November 2014

141101

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Die Preise für Rohöl hatten in den vergangenen Jahren einen Rekordstand erreicht, wobei jedoch das Öl aus US-Förderung (blau) deutlich billiger war und im Jahresdurchschnitt unter der Grenze von 100 Dollar pro Barrel blieb. Die exorbitant hohen Ölpreise machten nämlich die teure Erschließung von Schieferöl per "Fracking" rentabel. Dadurch entstand nicht nur ein Überangebot am US-Markt, sondern auch ein internationaler Preisdruck, der den Preis pro Barrel seit Mitte dieses Jahres stark sinken ließ (siehe Grafik 2). Beim mittlerweile unterschrittenen Niveau von 80 Dollar pro Barrel dürfte Schieferöl-Fracking allerdings kaum noch lohnen.

Preise für Rohöl auf Talfahrt – Opec will Förderung nicht drosseln

Die Preise für Rohöl befinden sich seit Ende Juni auf Talfahrt. Bis 26. November sank der Opec-Korbpreis, der zwölf der wichtigsten Sorten des Kartells umfaßt, von 107,89 auf 73,70 Dollar pro Barrel (siehe Grafik 2). Dieselbe Tendenz zeigten die Preise einzelner Ölsorten. So kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent, die für Europa am wichtigsten ist, am 25. November nur noch 78,45 Dollar. Der Preis für die US-Sorte WTI (West Texas Intermediate) sank auf 74,35 Dollar.

Am 27. November trafen sich die Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) in Wien, um die Situation zu erörtern. Venezuela und andere Mitglieder des Kartells drängten auf eine Reduzierung der Förderung, um die Preise wieder nach oben zu treiben. Saudi-Arabien setzte jedoch durch, daß es bei der derzeitigen täglichen Fördermenge von 30,6 Millionen Barrel bleibt (1 Barrel = 159 Liter). Das dominierende Opec-Land vertrat die Ansicht, der Markt werde sich von allein stabilisieren. Der Ölpreis fiel daraufhin noch weiter. Das Barrel Brent verbilligte sich bis auf 71,25 Dollar.

Will Opec die Schieferöl-Förderung der USA bremsen?

Es gibt zwei verschiedene Interpretationen, um die Verhaltensweise Saudi-Arabiens zu erklären: Der einen zufolge will das Opec-Kartell dem US-amerikanischen Schieferöl-Fracking ein Ende bereiten, das wegen der Rekordpreise von über hundert Dollar pro Barrel in den vergangenen Jahren rentabel geworden ist. Die seit den siebziger Jahren rückläufige US-Ölförderung ist dadurch wieder stark gestiegen und hat zumindest am US-Markt für ein Überangebot gesorgt, das der Opec die traditionelle Preisführerschaft streitig macht (siehe Grafik 1und 3). Es würde sich demnach um eine Kraftprobe zwischen zwei Ölförderern handeln, die beide nicht an niedrigen Ölpreisen interessiert sein können, aber schon mal einen Preiskrieg riskieren, weil es ihnen auch um Marktanteile geht.

Oder handelt es sich um eine abgestimmte Aktion gegen Rußland?

Der anderen Version zufolge handelt Saudi-Arabien nicht als Konkurrent der USA, sondern auf Wunsch und Drängen der US-Regierung. Diese verfolge nämlich das Ziel, durch eine Senkung des Ölpreises die russischen Staatseinnahmen zu minimieren und so den Kreml für die Annektierung der Krim und die momentan noch umkämpfte Abspaltung des östlichen Teils der Ukraine zu bestrafen. Tatsächlich dürfte der niedrige Ölpreis den Kreml am härtesten treffen, da er 40 Prozent seiner Einnahmen aus dem Ölexport bezieht. Wegen der Preisbindung ans Öl drohen auch Einbußen beim Gasexport, obwohl sich die Gazprom gegenüber etlichen Gasimporteuren bereits zu Abstrichen an den enormen Belastungen bereitfinden mußte, die durch die Ölpreisexplosion der vergangenen Jahre entstanden sind (130616). Der Wert des Rubel gegenüber dem Euro, der Anfang des Jahres noch etwa 0,0222 Cent betrug, lag am 24. November bei 0,0179 Cent. Nach der Opec-Konferenz sank er erneut um zehn Prozent auf 0,0162 Cent.

Binnen zehn Jahren wurde der Ölpreis fast achtmal teurer

Die Rohölpreise hatten 1998 den bislang tiefsten Stand seit zwölf Jahren erreicht. Im Jahresdurchschnitt kostete das Barrel 12 bis 14 Dollar (980112). Im Laufe des Jahres 1999 wirkten sich dann aber die von den Opec-Staaten beschlossenen Förderbeschränkungen immer deutlicher aus: Der Ölpreis stieg von weniger als zehn Dollar pro Barrel Ende des Jahres 1998 auf zuletzt etwa 34 Dollar pro Barrel. Der Ende 2000 erreichte Höchststand (000901) war allerdings selbst für die Opec-Staaten nicht auf Dauer erstrebenswert, da es bei einem Preis von mehr als 30 Dollar pro Barrel für die Verbraucherländer erneut interessant geworden wäre, nach Alternativen zum Opec-Öl Ausschau zu halten. Es überraschte deshalb nicht, daß die Ölpreise wieder fielen und sich bei der von den Opec-Ländern anvisierten Marke von etwa 25 Dollar pro Barrel einpendelten.

