die Regelzonen der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber in eine nördliche und südliche Preiszone aufzuspalten. Die jetzt erlassene Verordnung soll sicherstellen, daß ein derartiger Neuzuschnitt nicht auf quasi technokratischem Wege über EU-Kommission, Europäische Regulierungsbehörde und die Übertragungsnetzbetreiber zustande kommt, sondern die Mitwirkung und Zustimmung der Bundesregierung voraussetzt.

Geschäftsführende Regierung fühlt sich hinreichend legitimiert


Eine vergessene Episode: Schon vor 17 Jahren gab es in Deutschland einmal zwei Handelszonen. Sie existierten freilich nur kurze Zeit als Bestandteil der sogenannten Verbändevereinbarung, bevor sie rückwirkend zum 1. Juli 2000 wieder aufgehoben wurden (000701). Anders als heute drängte die EU-Kommission auch nicht auf ihre Einführung, sondern verlangte kategorisch die Abschaffung. Diese Zonen hatten nämlich nichts mit Netzengpässen zu tun, sondern wurden vor allem zur Behinderung von Wettbewerbern erfunden.

Die Neuregelung schreibe lediglich den Status Quo fest und sorge für Rechtsklarheit, erlärte dazu der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Rainer Baake. Sie könne deshalb auch von der derzeitigen Bundesregierung getroffen werden, die nur noch geschäftsführend tätig ist. Sie sichere die Handlungsfähigkeit der nächsten Bundesregierung und des Bundestages. Der nachfolgenden Bundesregierung bleibe es unbenommen, "den Zuschnitt der deutschen Stromgebotszone neu zu bewerten und die Prozesse auf europäischer Ebene zu begleiten".

Verbraucher würden von Aufteilung mehr profitieren als von einer einheitlichen Strompreiszone

Die Branchenverbände hatten die geplante Änderung begrüßt, nachdem ein vom 26. Oktober datierter Referentenentwurf bekannt geworden war. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnete die Aufteilung in zwei Strompreiszonen sogar als "brandgefährlich für das Gelingen der Energiewende", denn dadurch würde "der trügerische Schein erweckt, daß der Netzausbau nicht mehr so dringend sei". Hinzu würde dann "die Höhe der Stromrechnung maßgeblich davon abhängen, ob man nördlich oder südlich einer künstlich gezogenen Grenze wohnt". Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnte davor, daß Verbraucher in Süd- und Norddeutschland unterschiedliche Strompreise zahlen müssten.

Das klang sehr verbraucherfreundlich, ignorierte aber die Tatsache, daß die Verbraucher schon heute je nach Region mit unterschiedlich hohen Netzentgelten belastet werden, die selbstverständlich auf die Strompreise durchschlagen (siehe Hintergrund Mai 2016). Ein riesiger und absolut entbehrlicher Brocken sind dabei die Milliardenkosten, die das Engpaß-Management durch "Redispatch" und Abregeln von Erzeugungsanlagen verursacht (170507, 151201). Insofern wird die ungeteilte Strompreiszone bisher von den Verbrauchern finanziert. Oder anders gesagt: Zwei Handelszonen ohne Milliardenkosten für "Redispatch" und Abregelung wären für die deutschen Stromverbraucher wahrscheinlich günstiger als die Festschreibung einer ungeteilten Strompreiszone, von der mit Sicherheit nur die Börse und der Stromhandel profitieren. Auf diese Sichtweise der Dinge ging freilich keiner der beiden Verbände ein.

Bundesnetzagentur mußte umdenken

Die Monopolkommission hat schon vor sechs Jahren die Einführung von zwei Strompreiszonen zu bedenken gegeben, um den Bau neuer "Stromautobahnen" zu vermeiden und Anreize für den verbrauchsnaheren Bau von Kraftwerken zu liefern (110907). Die Bundesnetzagentur hielt damals von diesem Vorschlag überhaupt nichts: "Die Stärkung des Binnenmarktes erreicht man durch Integration und nicht durch Aufspaltung", erklärte ihr Chef Matthias Kurth (111011). Mit dieser mehr rhetorisch als sachlich überzeugenden Formulierung verdammte er die Pläne zur Ausgliederung Österreichs aus der deutschen Stromhandelszone. Es dauerte freilich nicht allzu lange, bis auch die Bundesnetzagentur mit den anderen europäischen Regulierungsbehörden – mit Ausnahme der österreichischen E-Control – am selben Strick zog. Vor einem Jahr hat sie die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber schließlich ganz offiziell zur Einführung eines Engpaßmanagements an der Grenze zu Österreich aufgefordert (161016).

 

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