März 2016

160301

ENERGIE-CHRONIK


Emissionshandel bescherte Industrie 24 Milliarden Euro Extra-Profite

Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) ist nicht nur ineffektiv, sondern auch eine gigantische Geldverschwendung zugunsten der Industrie. Dies ergibt sich aus einer Studie, die das niederländische Forschungsinstituts CE Delft im Auftrag der Umweltorganisation Carbon Market Watch erstellte und von dieser am 14. März veröffentlicht wurde. In der gegenwärtigen Form produziere das ETS große Mengen an Emissionszertifikaten, die von der Industrie gar nicht benötigt und deshalb gewinnbringend verkauft würden. Besonders gelte dies für Zertifikate, die zur Abwendung von "carbon leakage" (081207) kostenlos an große Treibhausgas-Emittenten vergeben werden, damit sie ihre Produktion wegen der sonst entstehenden ETS-Belastung nicht in Länder außerhalb der EU verlagern. Insgesamt habe die EU-Industrie von 2008 bis 2014 rund 24 Milliarden Euro an "Windfall-Profits" kassieren können.

Die Studie bestätigt, ergänzt und aktualisiert die Ergebnisse einer Untersuchung, die von der britischen Umweltorganisation "Sandbag Climate Campaign" 2011 vorgelegt wurde, obwohl die Autoren, wie sie schreiben, einen etwas andersgearteten methodischen Ansatz zur Erhebung und Auswertung der Daten wählten (111111). Sie ist außerdem ein weiterer Beleg dafür, daß Emissions-Gutschriften aufgrund von "Joint Implementation" (JI) dem Klima bisher nicht geholfen, sondern ihm eher geschadet haben, wie dies 2015 eine Untersuchung des Stockholmer Umweltinstituts ergab (150802).

Der Studie zufolge kommen die Extra-Profite auf dreierlei Wegen zustande:

Am meisten haben die folgenden Sektoren vom Emissionshandelssystem profitiert:

Sektor

Extra-Profite
in Mio. Euro
insgesamt

davon Extra-Profite durch
Überschüsse CDM/JI Einpreisung
Eisen/Stahl 9274 1044 235 7995
Zement 4710 2649 146 1915
Raffinerie 4431 170 83 4178
Petrochemie 1636 780 41 815

Insgesamt wurden 19 EU-Staaten untersucht. Gliedert man diese nach der Höhe der Extra-Profite, die jeweils von den emissionshandelspflichtigen Industrien erzielt wurden, ergibt sich folgende Rangliste:

Land

Extra-Profite
in Mio. Euro
insgesamt

davon Extra-Profite durch
Überschüsse CDM/JI Einpreisung
Deutschland 4500 1121 187 3191
Großbritannien 3104 1010 58 2035
Spanien 2888 1672 49 1167
Frankreich 2710 818 112 1780
Italien 2315 519 53 1743
Belgien 1432 698 23 711
Niederlande 1082 236 27 819
Polen 1025 266 20 738
Slowakei 823 341 13 468
Schweden 729 388 15 326
Griechenland 679 359 20 300
Tschechien 673 194 15 463
Finnland 481 114 7 360
Portugal 446 227 7 211
Österreich 429 – 226 14 641
Dänemark 237 110 3 124
Irland 212 163 1 48
Ungarn 210 54 4 151
Slowenien 38 15 1 22

Die hier aufgelisteten Extra-Profite müssen natürlich in Beziehung zu den emissionshandelspflichtigen Treibhausgas-Emissionen der einzelnen Länder gesehen werden. Insofern verwundert es nicht, daß Deutschland als stärkste Wirtschaftskraft der EU die Liste anführt. Noch relativ mehr profitiert hat aber nach Einschätzung der Autoren die spanische Industrie, obwohl Spanien in dieser Liste nach Großbritannien erst an dritter Stelle rangiert. Auch in Schweden und Irland seien, trotz insgesamt wesentlich bescheidenerer Zahlen, relativ hohe Extra-Profite erzielt worden. Hingegen sei Österreich das einzige Land gewesen, bei dem nicht zuviel, sondern zuwenig Zertifikate zur Abdeckung des tatsächlichen Bedarfs kostenlos zugeteilt wurden.

Die im Auftrag der Umweltorganisation Carbon Market Watch erstellte Studie zeigt ein weiteres Mal, daß die vor 13 Jahren verabschiedete EU-Richtlinie für den Handel mit Emissionszertifikaten (030701) eine Konstrukt neoliberaler Wirtschaftsideologie war, das in der Praxis versagt hat. Vermutlich wäre es viel einfacher und wirkungsvoller gewesen, eine CO2-Steuer einzuführen, wie dies auch ursprünglich geplant war (930505). Das überaus komplizierte und aufwendige Emissionshandelssystem hat dagegen noch nie richtig funktioniert und bisher keinen nennenswerten Beitrag zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen geleistet (140406, 130105, 120203). Es litt von Anfang an unter einem Überangebot an Zertifikaten (090903). Daran ändern auch zaghafte Korrekturen nichts, mit denen der Preis der spottbilligen Zertifikate in klimawirksame Höhen gebracht werden soll (150706). Wirklich ergiebig war der Emissionshandel nur für Kriminelle, die durch geschickte Ausnutzung der genauso verzwickten wie intransparenten Handelsabläufe etliche Milliarden Euro an Steuergeldern ergaunern konnten (110105, 121212).

Das Versagen des Zertifikate-Handels hinderte neoliberale Wirtschaftsideologen freilich nicht, ihn weiterhin als effizientes Instrument des Klimaschutzes zu preisen, das sogar die EEG-Förderung überflüssig und kontraproduktiv mache (040304, 090308). Auch die Monopolkommission verstieg sich zu der Behauptung, das EEG habe sich durch den Zertifikatehandel erübrigt (110907).

 

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