November 2016

161109

ENERGIE-CHRONIK


"EDF erstickt an der Kernenergie"

Unter dem Titel "EDF erstickt an der Kernenergie" hat ein unabhängiges Forschungsinstitut im Auftrag von Greenpeace eine Studie vorgelegt, die der Electricité de France eine Beschönigung ihrer Finanzlage bescheinigt. Der Konzern steht demnach noch schlechter da, als seine ohnehin katastrophale Bilanz mit einer Schuldenlast von 37 Milliarden Euro (160405) vermuten läßt. "Die fehlenden Summen sind derart bedeutend, daß ihre Verbuchung unausweichlich den Bankrott der EDF bewirken würde", heißt es in der Studie des Instituts Alpha Value, das normalerweise die Werthaltigkeit von Unternehmen im Auftrag von Investoren untersucht.

Reaktoren sind das Geld nicht wert, mit dem sie in den Büchern stehen

Die EDF beschönigt demnach ihre Zahlen, indem sie den Wert ihrer 58 Reaktoren zu hoch veranschlagt und zugleich die Kosten für die Entsorgung alter Anlagen zu niedrig ansetzt. Im Unterschied zu anderen Atomstromproduzenten wie Engie, E.ON und RWE habe sie die veränderten Marktbedingungen ignoriert und es unterlassen, den buchhalterischen Wert ihrer Reaktoren den gesunkenen Strompreisen in Europa anzupassen. Zugleich erfordere die anstehende Entsorgung und Beseitigung alter Reaktoren weit mehr Geld als dafür an Rückstellungen vorgesehen ist (siehe Tabelle).

Zu niedrig angesetzt seien auch die Kosten für die geplante Generalüberholung des gesamten KKW-Parks oder Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien. EDF verfüge nicht über genügend Finanzkraft, um die dafür notwendige Summe von jährlich 16 bis 17 Millionen Euro aufzubringen.

Die ganze Marschrichtung stimmt nicht und führt nur noch tiefer in die Misere

Dank seiner Monopolstellung und staatlicher Begünstigung habe der Konzern trotzdem bis vor kurzem eine komfortable Rendite vorweisen können. Zugleich habe die Protektion aber dazu geführt, daß aus der EDF ein "ineffizienter und überdimensionierter Riese" wurde, der sich im zunehmenden Gegenwind des Wettbewerbs nicht behaupten könne (110203, 110406). Sie habe eindeutig den Anschluß an den raschen Wandel des Energiemarktes verpaßt.

Ganz allgemein marschiere die EDF in die falsche Richtung, wenn sie auf die Beibehaltung und den Neubau von Kernkraftwerken setze. Sie versenke damit nur Unsummen an Geld und verschlimmere ihre Lage. Auf längere Sicht sei es rentabler, den Bestand an Kernkraftwerken zu dezimieren.

"Die EDF steht kurz vor dem Bankrott und verfügt nicht über die Mittel für ihre Kernenergiepolitik", resümierte ein Sprecher von Greenpeace Frankreich. "Die Konzernführung sollte aufhören, mit dem Feuer zu spielen."

EDF erwägt rechtliche Schritte

Der Energiekonzern, der weiterhin zu 85 Prozent dem französischen Staat gehört, wies diese Darstellung am 21. November zurück. Er berief sich auf die Atteste von Wirtschaftsprüfern, die seine Buchführung nicht beanstandet haben. Außerdem seien die veranschlagten Kosten für die Beseitigung von Kernkraftwerken vom zuständigen Ministerium überprüft worden. Angesichts der "ebenso schwerwiegenden wie unbegründeten" Vorwürfe erwäge er nun rechtliche Schritte gegen die Studie.

 


Allein für die Beseitigung stillgelegter Reaktoren
fehlen der EDF rund 20 Milliarden Euro

Quelle: Alpha Ventus - EDF asphyxiée par le nucléaire, S. 16

  EDF France 2016* Engie 2015 E.ON 2015 RWE 2015 San Onofre 2+3**
Installierte Leistung (GW) 67,34 5,888 8,271 6,308 2,15
Bedarf zu aktuellen Preisen (Mrd Euro) 30,485 5,622 8,374 5,268 3,135
Bedarf pro GW (Mio Euro) 452,7 954,9 1012,4 835,1 1458,2
Durchschnittsbedarf pro GW (Mio Euro)*** 942,7 942,7 942,7 942,7 942,7
Abweichung vom Durchschnittsbedarf pro GW (in Mio Euro) -489,9 12,2 69,8 -107,5 515,5
Korrigierter Bedarf zu aktuellen Preisen (Mrd Euro) 63,5 5,6 7,8 5,9 2
Korrigierter Bedarf pro GW (Mrd Euro) 35,1 3,6 7,3 5,5 -
Rückstellungen laut Bilanz (Mrd Euro) 15,8 3,6 7,9 4,9 -
Deckungslücke (Mrd Euro) 19,2 0 -0,5 0,6 -

  
* sofern gemäß der beschlossenen gesetzlichen Regelung (150704) der Kernenergie-Anteil bis 2025 auf 50 Prozent gesenkt und schon vorher die Gesamtkapazität aller französischen KKW durch Stillegung der beiden Reaktoren in Fessenheim auf 63,2 GW begrenzt wird. Falls Fessenheim nicht stillgelegt wird, erhöht sich die Deckungslücke auf 20,9 Milliarden Euro.

** Die beiden Blöcke 2 und 3 des kalifornischen KKW San Onofre wurden 2013 stillgelegt. Sie dienen als Vergleichsobjekt, weil für sie die Kosten der Beseitigung besonders genau beziffert sind

*** Der Durchschnittsbedarf ist der Mittelwert der jeweils geschätzten Summen für die Reaktoren von EDF, Engie, E.ON, RWE und San Onofre

 

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