April 2017

170409

ENERGIE-CHRONIK


 

Neben Steuern, Umlagen und Abgaben gehören auch die Netzentgelte zu jenen Teilen des Strompreises, die staatlich reglementiert sind (blau). Die Grafik verdeutlicht, wie gering damit jener Kostenanteil für Beschaffung und Vertrieb wird, der von den Erzeugern bzw. Lieferanten tatsächlich beeinflußt werden kann (rot). Sie zeigt ferner, wie stark der Staat die von ihm reglementierten Preisbestandteile für industrielle Großstromverbraucher absenkt, wodurch sich für diese der Preis pro Kilowattstunde von 14,20 Cent auf bis zu 4,29 Cent ermäßigt. Nähere Angaben dazu in der Tabelle.

Überhöhter Staatsanteil am Strompreis behindert Ausbau der Erneuerbaren

Die staatlich regulierten Aufschläge auf Energiepreise variieren in Deutschland je nach Energieträger extrem. So betragen die Steuern, Abgaben, Entgelte und Umlagen auf eine Kilowattstunde bei Heizöl 0,6 Cent, bei Erdgas 2,2 Cent, bei Diesel 4,7 Cent, bei Benzin 7,3 Cent und beim Strom 18,7 Cent. Die staatlichen Aufschläge sind somit beim Strom am höchsten und übersteigen die Steuern auf Heizöl um mehr als das 30-fache. Dabei wird Strom durch den stetig steigenden Anteil Erneuerbarer Energien immer sauberer, durch den Anstieg von Abgaben und Umlagen jedoch auch immer teurer. Die klimaschädlichen fossilen Energieträger wie Benzin, Diesel, Heizöl und auch Erdgas bleiben hingegen günstig. Auf diesen Widerspruch verweist eine Studie, die von der Initiative "Agora Energiewende" am 10. April vorgelegt wurde.

Die in der Studie errechneten Belastungen der einzelnen Energieträger mit staatlich verursachten Aufschlägen lassen die Mehrwertsteuer unberücksichtigt, welche die Endpreise nochmals um 19 Prozent verteuert. Sie beziehen bei Strom und Gas aber auch die regulierten Netzentgelte mit ein sowie bei Diesel, Benzin und Heizöl den Staatsanteil an der jeweiligen Infrastruktur.

"Diese Unwucht ist unbeabsichtigt im Laufe der letzten 15 Jahre entstanden", meinte Agora-Direktor Patrick Graichen. Sie dürfe aber so nicht bleiben, da sie klimafreundlichen Energieverbrauch bestrafe und klimaschädliches Verhalten belohne. Vielmehr müßten die Preise so gestaltet werden, daß sie klimaschädlichen CO2-Verbrauch belasten. "Das System der Abgaben und Umlagen auf Energiepreise muß daher dringend vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Für die nächste Bundesregierung wird das eine zentrale Aufgabe im Klimaschutz."

Für Großstromverbraucher verringert sich der Staatsanteil am Strompreis von 75 auf 19 Prozent

Die Studie stützt sich auf den jüngsten "Monitoringbericht 2016", in dem Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt bereits mit besorgtem Unterton festgestellt haben, daß der von den Erzeugern bzw. Stromlieferanten beeinflußbare Kostenanteil im Normalfall noch nur ein Viertel des Endpreises ausmacht:

 
Haushalt
(3500 kWh/Jahr)
Gewerbe
(50 MWh/Jahr)
Industrie
(24 GWh/Jahr)
ohne Vergünstigungen
Industrie
(24 GWh/Jahr)
mit Vergünstigungen
 Beschaffung/Vertrieb
7,35
5,15
3,48
3,48
 Netzentgelte*
6,79
5,85
2,06
0,41
 EEG-Umlage
6,35
6,35
6,35
0,31
 weitere Umlagen**
0,87
0,86
0,15
0,09
 Konzessionsabgabe
1,65
0,93
0,11
0
 Stromsteuer
2,05
2,05
2,05
0
 Umsatzsteuer
4,76
0
0
0
 Gesamtpreis in C/kWh
29,82
21,19
14,20
4,29
 Staatlich beeinflußter
  Strompreisanteil
75,4 %
75,7 %
75,5 %
18,9 %

 * mit Entgelten für Messung und Meßstellenbetrieb     ** Umlagen nach KWKG, § 19 StromNEV, Offshore-Haftung
 Quelle: Monitoringbericht 2016, Seiten 220, 204, 201 und 203


