März 2017

170310

ENERGIE-CHRONIK


Die "Kupferplatte" widerspricht der realen netztechnischen Entwicklung

Der Ausbau des deutschen Stromnetzes zu einer "Kupferplatte", die einen unbeschränkten Stromfluß zwischen sämtlichen Kraftwerken und Verbrauchern ermöglichen soll, widerspricht der realen netztechnischen Entwicklung und belastet die Stromkunden mit unnötigen Kosten. Zu diesem Schluß gelangen die Autoren einer grundlegenden Analyse, die jetzt von der Initiative "Agora-Energiewende veröffentlicht wurde (siehe Link).

"Die im Zuge der Energiewende in großer Zahl hinzukommenden Windkraftwerke, Solaranlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen und Elektroautos werden die Stromerzeugungs- und -verbrauchsstruktur massiv verändern", konstatiert zusammenfassend Agora-Direktor Patrick Graichen. "Es wäre dabei weder volkswirtschaftlich effizient noch der Bevölkerung zuzumuten, dem bisherigen Leitprinzip des Stromnetzes als Kupferplatte weiterhin zu folgen. Denn das hieße, das Stromnetz so weit auszubauen, daß jeder dieser neuen Erzeuger und Verbraucher zu jedem Zeitpunkt seinen Strom über ganz Deutschland hinweg engpaßfrei transportieren beziehungsweise beziehen könnte."

Regionale Märkte verringern Bedarf an nationalen oder grenzüberschreitenden Stromverbindungen

Infolge der technischen Entwicklung werde die Stromversorgung dezentralisiert: Auf der untersten Ebene geschehe dies durch Eigenerzeugung bzw. -verbrauch, der das öffentliche Netz nicht belastet. Auf einer mittleren Ebene werde sie zunehmend regional geprägt. Das heißt, daß innerhalb von etwa zwanzig bis vierzig Gebieten regionale Märkte für Stromerzeugung, Stromverbrauch und Flexibilitätsdienstleistungen entstehen könnten. Nur für den noch verbleibenden Bedarf an überregionalem Ausgleich würden nationale oder grenzüberschreitende Stromverbindungen benötigt.

Die Netzentgelte könnten entsprechend diesen drei Ebenen neu gestaltet werden: Für Kunden mit Eigenerzeugungsanlagen, die das Netz nur noch zur Absicherung benötigen, komme ein dynamischer Leistungspreis in Betracht, der sich an der individuell bezogenen Höchstlast orientiert. Zu erwägen seien ferner ermäßigte regionale Netzentgelte. Die Übertragungsnetzentgelte würden dann nur für solchen Strom anfallen, der auch überregional transportiert wird. Grundsätzlich sei zu überprüfen, inwieweit das seit 17 Jahren geltende Prinzip "Eine Briefmarke für ganz Deutschland" zur Berechnung der Netzkosten aufrechterhalten bleiben sollte. Ferner entspräche es nur der Sachlogik, für Eigenverbrauch weder Mehrwertsteuer noch Konzessionsabgabe zu berechnen.

Unsinnige Anreize wie die "vermiedenen Netzentgelte" müssen komplett beseitigt werden

"Dezentralität ist kein Wert an sich", schreibt Graichen in seinem Resumee. "Aber angesichts von dauerhaft erwartbaren Netzengpässen und aufgrund von sozialen oder politischen Präferenzen für Regionalität können dezentrale Strukturen Mehrwert generieren." Bisher fehle es an einem zweckmäßig gestalteten Rahmen, in dem dezentrale Lösungen sinnvoll den zentralen Strommarkt ergänzen könnten.

Das derzeitige System der dezentralitätsbedingten Ausnahmen bei Abgaben, Umlagen und Netzentgelten schaffe zum Teil unsinnige und sogar gegenläufige Anreize. Es müsse deshalb komplett beseitigt werden. Das gelte namentlich für die "vermiedenen Netzentgelte", die den Betreibern konventioneller Kraftwerke gezahlt werden, sofern diese ins Verteilnetz einspeisen. Als Folge dieser Honorierung seien in jüngster Zeit reihenweise konventionelle Kraftwerke vom Übertragungsnetz ans Verteilnetz "umgehängt" worden. Dabei habe es sich vor allem Gaskraftwerke gehandelt, aber auch Braunkohlekraftwerke seien zuletzt beteiligt gewesen.

Netzentwicklungsplan 2025 wurde von der Entwicklung überholt und deshalb gestoppt

"Der Abschied von der Kupferplatte bei der Auslegung des Netzes findet neuerdings bereits statt", heißt es in der Studie. "Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Netzplanung." Zum Beispiel sei der Netzentwicklungsplan 2025 noch dem alten Paradigma gefolgt und deshalb nicht fortgeführt worden. Tatsache ist, daß der Netzentwicklungsplan 2025, den die Netzbetreiber bei der Bundesnetzagentur eingereicht hatten, im Juli vorigen Jahres auf Beschluß der Bundesregierung bzw. des Bundestags nicht weiter verfolgt wurde. Dies geschah im Zusammenhang und mit Blick auf die Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das mit der Umstellung der Förderung auf Ausschreibungen auch neue Rahmenbedingungen für die Netzplanung schafft. Der Offshore-Netzentwicklungsplan 2025, der bereits die Änderungen durch das neue Windenergie-auf-See-Gesetz berücksichtigte, durchlief dagegen das übliche Verfahren und wurde Ende November 2016 von der Bundesnetzagentur bestätigt.

 

Links (intern)

Link (extern, ohne Gewähr)