November 2016

161104

ENERGIE-CHRONIK


"Klimaschutzplan 2050" nennt CO2-Minderungsziele, verzichtet aber auf konkrete Wegbeschreibung

Die Bundesregierung hat am 14. November den "Klimaschutzplan" vorgelegt, den Union und SPD vor drei Jahren in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben (131101). Das 90 Seiten umfassende Papier soll "den Weg in ein weitgehend treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050 aufzeigen" und damit das Pariser Klimaabkommen umsetzen, das vor einem Jahr zustande kam und am 4. November in Kraft trat (161008). In diesem Abkommen haben die Vertreter von 195 Staaten die Notwendigkeit anerkannt, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur nach Möglichkeit auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (151209). Der Klimaschutzplan nennt zwar konkrete Minderungsziele, die Deutschland bis 2030 erfüllen müsse, um dieser Forderung gerecht zu werden. Zum Beispiel soll die Energiewirtschaft ihre CO2-Emissionen bis 2030 um etwa die Hälfte des aktuellen Ausstoßes vermindern. Er bleibt aber weitgehend eine Antwort auf die naheliegende Frage schuldig, durch welche konkreten Maßnahmen diese ehrgeizigen Ziele erreicht werden sollen.

Größter Widersacher der Umweltministerin war Parteifreund Gabriel

Federführend für die Ausarbeitung des Klimaschutzplans war das Bundesumweltministerium unter Barbara Hendricks (SPD). In seiner endgültigen Fassung enthält er jedoch zahlreiche Abstriche. Zunächst war es der Koalitionspartner CDU/CSU , der die Streichung konkreter Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen durchsetzte. Kurz vor der Verabschiedung des koalitionsintern abgestimmten Papiers intervenierte dann überraschend Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), dessen Haus bis dahin keine Einwände erhoben hatte. Den Parteifreund störte die prononcierte Ausrichtung des Papiers auf die "Dekarbonisierung" der Energiewirtschaft durch weitgehenden Verzicht auf Kohle, Gas und Öl. Aus seiner Sicht beschwor das zu große Nachteile für Industrie und Arbeitsplätze. Stattdessen verlangte er ein "ausgewogenes Gesamtkonzept" unter "Vermeidung von Strukturbrüchen". Die Zustimmung des Bundeskabinetts, die am 9. November erfolgen sollte, wurde deshalb kurzfristig vertagt. Nach Berücksichtigung von Gabriels Änderungswünschen wurde sie fünf Tage später im Umlaufverfahren nachgeholt. Damit blieb der Bundesumweltministerin wenigstens die Blamage erspart, ohne das Papier zur Klimakonferenz nach Marrakesch reisen zu müssen.

Hendricks wertet Minderungsziele als "Rahmen für strategische Entscheidungen"

Das so entstandene Papier enthält zwar konkrete CO2-Minderungsziele und schlüsselt diese sogar nach einzelnen Wirtschaftszweigen auf (siehe Tabelle). Es verzichtet aber auf den Versuch einer genaueren Wegbeschreibung zur Erreichung dieser Ziele. Der ursprüngliche Entwurf enthielt dagegen mehr oder weniger sinnvolle Vorschläge wie den sukzessiven Verzicht auf Kohleverstromung, das Verbot von Gasheizungen für Neubauten, die forcierte Umstellung des Pkw-Verkehrs auf Elektroantrieb oder die Halbierung des Fleischkonsums.

Zum Beispiel ist weiterhin von der Notwendigkeit einer schrittweisen Verringerung der Kohleverstromung die Rede. Es folgt aber sogleich die Einschränkung, daß dabei "die wirtschaftlichen Perspektiven und die Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen berücksichtigt werden" müßten. Außerdem heißt es, daß Erdgas- und Kohlekraftwerke eine wichtige Funktion als Übergangstechnologien zur Erreichung der Klimaschutzziele erfüllen würden.

Umweltministerin Hendricks sieht indessen bereits darin einen Fortschritt, daß die für notwendig erachteten Minderungsziele überhaupt ermittelt und veröffentlicht wurden. In einer Pressemitteilung ihres Ministeriums bezeichnete sie den Klimaschutzplan als "konkreten Rahmen für strategische Entscheidungen in den nächsten Jahren", der nun von allen Verantwortlichen genutzt werden könne, um Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaverträglich zu gestalten.

 


Die deutschen CO2-Minderungsziele laut "Klimaschutzplan 2050"

Handlungsfeld

1990

(in Mio. t CO2-Äq.)

2014

(in Mio. t CO2-Äq.)

2030

(in Mio. t CO2-Äq.)

2030

(Minderung in % ggü. 1990)

Energiewirtschaft 466 358 175-183 62-61%
Gebäude 209 119 70-72

67-66%

Verkehr 163 160 95-98 42-40%
Industrie 283 181 140-143 51-49%
Landwirtschaft 88 72 58-61 34-31%
Teilsumme 1209 890 538-557 56-54%
Sonstige 39 12 5 87%
Gesamtsumme 1248 902 543-562 56-55%

 

Links (intern)