Die durchschnittlichen Strompreise, wie sie die Bundesnetzagentur zum 1. April 2016 für die drei Verbrauchergruppen ermittelte, differieren somit recht stark: Für Haushalte sind es 29,82 Cent/kWh), für Gewerbe 21,19 Cent/kWh und für die Industrie 14,20 Cent/kWh bzw. sogar nur 4,29 Cent/kWh. Unabhängig davon würde der staatlich reglementierte Kostenanteil normalerweise für alle drei Gruppen jeweils über 75 Prozent betragen. In der Praxis gilt das jedoch nur für Haushalts- und Gewerbekunden. Bei Industriekunden hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, daß sie von den staatlich beeinflußbaren Kostenanteilen weitgehend verschont bleiben. Wenn sie alle eingeräumten Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, verringert sich der staatlich beeinflußte Kostenanteil von gut 75 auf knapp 19 Prozent. Der Endpreis der Kilowattstunde sinkt dadurch von 14,2 auf 4,3 Cent. Die stärksten Einsparungen ergeben sich aus der weitgehende Befreiung von der EEG-Umlage (130503, 140502) und dem Wegfall der Stromsteuer (121104). Aber auch die weitgehende Befreiung von den Netzentgelten schlägt erheblich zu Buche (160616).

Kleinverbraucher tragen die Hauptlast

Die Kehrseite dieser staatlichen Großzügigkeit gegenüber den industriellen Großstromverbrauchern besteht darin, daß die Kleinverbraucher umso stärker mit den Kosten für die Erneuerbaren-Förderung und den Netzbetrieb belastet werden. Außerdem finden sie auf ihren Rechnungen neben der Stromsteuer noch einen satten Aufschlag von 19 Prozent für die Mehrwertsteuer. Im Unterschied zu Industrie und Gewerbe ist die Umsatzsteuer für sie kein durchlaufender Posten, sondern muß real bezahlt werden.

EEG-Förderung sollte zumindest teilweise anders finanziert werden

Die Agora-Studie schlägt unter anderem vor, einen Teil der EEG-Umlage vom Strompreis in den Bundeshaushalt oder in einen Fonds zu verlagern. Auf diese Weise könnten die Stromverbraucher von den Kosten für die Technologieentwicklung der Photovoltaik und der Offshore-Windkraft oder der EEG-Ausnahmen für die Industrie entlastet werden. Eine weitere Option bestehe darin, Abgaben auf Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin künftig entsprechend der Klimaschädlichkeit dieser Energieträger zu erheben. In Deutschland seien diese Kraftstoffe billiger als im europäischen Mittel und deutlich günstiger als vor fünf Jahren.

Für Abschaffung der Stromsteuer und weitere Erhöhung der Mineralölsteuer

Die Stromsteuer soll ebenfalls auf den Prüfstand. "Im Kern geht es darum, die Energie- und Stromsteuer so auszugestalten, daß die Höhe der Steuer über alle Energieträger entsprechend dem jeweiligen CO2-Gehalt einheitlich ausgerichtet wird", formulieren die Autoren zunächst vorsichtig. Schon zwei Sätze weiter gelangen sie aber zu einer bündigeren Empfehlung: "Insgesamt legt die bisherige Analyse wegen der überproportionalen Belastung von Strom mit energiewendeorientierten Steuern, Abgaben und Umlagen eine Abschaffung der Stromsteuer sowie eine Erhöhung der Ökosteuern auf Kraft- und Heizbrennstoffe nahe."

EEG-Umlage ist inzwischen mehr als dreimal so hoch wie die Stromsteuer

Die Stromsteuer gehört in der Tat längst abgeschafft. Sie wurde Mitte der neunziger Jahre erfunden, um eine neue staatliche Einnahmenquelle zu erschließen, nachdem das Bundesverfassungsgericht den bis 1994 erhobenen "Kohlepfennig" zur Subventionierung der Steinkohle-Verstromung für unzulässig erklärt hatte (941201). Es dauerte aber bis 1999, ehe sie tatsächlich eingeführt wurde (990201). Die frisch ins Amt gekommene rot-grüne Bundesregierung beschloß den neuen Aderlaß mitsamt einer Erhöhung der Mineralölsteuer. Zugleich hängte sie ihm ein grünes Mäntelchen um, indem sie von einer "Öko-Steuerrefom" sprach und die Ansicht vertrat, daß eine Verteuerung des Stroms auch umweltpolitisch sinnvoll sei (siehe Hintergrund, Juli 2010). Die rot-grüne Koalition ging dabei von der irrigen Erwartung aus, daß die Strompreise durch die Liberalisierung des Energiemarktes sowieso erheblich sinken würden. Vor allem hat sie die Kosten der Erneuerbaren-Förderung völlig außer Acht gelassen, die das wenige Monate später von ihr verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz zur Folge haben würde. Die anfängliche Mehrbelastung des Strompreises durch das EEG belief sich im Jahr 2000 gerade mal auf 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Heute beträgt sie 6,88 Cent. Das ist 34-mal soviel und belastet die Kleinverbraucher mit mehr als dem dreifachen Betrag der Stromsteuer.

 

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