Bis zum Frühjahr 2004 kletterte der Preis für Rohöl aber wieder auf bis zu 40 Dollar pro Barrel und übertraf damit noch die vor dreieinhalb Jahren erreichte Höhe (040511). In den folgenden Jahren stieg er unentwegt weiter und durchbrach Anfang 2008 die Rekordmarke von 100 Dollar (080501). Allein in den beiden Jahren 2004 und 2005 verteuerten sich die deutschen Ölimporte um fast das Doppelte (060204). Als Hauptursachen des Preisauftriebs galten die verstärkte Nachfrage der USA und China sowie Spekulationsgeschäfte und Spannungen im Nahen Osten. Da die Tankstellen-Preise größtenteils aus steuerlichen Belastungen bestehen, wirkte sich der gestiegene Rohölpreis auf die Kosten für Benzin und Diesel besonders verheerend aus (000901). Außerdem führte er zu einer starken Verteuerung der Gaspreise, da diese in den Importverträgen an den Ölpreis gekoppelt wurden, und rückte diese ebenso willkürliche wie wettbewerbsfeindliche Praxis ins Visier der Kritik (000902, 040904). Über den Gaspreis bewirkte er ferner eine Verteuerung der Stromerzeugungskosten, obwohl Öl als Brennstoff für Kraftwerke in Deutschland schon lange keine bedeutende Rolle mehr spielt (071005).

Seinen Höhepunkt erreichte der seit 2004 andauernde Ölpreisanstieg im Juli 2008, als beispielsweise die Sorte Brent mit bis zu 147,50 Dollar gehandelt wurde. Im Jahresdurchschnitt 2008 kostete sie 97,26 Dollar. Im Vergleich mit den 12,72 Dollar vor zehn Jahren war das ein Anstieg um fast das Achtfache.

 

 

Infolge des Schieferöl-Frackings ist die Ölförderung der USA, die seit den siebziger Jahren rückläufig war und 2008 nur noch 302,3 Millionen Tonnen betrug, bis 2013 auf 446,2 Millionen Tonnen gestiegen und dürfte in diesem Jahr sogar die Förderung Saudi-Arabiens übertreffen.

 

Nach kurzzeitigen Rückgang durch die Wirtschaftskrise folgte ein neuer Rekordanstieg

Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise sorgte dann ab 2009 wieder für einen starken Rückgang bis auf 30 bis 40 Dollar. Im Jahresdurchschnitt 2009 betrug der Brent-Preis nur noch 61,67 Dollar. Das Wiederanziehen der Konjunktur sowie Förderbeschränkungen der Opec sorgten aber dafür, daß er schon im folgenden Jahr wieder 79,50 Dollar erreichte und in den beiden folgenden Jahren bei 111 Dollar lag. Auf diesem Niveau bewegte er sich ungefähr bis ins Frühjahr 2014, bis der derzeit noch andauernde Sinkflug begann.

Mit dem Schieferöl-Fracking übernahmen die USA die Preisführerschaft

Die Preise der einzelnen Ölsorten, die bisher ziemlich parallel verliefen, drifteten dabei ab 2011relativ stark auseinander: Am billigsten war nun das Öl aus US-Förderung (WTI), das bislang am teuersten war, während Dubai (Arabien), Brent (Nordsee) und Nigerian Forcades (Afrika) mit insgesamt deutlichem Abstand folgten (siehe Grafik 1). Offenbar widerspiegelt sich darin die starke Zunahme der US-Förderung durch das "Fracking" von Schieferöl-Vorkommen, das trotz der hohen Kosten infolge des Wiederanstiegs der Ölpreise auf über hundert Dollar pro Barrel rentabel geworden ist. Die seit den siebziger Jahren rückläufige Ölförderung der USA, die 2008 nur noch 302,3 Millionen Tonnen betrug, ist deshalb bis 2013 auf 446,2 Millionen Tonnen gestiegen und dürfte in diesem Jahr sogar die Förderung Saudi-Arabiens übertreffen (siehe Grafik 3). Dadurch entstand ein starker Preisdruck, der sich insbesondere auf den WTI-Preis auswirkte, zumal das in den siebziger Jahren erlassene Exportverbot für US-Gas bisher kaum gelockert wurde. Aber auch die Preise der anderen Ölsorten wurden davon beeinflußt. Die USA haben damit die Opec-Staaten als Preisführer abgelöst.

Allerdings bleibt das Schieferöl-Fracking nur solange rentabel, wie ein bestimmter Ölpreis nicht unterschritten wird. Bei dem im November erreichten Tiefststand dürfte diese Grenze bereits für einen großen Teil der US-Schieferöl-Förderung erreicht worden sein.

Links (intern)